Forschungsprojekt zeigt Optionen zur Sanierung von Großwohnsiedlungen auf
Großwohnsiedlungen der Nachkriegsjahre machen einen beträchtlichen Teil des europäischen Wohnungsbestandes aus. Das Forschungsprojekt Wohnen weiterbauen erarbeitet Vorschläge, wie dieser Bestand sozial verträglich und ökologisch für die Zukunft entwickelt werden kann: Am Beispiel München-Neuperlach wird die Idee einer bewohnbaren Dämmung untersucht. Die Fassaden werden mittels Wintergärten in Holzbauweise erneuert, um niedrige Energiekosten, erweiterte Wohnräume und flexibel nutzbare Wohnungen zu erzielen.
Wohnen weiterbauen ist eine Zusammenarbeit der TU München und der OTH Regensburg, die als Teil des Projektes Creating NEBourhoods Together von 2022 bis 2024 durchgeführt wurde. In München-Neuperlach wurden im Rahmen dieses Projektes ko-kreative Transformationsprozesse in der Stadtentwicklung erprobt. Creating NEBourhoods Together ist Teil des Neuen Europäischen Bauhaus.
In der Publikation wird zunächst der Wohngebäudebestand in Neuperlach Nord und Nordost anhand der Gebäudetypen analysiert. Es folgt eine Einordnung der in Wohnen weiterbauen erarbeiteten Sanierungsoptionen für Großwohnsiedlungen im Zusammenspiel aus ökologischen, ökonomischen und sozialen Perspektiven unter Verwendung des Kompasses des Neuen Europäischen Bauhaus.
Das Konstruktionsprinzip und Grundrissvarianten der bewohnbaren Dämmung im Vergleich zu herkömmlichen Sanierungsvarianten werden anhand eines Referenzgebäudes vorgestellt. Die thermisch-dynamische Gebäudesimulation untersucht die Wirksamkeit der unterschiedlichen Sanierungsvarianten hinsichtlich der Energieeffizienz. Eine Lebenszyklusanalyse betrachtet die ökologischen Auswirkungen. Es werden Errichtungskosten ermittelt, die die Basis bilden für ein wirtschaftliches Konzept, das die bewohnbare Dämmung durch eine Nachverdichtung querfinanziert. In der Publikation werden anschließend die sozialen Auswirkungen der unterschiedlichen Sanierungsoptionen auf den Ebenen von Wohnung, Gebäude und Nachbarschaft erläutert und Ansätze zur Einbeziehung der Stakeholder beschrieben. Es folgt ein Ausblick auf die Replizierbarkeit von Wohnen weiterbauen in anderen europäischen Kontexten.
Das Forschungsprojekt führt zu der Erkenntnis, dass die bewohnbare Dämmung die Handlungsoptionen zur Sanierung von Großwohnsiedlungen sinnvoll erweitert. Die Wirkung als thermische Pufferzone wird nachgewiesen, ebenso die positive Auswirkung auf den CO2 -Fußabdruck. Sanierungsmaßnahmen mit bewohnbarer Dämmung schaffen einen sozialen Mehrwert für die Bewohner, wie z.B. geringere Heizkosten bei gleichbleibendem Mietniveau sowie erhöhte Nutzungsflexibilität der Individualräume. Es wird ein rentables und finanzierbares Modell für eine nachhaltige Sanierung vorgestellt, bei der die Wintergartenfassade durch Nachverdichtung querfinanziert, barrierefreie Wohnungen geschaffen und die soziale Durchmischung der Bewohner erhöht werden. Das Konstruktionsprinzip ist an unterschiedliche Gebäude und europäische Kontexte anpassbar. Der Demonstrator, bestehend aus Modellen, einer Ausstellung, einem Kurzfilm und einer Broschüre, hat gezeigt, dass ein ko-kreativer Entwicklungsprozess die effektive Kommunikation von nachhaltigen Sanierungsmaßnahmen unterstützt, Akzeptanz und Verständnis fördert und Partizipation ermöglicht.
Wohnen weiterbauen
Großwohnsiedlungen in die Zukunft bringen
Dietlmeier, C.; Gruhne, S.; Pytlik, S.
Hild, A.; Müsseler, A. [Hrsg.]
Berlin: Gebr. Mann Verlag (2025)
https://mediatum.ub.tum.de/download/1781725/1781725.pdf