Kreislaufwirtschaft

Im Rahmen des nachhaltigen Bauens hat sich die Sichtweise auf Bauprodukte geändert: Früher wurde ihre Lebensphase durch einen linearen Verlauf aus Herstellung, Nutzung und Entsorgung beschrieben. Heute werden Bauprodukte und Bauteile in Kreisläufen gedacht und designt, aus dem ehemals reinen Verbrauchsgegenstand wurde eine wertvolle Ressource. Dass sich dieser Wandel auch auf ökonomischer Ebene durchgesetzt hat, unterstreicht der Begriff der Kreislaufwirtschaft.

Abfallvermeidung durch Kreislaufwirtschaft

Das Kreislaufwirtschaftsgesetz [1] definiert Kreislaufwirtschaft als Vermeidung und Verwertung von Abfällen (§ 3 Abs. 19 KrWG). Dass zur Erreichung dieses Ziels eine enge Zusammenarbeit verschiedener Wirtschaftsakteure erforderlich ist, zeigt die umfassendere Definition des Begriffs in der EU-Taxonomie-Verordnung [2]: Artikel 2 Abs. 9 der Verordnung zufolge ist Kreislaufwirtschaft ein Wirtschaftssystem, bei dem der Wert von Produkten, Materialien und anderen Ressourcen in der Wirtschaft so lange wie möglich erhalten bleibt und ihre effiziente Nutzung in Produktion und Verbrauch verbessert wird, wodurch die Auswirkungen ihrer Nutzung auf die Umwelt reduziert und das Abfallaufkommen sowie die Freisetzung ­gefährlicher Stoffe in allen Phasen ihres Lebenszyklus ­minimiert werden […]. Eine funktionierende Kreislaufwirtschaft ist demzufolge Basis für ein ressourceneffizientes, umweltfreund­liches und gesundes Leben.

Kreislaufgerechtes Planen und Bauen

Die Bedeutung der Bauwirtschaft als Teil dieses Wirtschaftssystems wird bei Betrachtung der jährlich erscheinenden Abfallbilanz des Statistischen Bundesamts [3] deutlich: Der aktuellen Bilanz ­zufolge wurden 2020 nahezu 26 Mio. t Bau- und Abbruchabfälle auf Deponien abgelagert. Dies entspricht 55 % der insgesamt in Deutschland auf Deponien abgelagerten Abfälle.

Zur Reduzierung dieser Abfallmengen sollten Bauwerke so geplant und errichtet werden, dass sie möglichst lange genutzt, nach ihrem Lebensende sortenrein zurückgebaut und die eingesetzten Materialien in ihre jeweiligen Stoffkreisläufe zurückgeführt werden können.

Die Kreislaufwirtschaft bildet dabei gleichzeitig Basis und Ziel des zirkulären Bauens: Zahlreiche Baustoffe beinhalten hohe Rezyklatanteile und lassen sich nach der Verwendung dank etablierter Rücknahme- und Recyclingsysteme in neue Produkte umwandeln. Gleichzeitig sorgen Bauschaffende durch vorausschauende Planung dafür, dass die eingesetzten Baustoffe lange genutzt werden können und im Anschluss als Ressource zur Verfügung stehen. Dabei stehen die nachstehend beschriebenen Prinzipien der Wiederverwendung, Materialwahl und lösbaren Verbindungen im Fokus.

Abfallvermeidung durch Wiederverwendung

Die ressourcenschonendste Möglichkeit, die in einem Gebäude ­eingesetzten Produkte zu nutzen, ist die Wiederverwendung des ­ganzen Gebäudes bzw. der eingesetzten Bauteile. Diese Form der direkten Abfallvermeidung kann bspw. durch an geänderte Nutzungsbedingungen anpassbare Strukturen und die Wahl standardisierter Bauteile erzielt werden. Maßgefertigte Einzelstücke hingegen sind zu vermeiden, da ihre Wiederverwendungsmöglichkeiten eingeschränkt sind.

Kreislaufgerechte Materialwahl

Die Materialwahl unterstützt die Kreislaufwirtschaft in mehr­facher Hinsicht:

  • Materialien mit einem hohen Rezyklatanteil fördern die bereits bestehenden Rückführungssysteme und Recyclingverfahren.
  • Aus mehreren Elementen bestehende Bauteile (z. B. Fenster) sollten so gewählt werden, dass einzelne Komponenten bei Bedarf repariert bzw. ausgetauscht werden können.
  • Die zukünftige Wiederverwendungs- oder Recyclingfähigkeit ist Grundvoraussetzung für die Rückführung in den Stoffkreislauf. Dabei können entweder technische Kreisläufe bedient werden, z. B. von Metallen, Glas oder Kunststoffen, oder biologische Systeme, bei denen durch Kompostierung nutzbare Erde gewonnen wird.
  • Werden bei der Materialwahl potenzielle Schad- und Risikostoffe vermieden, kann dies die Wiederverwendungs- und ­Recyclingfähigkeit zusätzlich erhöhen.

Lösbare Verbindungen

Neben der Wahl kreislauffähiger Materialien ist auch deren Kombination im Bauwerk von Bedeutung: Durch Auflegen oder Klemmen fixierte Baustoffe lassen sich bei Bedarf problemlos lösen. Schraubverbindungen garantieren festeren Halt, lassen sich jedoch etwas schwerer zurückbauen. Schwer bzw. nicht lösbare Verbindungen, bspw. Kleben, können die sortenreine Trennbarkeit verhindern und der Recyclingfähigkeit entgegenstehen. Viele der so gebundenen Materialien werden energetisch verwertet und verlassen den Stoffkreislauf, obwohl ihre Einzelkomponenten ggf. zurückgeführt werden könnten.

Rücknahmesysteme: Hersteller in der Pflicht

Neben Planern und Bauherren stehen auch die Hersteller in der Pflicht, die von ihnen in Verkehr gebrachten Produkte nach kreislaufgerechten Prinzipien zu entwerfen. Der Einsatz sekundärer Rohstoffe, die Vermeidung von Risiko- und Schadstoffen sowie die Bereitstellung von Rückbauanweisungen spielen dabei eine ebenso große Rolle wie das Anbieten von leicht zugänglichen Rücknahmesystemen. Dabei können auch andere Akteure der Kreislaufwirtschaft, z. B. Wertstoffhöfe, Aufbereitungsanlagen und Logistikunternehmen, sowie Plattformen zur Katalogisierung und Vermittlung von wiederverwendbaren Baustoffen einbezogen werden.

Das gesamte Glossar ist zu finden unter www.nbau.org/glossar.


Literatur

  1. Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen (Kreislaufwirtschaftsgesetz – KrWG). Fassung 10. Aug. 2021.
  2. Europäische Union (2020) Verordnung (EU) 2020/852 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2020 über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen und zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/2088. Brüssel.
  3. Statistisches Bundesamt (2022) Genesis-Online, Tabelle 32111-0004 [online]. Wiesbaden: Destatis. Datenlizenz by-2-0. https://www-genesis.destatis.de/genesis//online?operation=table&code=32111-0004&bypass=true&levelindex=0&levelid=1667924380203#abreadcrumb [Zugriff am: 4. Nov. 2022]

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