Ökobilanzierung

Der verantwortungsvolle Umgang mit Ressourcen rückte innerhalb der Baubranche erst mit Beginn des 21. Jahrhunderts in den Fokus, vorwiegend ausgelöst durch die spürbaren Auswirkungen aufgrund des sich kontinuierlich beschleunigenden Klimawandels. Der CO2-Ausstoß durch den Bausektor hatte 2019 einen Anteil von 38 % an den globalen Treibhausgasemissionen und muss deshalb schnellst- und bestmöglich gesenkt werden [1].

Vor diesem Hintergrund wird im Bauwesen immer häufiger die Methode der Ökobilanzierung (engl. Life Cycle Assessment – LCA) angewendet. Diese stellt eine Zusammenstellung und Beurteilung von Produkt-, Stoff- und Energieströmen sowie eine Abschätzung der Umweltverträglichkeit eines definierten Produktsystems über den gesamten Lebensweg dar. Hierbei werden die Umweltbelastung, das Gefährdungspotenzial und der Energieeinsatz berechnet. Die Betrachtung über den Lebenszyklus beinhaltet die Rohstoffgewinnung, Aufbereitung, Herstellung, Nutzung und das Recycling sowie die Entsorgung. Die Transparenz für spätere Bewertungen muss hierbei gewährleistet werden [2].

Die vier Phasen der Ökobilanzierung

Der Ablauf einer Ökobilanz wird nach DIN EN ISO 14040 [2] in vier Phasen aufgeteilt. Dabei werden die Phasen nicht zwangsläufig linear abgearbeitet. Die Ökobilanzierung bleibt aufgrund des mit ihr einhergehenden stetigen Informationszuwachses ein iterativer Prozess. So können Erkenntnisse aus der Sachbilanz bspw. dazu führen, dass der Untersuchungsrahmen angepasst wird.

Phase 1: Ziel und Untersuchungsrahmen festlegen

Zunächst werden Ziel und Untersuchungsrahmen festgelegt. In ­dieser ersten Phase wird die Zielgruppe definiert und der erwartete Nutzen der Ökobilanz abgestimmt. Darüber hinaus werden die zu verwendenden Datensätze, bspw. Produktionsdaten und Hintergrundinformationen aus Umweltdatenbanken, vorgegeben. Weiterhin wird definiert, welche Lebenszyklusphasen des zu bilan­zierenden Produkts betrachtet werden. Da Produktsysteme äußerst komplex sind und oftmals aus wenigen großen und vielen sehr kleinen Stoffströmen bestehen, müssen sog. Abschneide­kriterien bestimmt werden. Diese definieren, wie weit die Nachbildung des Produktsystems hinsichtlich der In- und Outputs von der Wirklichkeit abweichen kann. Die Norm DIN EN 15804 [3] schreibt z. B. vor, dass die Gesamtsumme der vernachlässigten ­Input-Flüsse höchstens 5 % des Energie- und Masseeinsatzes betragen darf.

Phase 2: Sachbilanz

In der zweiten Phase der Ökobilanz – der Sachbilanz – werden die In- und Outputs des Produktsystems über den Lebenszyklus zusammengestellt. In das System eingehend werden dabei die für die Produktion verwendeten Materialmassen- und Energieströme, aus dem System ausgehend die entstehenden Produkte, Nebenprodukte, Abfälle und Emissionen in Luft, Wasser und Boden bilanziert.

Bei der Erstellung der Sachbilanz ist ein maximaler Detaillierungsgrad wünschenswert, damit in der späteren Wirkungs­schätzung aussagekräftige Klassifikationen getroffen werden ­können.

Phase 3: Wirkungsabschätzung

Die Wirkungsabschätzung bildet die dritte Phase der Ökobilanz. Ihr Ziel ist die Ermittlung der potenziellen Umweltwirkungen, die im Produktlebenszyklus verursacht werden.

DIN EN 15804 sieht fast 40 verschiedene Kennzahlen zur Abschätzung der Umweltverträglichkeit eines Produkts vor. Bei der Wirkungsabschätzung wird mithilfe spezieller Computerprogramme ermittelt, welche Umweltwirkungen mit den in der Sachbilanz ermittelten Stoff- und Energieströmen einhergehen. Die Verbrennung von Erdgas bspw. beeinflusst u. a. die Indikatoren nicht erneuerbarer Primärenergiebedarf sowie Treibhauspotenzial. (Eine vollständige Liste der Umweltwirkungen nach DIN EN 15804 kann unter www.nbau.org/category/glossar abgerufen werden.)

Phase 4: Interpretation

Abschließend erfolgt die Interpretation der Ergebnisse in der Auswertung. Sie beinhaltet zum einen eine kritische Untersuchung der vorherigen Schritte. Zum anderen werden die Parameter identifiziert, die für das Ergebnis ausschlaggebend sind. Essenziell ist zudem die Prüfung der Konsistenz und Vollständigkeit der Bilanzierung. Eine Sensitivitätsanalyse sorgt in diesem Schritt für Transparenz im Hinblick auf mögliche Unsicherheiten innerhalb des Ergebnisses. Schließlich können Schlussfolgerungen hinsichtlich des gesetzten Ziels formuliert und Empfehlungen bez. mög­licher Handlungen ausgesprochen werden [2].

Bislang gibt es kein allgemein anerkanntes Verfahren, um die etwa 40 Umweltwirkungen, die im Rahmen einer Ökobilanzierung nach DIN EN 15804 ermittelt werden, in einer finalen Kennzahl zusammenzufassen. Aus diesem Grund muss die Interpretation auf das festgelegte Ziel und den Untersuchungsrahmen Bezug nehmen. Nur so wird eine transparente Einschätzung der Ergebnisse gewährleistet.

Verwendung ökobilanzieller Kennzahlen

Die Ergebnisse der Ökobilanzierung finden in verschiedenen Bereichen Anwendung. Im Baubereich werden Produkt-Ökobilanzen vorwiegend zur firmeninternen Effizienzanalyse sowie zur Darstellung in Umwelt-Produktdeklarationen verwendet. Letztere bilden eine wesentliche Basis für Ökobilanzierungen auf Gebäudeebene.

Das gesamte Glossar ist zu finden unter www.nbau.org/glossar.


Literatur

  1. United Nations Environment Programme (2021) 2021 Global Status Report for Buildings and Constructions. Towards a Zero-emissions, Efficient and Resilient Buildings and Construction Sector. Nairobi. https://globalabc.org/sites/default/files/2021-10/GABC_Buildings-GSR-2021_BOOK.pdf
  2. DIN EN ISO 14040 (2021) Umweltmanagement – Ökobilanz – Grundsätze und Rahmenbedingungen. Berlin: Beuth. Ausgabe Feb. 2021.
  3. DIN EN 15804 (2022) Nachhaltigkeit von Bauwerken – Umweltproduktdeklarationen – Grundregeln für die Produktkategorie Bauprodukte. Berlin: Beuth. Ausgabe März 2022.

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