Tunnel sind etablierte und akzeptierte Lösungen für den Güter- und Personentransport. Sie tragen zur Rückgewinnung von Land durch die Verlagerung von Verkehr untertage bei, reduzieren zusätzlich Lärm, verkürzen Verkehrswege und minimieren Staus. Zusätzlich sind sie für den öffentlichen Nahverkehr in Großstädten oft die einzige Option. Der Tunnelneubau erfordert jedoch Beton, der durch seine inhärenten CO2-Emissionen bei der Herstellung bekanntermaßen einen hohen Beitrag zur globalen Erwärmung leistet. Nachfolgend werden Überlegungen zur Minimierung des Betonverbrauchs und des damit verbundenen CO2-Ausstoßes präsentiert. Bauherren und Planer müssen ihre Verantwortung wahrnehmen und frühzeitig im Projekt CO2-Einsparziele festlegen. Da Beton und sein „Klebstoff“ Zement den CO2-Ausstoß beim Tunnelneubau dominieren, können früh angestellte Projektüberlegungen sich auf diesen Hauptverursacher konzentrieren, die am besten geeignete Vortriebsmethode gewählt und innovative Planungslösungen vorschlagen werden. Materiallieferanten und Bauunternehmen setzen diese Vorgaben dann um. Eine Umweltoptimierung in einer späteren Projektphase ist weniger effizient und definitiv kostspieliger. Dieser Beitrag zeigt die betonbezogenen CO2-Emissionen wie auch die etablierter Tunnelbaumethoden auf, welche allerdings nicht immer austauschbar sind. Die gezeigte Transparenz verdeutlicht jedoch das Verbesserungspotenzial bei der CO2–Einsparung.
1 Einleitung
Angesichts der wachsenden Besorgnis über schwindende Ressourcen und den Klimawandel hat Nachhaltigkeit höchste Priorität erlangt, was bedeutet, wirtschaftliche, ökologische und soziale Faktoren in Einklang zu bringen. Eine Lösung kann nicht als nachhaltig gelten, wenn sie sich nur auf eine dieser Säulen konzentriert; sie muss alle drei berücksichtigen. Dies muss auch die Auswirkungen von Materialien und Verfahren über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg identifizieren und bewerten, wie auch etwaige negative Auswirkungen abzumildern sind, die in verschiedenen Phasen auftreten können.
Eine Auswahl an nachhaltigen Materialien kann den CO2-Ausstoß im Tunnelbau deutlich reduzieren, doch reicht das aus? Sollte nicht besser ein umfassenderer Ansatz angewandt werden, der Änderungen bei Bauprozessen, Energiequellen und dem gesamten Projektmanagement umfasst, um eine noch größere CO2-Reduzierung zu erreichen? Obwohl Materialien eine wesentliche Rolle spielen, muss dieses Thema umfassender betrachtet werden.
Tunnel in Fels und Lockergestein werden so gebaut, dass der Boden die durch die Tunnelarbeiten verursachte Lastumverteilung aufnehmen kann. Beton wird jedoch als Hauptbaumaterial benötigt, um schwächeren Boden zu stabilisieren und grundsätzlich zusätzliche Sicherheit zu geben.
Tunnel in der konventionellen zyklischen Methode aufgefahren, verwenden ein besonderes angepasstes Bohr- Spreng- und Ausbauverfahren, oft als Neue Österreichische Tunnelbaumethode (NÖT, NATM im Englischen) bezeichnet (Bild 1). Spritzbeton dient als primäre und meist nur temporäre Stützung, wobei ein Erstarrungsbeschleuniger dafür sorgt, dass der Beton an der Wand haftet und schnell an Festigkeit gewinnt. Der Ortbeton für den endgültigen und als dauerhaft angesehenen Ausbau kommt deutlich später.
Der kontinuierliche Tunnelvortrieb erfolgt durch den Einsatz von Tunnelbohrmaschinen (TVM, TBM im Englischen, Bild 2). Diese großen und sehr langen Maschinen graben ein kreisförmiges Loch in den Boden, wobei die erste Stützung des Bodens durch ein Maschinenschild gewährleistet wird, gefolgt von als endgültigem Ausbau mit Erektoren eingesetzten Betonsegmenten (Tübbingen). Der Maschinenüberschnitt, zwischen Boden und Tübbing, wird mit einem Mörtel zur Lastabtragung aufgefüllt.
CO2 gilt als der größte menschengemachte Faktor für die globale Erwärmung, er ist aber nicht der einzige. Der Einfachheit halber wird in diesem Dokument der Begriff CO2 verwendet, der für den korrekteren Term CO2e steht, welcher auch andere Treibhausgase umfasst. Diese werden entsprechend ihres Schädigungspotenzials in CO2 umgerechnet, zu CO2 addiert, und in Summe als CO2e bezeichnet.
2 Grundsätzliche Überlegungen vorab
Können klimaneutrale Tunnel allein durch eine intelligente Materialwahl gebaut werden? Der Titel dieser Arbeit impliziert, dass die CO2-Einsparungen des Betriebes die für den Tunnelbau aufgewendeten CO2-Emissionen ausgleichen müssen, andernfalls ist Neutralität nicht erreichbar. Diese Einsparungen resultieren hauptsächlich aus kürzeren Transportwegen und einem geringeren Energieverbrauch durch flachere Steigungen bei Bergüberquerungen mit Auto oder Bahn, weniger Staus und kürzere Strecken bei Umgehungstunneln oder einem funktionierenden öffentlichen Nahverkehrssystem mit U-Bahnen.
Die CO₂-Emissionen aus dem Bau werden jedoch bereits heute freigesetzt und tragen sofort zur globalen Erwärmung bei. Der Ausgleich zur Neutralität hingegen wird in den darauffolgenden Jahren erreicht. Die zentrale Frage ist, ob der Bau eines Tunnels sinnvoll ist, wenn CO₂-Neutralität der einzige entscheidende Faktor ist und andere Vorteile wie Landgewinnung sowie Lärm- und Schadstoffreduzierung vernachlässigt werden.
Eine ausgezeichnete Antwort darauf findet sich in einer Arbeit von Haist et al., in welcher der Klimagrenzzustand (CLS, Climate Limit State) vorgestellt wurde [1]. Dieses potenzielle Bemessungskriterium, vergleichbar mit den etablierten Grenzzuständen der Gebrauchstauglichkeit (SLS, Service Limit State) und Tragfähigkeit (ULS, Ultimate Limit State) im Bauwesen, befasst sich mit der oben genannten Herausforderung. Das politisch festgelegte Netto-Null-Ziel und die Menge an CO2, die zu dessen Erreichung noch übrigbleibt, sind Faktoren, die den Tunnelbesitzer und -planer hinsichtlich der globalen Erwärmung zur richtigen Entscheidung führen, sodass die CO2-Investitionen in den Bau letztendlich durch die Transporteinsparungen ausgeglichen werden und so rechtzeitig einen positiven Beitrag zum politischen Netto-Null-Ziel leisten.
Beton und das damit verbundene Zement-CO2 machen etwa zwei Drittel des Gesamt-CO2-Ausstoßes und damit den größten Anteil beim Tunnelneubau aus [2]. Eine offensichtliche Konsequenz daraus ist, dass jede relevante CO2-Reduktion zwangsläufig auch eine Betonreduktion bedeutet. Das für einen sicheren Bau und Betrieb benötigte Gesamtbetonvolumen ist dabei zu berücksichtigen und zusätzlich sind auch CO2-optimierte Betonmischungen zu bevorzugen.
CO2-Einsparungen auf Tunnelbaustellen können nur dann erfolgreich sein, wenn Pragmatismus angewandt wird. Theoretisch wirkt sich jede Maßnahme auf der Baustelle auf ihren Gesamt-CO2-Ausstoß aus, der Beitrag könnte jedoch gering sein. Sich um die Berücksichtigung aller potenziellen CO2-Auswirkungen zu kümmern, führt höchstwahrscheinlich zum Scheitern; man könnte sich in Details verlieren und den wesentlichen Verursachern zu wenig Aufmerksamkeit schenken. Pragmatismus ist gefragt; das Pareto-Prinzip sollte bevorzugt werden. Wie bereits erwähnt, wird der CO2-Ausstoß beim Tunnelneubau von Beton und seinen Komponenten, wie Zement, dem Hauptverursacher, und Bewehrungsstahl, dominiert. Daher konzentriert sich diese Arbeit auf den Beton, um den wichtigsten CO2-Verursacher zu erfassen, und zeigt Möglichkeiten zu dessen Reduzierung auf.
Ingenieure bauen Tunnel, und sie legen Wert auf Genauigkeit. Die Herausforderung besteht darin, dass bei der Berechnung von CO2-Einsparungen nie eine 100-prozentige Genauigkeit erreicht werden kann. Der größte Hebel zur CO2-Reduzierung liegt in der Regel in einer frühzeitigen Berücksichtigung in der Projektplanung. Allerdings stehen zu diesem frühen Zeitpunkt nur ein grober Projektplan und allgemeine Materialdaten zur Verfügung. Daher ist ein pragmatischer Ansatz, einschließlich Vereinfachung, als Entscheidungsgrundlage das Mittel der Wahl. Eine genauere Erfassung im weiteren Projektverlauf ist für Dokumentationszwecke sinnvoll. Es ist wichtig, wie soeben dargelegt, zwischen Entscheidungshilfe und Dokumentation zu unterscheiden.
3 Der Materialeinfluss auf CO2
Mit mehr als 14 Milliarden Kubikmetern jährlichem Verbrauch ist Beton der wichtigste Baustoff unserer Zeit. Moderner Tief- und Tunnelbau sind ohne ihn nicht mehr vorstellbar [3]. Der Zement im Beton stellt jedoch ein erhebliches Klimaproblem dar, da bei der Herstellung des Zementklinkers enorme Mengen CO2cin die Atmosphäre freigesetzt werden, die jährlich etwa 8 % aller weltweit produzierten CO2-Emissionen ausmachen [4]. Die Reduzierung des CO2-Ausstoßes auch im Tunnelbau ist daher unerlässlich! Doch wie lässt sich dies bewerten und letztendlich erreichen?
Die Bewertung des Treibhauspotenzials (GWP, Global Warming Potential) von Beton folgt einfachen Regeln: Die Masse der Materialien in einem Kubikmeter Beton wird mit den in den Umweltproduktdeklarationen (EPDs, Environmental Product Declaration)) ausgewiesenen spezifischen Auswirkungen multipliziert. Zertifizierte Software nutzt die Daten dieser EPDs und addiert die CO2-Emissionen aus Produktionsprozessen wie dem Mischen hinzu.
Der Fokus sollte auf den großen Massen im Mischgut mit den höchsten CO2-Emissionen pro Einheit liegen, d. h. Zement (vorwiegend Zementklinker), Stahl und Bauchemikalien (vorwiegend Spritzbetonbeschleuniger). Auch eine einfache Excel-Tabelle ermöglicht eine schnelle Abschätzung und liefert bei ausreichend guten Eingabeparametern zuverlässige Ergebnisse.
Bild 3 [2] zeigt die in EPDs ausgewiesenen CO2-Bilanzwerte von überwiegend in Österreich hergestellten Baustoffen. Die CO2-Bilanz von Bewehrungsstahl kann je nach Herstellungsverfahren und Recyclinganteil stark variieren; hier wird Bewehrungsstahl S (Recyclingstahl, im Lichtbogenofen hergestellter Stahl) mit Bewehrungsstahl P (aus Eisenerz, im Hochofen hergestellter Stahl) verglichen.
Bild 4 zeigt die CO2-Emissionen pro Ausgangsstoff für 1 m³ Spritzbeton, wobei Zement die Gesamtemissionen dominiert. Es ist zu beachten, dass die Mischenergie im Betonmischwerk, der Transport zur Baustelle (in diesem Beispiel 15 km) und das Aufbringen des Betons durch Spritzen nur einen geringen Beitrag zum Gesamtergebnis leisten und bei frühen Optimierungsberechnungen möglicherweise vernachlässigt werden können.
Zyklisch mittels Sprengens vorgetriebene Tunnel werden mit Spritzbeton und danach gepumpten Beton für Innenschalen ausgebaut (gesichert). Die GWP-Berechnung für diese Konstruktionsbetone pro Kubikmeter ist in Bild 5 [6] dargestellt. In diesem Beispiel ist der Spritzbeton mit einem leichten Stahlgitter bewehrt, die Innenschale ist, wie bei den meisten österreichischen Tunneln, unbewehrt. Es ist wieder klar ersichtlich, dass der Zementanteil im Beton die CO2-Emissionen dominiert.
4 Welche Rolle spielt die Planung?
Zur Quantifizierung der Umweltauswirkungen werden üblicherweise Ökobilanzen (LCAs, Life Cycle Assessments) nach ISO 21930 verwendet, um eine objektive Analyse der vier wichtigsten Lebenszyklusphasen zu gewährleisten: Produktion (A1–A3), Bau (A4–A5), Nutzung (B1–B7) und Entsorgung (C1–C4). Bei Tunnelprojekten sollte jedoch auch die Planungsphase zu diesen Ökobilanzphasen hinzugefügt werden, da ihr Einfluss auf die späteren Emissionen trotz der geringen direkten CO2-Emissionen dominant ist [7]; siehe Bild 6.
Die CO2-Bewertung eines Projekts mit einer geplanten Lebensdauer von 100 Jahren ist anspruchsvoll. Es muss eine Bilanz zwischen den anfänglichen CO2-Emmisionen in der Bauphase und den späteren Einsparungen der in der Nutzungsphase, natürlich beeinflusst durch die Materialwahl und Sanierungsbedarf, erstellt werden muss. Dies könnte auch einen höheren CO2-Verbrauch für den Bau bedeuten, wenn hochwertigere und langlebigere Materialien verwendet werden, was wiederum einen geringeren Wartungs- und Sanierungsbedarf und weniger damit verbundenes CO2 ermöglicht. Im schlimmsten Fall käme es hingegen zur vollständigen Schließung des Tunnels für bauliche Sanierungen aufgrund minderwertiger Materialien und Bauqualität, und die Umleitung des Verkehrs für diesen Zeitraum, was auch zusätzliches verkehrsbedingtes CO2 erzeugen würde.
Bei den meisten Tunnelprojekten werden wichtige Entscheidungen frühzeitig getroffen. Hierzu gehören die Prüfung und Vereinbarung von Varianten, Linienführung, ein breiter Tunnel gegenüber zwei parallelen Röhren wie auch die Vortriebsmethoden (TVM vs. Sprengvortrieb (NÖT)). Die oben genannten Faktoren wirken sich erheblich auf das Gesamtpotenzial zur Reduzierung der CO2-Emissionen und zur Senkung der Kosten im späteren Projektverlauf aus [7]. Das bedeutet, dass Bewertungen und Entscheidungen zur CO2 -Reduzierung so früh wie möglich getroffen werden sollten. Dies steht jedoch im Widerspruch zu einer genauen Ökobilanz, da die erforderlichen projektspezifischen Daten noch nicht vorliegen. Deshalb ist Pragmatismus geboten. Generische Daten sind ein guter Ausgangspunkt für die ersten Projektentscheidungen, aber Beton und speziell den Zement betreffende EPDs sollten in dieser Projektphase jedoch so genau wie möglich sein.
Vereinfacht gesagt spielt die Planung die entscheidende Rolle bei der CO2-Einsparung, einschließlich der Art der mit dem Projektträger vereinbarten Bauverträge [8].
Die Bauphase trägt aber auch erheblich zum gesamten ökologischen Fußabdruck eines Tunnels während seines gesamten Lebenszyklus bei. Daher sollten Qualität, Art und Menge der Baumaterialien, wie z. B. Beton, sorgfältig ausgewählt werden. Wie bereits erwähnt, bietet das Papier von Haist et al. [1] eine Orientierungshilfe.
Obwohl stets ein ganzheitlicher Ansatz zur Vermeidung des inkorrekten Wegrechnensvon CO2 Emissionen empfohlen wird, beschränken die folgenden Beispiele den Betrachtungshorizont auf die Produktionsphase der Betonmaterialien (A1–A3) und den damit verbundenen CO2-Ausstoß, den ohnehin dominanten Teil in der Bauphase, um das Verständnis des Themas zu verbessern und Denkanstöße zu geben.
5 TVM und NÖT-Vortrieb – CO2 pro Tunnellaufmeter
Nachfolgend werden die beiden gängigen Tunnelbauverfahren verglichen. Beide Verfahren benötigen völlig unterschiedliche Maschinen und verursachen damit unterschiedliche CO2-Emissionen. Dieser Faktor wird in den folgenden Betrachtungen jedoch vernachlässigt, da er für die Gesamt-CO2-Emissionen des Tunnelneubaus nur eine untergeordnete Rolle spielt [2, 9].
Der mit einer TVM ausgebrochene Tunnel mit 10 m Durchmesser wird mit dem NÖT-Tunnel mit exakt gleichen Innenmaßen verglichen Bild 7. Da Beton den größten Anteil am CO₂-Ausstoß im Tunnelbau hat, wirkt sich das verwendete und effektiv eingebrachte Betonvolumen pro Querschnitt auf die gesamten CO2-Emissionen aus. Der TVM-Tunnel wird mit einer schönen runden Form, kaum ungeplanten Ausbrüchen aus dem Boden und exakt vorhersehbaren Betonvolumina ausgebrochen. In diesem Dokument wird der Mörtel zum Füllen des Spalts aus dem Maschinenüberschnitt (Ringspaltmörtel) als Beton gezählt, da er eine beträchtliche Menge Zement enthalten kann. Die Volumina für den Tübbingbeton und den Ringspaltmörtel sind bekannt und unterscheiden sich nicht von den Planungsannahmen. Die Auskleidungsdicke in unserem Beispiel beträgt 500 mm (350 mm für den Tübbing + 150 mm für den Ringspaltmörtel).
Beim NÖT-Tunnel verhält es sich völlig anders. Die Geologie gibt deutlich stärker die Dicke der eingebauten Auskleidung vor, und ungewollte Ausbrüche aus dem Boden müssen mit Spritzbeton aufgefüllt werden. Da die Innenschale aus gepumptem Ortbeton hergestellt wird und die Mindestdicke gemäß Planung eingehalten werden muss, unterscheiden sich die tatsächlich eingebauten Schalenstärken erheblich von den geplanten. Um dies zu berücksichtigen, wurden zur Spritzbetonstärke wie auch der Innenschale jeweils 150 mm hinzugefügt. Die für den CO2-Wert maßgebende Gesamtschalenstärke beträgt 950 mm (150 mm + 250 mm (Planung) für den Spritzbeton, 150 mm + 400 mm (Planung) für den gepumpten Innenschalenbeton). Von dieser knapp 1 m dicken Betonauskleidung werden in vielen Planungsannahmen nur die 400 mm der Innenschale als dauerhaft angesehen [2].
Die resultierenden Betonvolumina für diese beiden Aushubarten sind in Tab. 1 aufgeführt.
Betonrezepturen können hinsichtlich des CO2-Ausstoßes optimiert werden. Der beste Weg ist die Reduzierung ihres Klinkeranteils, was oft möglich ist. Allerdings muss eine angemessene Mindestreaktivität des Klinkers und Klinkervolumens gewährleistet sein, um die Baubarkeit und Funktionalität zu gewährleisten.
Die Standardrezepturen aus Bild 5 wurden nachfolgend optimiert, wobei der Klinker teilweise durch SCMs (zementartige Zusatzstoffe, meist Flugasche und gemahlene Hochofenschlacke) ersetzt wurde. Eine Standard Ringspaltmörtel- und Tübbingrezeptur aus Österreich wurde ebenfalls übernommen und durch Klinkerreduzierung weiter optimiert. Es ist zu erwähnen, dass der Ringspaltmörtel von einer einfach zu handhabenden Zweikomponenten-Variante auf den bekannten, allerdings nicht ganz so einfach handzuhabenden, Einkomponentenmörtel umgestellt wurde [2].
Die reine Materialoptimierung führt zu folgenden CO2-Reduktionen pro Kubikmeter, wie in den Bildern 8 und 9 dargestellt.
Die oben ermittelten tatsächlichen Betonmengen (Tab. 1) werden mit den betonspezifischen EPDs (Bilder 8, 9) multipliziert. Dargestellt werden die Ergebnisse für die Standard-Betonmischungen (TVM/NÖT-Standard) wie auch die optimierten Mischungen (TVM/NÖT-optimiert). Für das letzte Szenario in Bild 10 wurde ein aggressiver Planungsansatz verwendet.
Es ist allerdings anzumerken, dass die kreisförmige Tunnelform den NÖT-Tunnelvortrieben nicht gerecht wird, da deren Aushubform einem Ei ähnelt, was eine geringere Ausbruchsfläche und dadurch auch weniger Beton als bei einem Kreis bedeutet. Zudem werden kürzere Tunnel nicht mit TVMs gebaut, da die Maschinenkosten und die Lieferzeit im Vergleich zu den Kosten für den NÖT-Vortrieb zu hoch sind.
Bild 10 lässt sich wie folgt zusammenfassen:
- Die TVM mit der Standardbetonmischung weist im Vergleich zu zwei der drei NÖT-Optionen einen niedrigen CO2-Ausstoß auf. Dies ist nicht überraschend, da es lediglich den Unterschied im Betonvolumen widerspiegelt (Tab. 1).
- Die deutlichste CO2-Reduktion beim TVM-Tunnel, von ca. 6,3 t/Lfm. auf ca. 4,3 t (32 %), resultiert aus der Umstellung auf den einkomponentigen Ringspaltmörtel mit niedrigem Zementgehalt.
- Der ursprüngliche NÖT-Tunnel verursacht 11,6 t CO2/m, was durch Verbesserungen der Mischungszusammensetzung auf 9,6 t reduziert wird, und damit einer Reduzierung um 17 % entspricht.
Man könnte schlussfolgern, dass der TVM-Tunnel während der Bauphase immer deutlich niedrigere CO2-Werte aufweisen wird, doch NÖT-Tunnel haben ein oft ungenutztes Potenzial, das nun argumentativ erschlossen wird.
Die meisten NÖT-Tunnel werden immer noch unter der Annahme gebaut, dass die erste Spritzbetonsicherung nur temporär wirkt und sich per Definition mit der Zeit auflöst, obwohl es Belege für das Gegenteil gibt, [10, 11]. In unserem Beispiel liegt eine zusätzliche Ausbaureserve in der tatsächlich aufgebrachten Spritzbetonstärke, im Schnitt plus 150 mm, um das erforderliche Minimum einzuhalten. Darüber hinaus überschreitet der Spritzbeton, was zwar bekannt, aber kaum berücksichtigt wird, meist deutlich die geforderten Festigkeitsanforderungen. Viele Messungen zeigen Festigkeiten deutlich über 40 MPa (N/mm²), oft auch über 60 MPa nach 28 Tagen, während in Planungsunterlagen überwiegend 25 MPa verwendet werden.
In unserem Berechnungsbeispiel, dem Fall einer optimierten NÖT-Bemessung- und Materialauswahl, wird die zusätzliche Spritzbetondicke von 150 mm nicht berücksichtigt. Die verborgene Reserve und Sicherheit liegt in der zusätzlichen Festigkeit des Betons, was eine geringere Schalenstärke erlaubt, sowie Einbringen der Innenschale nach dem Abklingen der Verformungen. Sobald die Spritzbetonschale der Erstsicherung als dauerhaft angenommen wird, können die Bemessungsannahmen für die Innenschale in Frage gestellt werden. In unserem optimierten Bemessungsbeispiel wird die gesamte Bemessungsschalendicke von 650 mm (250 mm + 400 mm) um 1/3 reduziert (interne Berechnungen), um die erforderliche Innenschalendicke von 183 mm zu erhalten. Die Innenschale wird mit der gleichen CO2-optimierten Mischungszusammensetzung wie die Spritzbetonschale der Erstsicherung gespritzt, die ebenfalls CO2 aus einer Lage Stahlgewebe (AQ 70) oder Faserbewehrung enthält. Es wird kein Mehrverbrauch angenommen, da größere Flächen gespritzt und der Rückprall deutlich reduziert werden können. Spritzmembranen zur Erzielung der Wasserdichtheit der Schale können zur Anwendung kommen [12].
Dieser eher aggressive Ansatz erfordert zwar mehr Anwendungs-Know-how und eine strengere Qualitätskontrolle, senkt aber den Gesamt-CO2-Ausstoß pro Meter auf etwa 5,4 T, was einer Reduzierung um 54 % gegenüber der Referenz entspricht. Er liegt nun im CO2-Bereich einer Tunnelbohrmaschine und bietet aus CO2-Sicht mehr Möglichkeiten bei der Wahl des bevorzugten Vortriebsverfahrens. Dieser Ansatz kann natürlich hinterfragt werden und kann fairerweise nicht ohne weitere Überlegungen auf andere Projekte übertragen werden. Dennoch sollte er zum Nachdenken über Verbesserungsmöglichkeiten anregen.
6 Schlussfolgerung
Der Vergleich eines fiktiven Tunnelquerschnitts, der mittels TVM oder NÖT aufgefahren wurde, hat gezeigt, dass beiden etablierten Verfahren unterschiedliche CO2-Werten pro laufendem Tunnelmeter zugeordnet werden müssen. Der NÖT-Tunnel weist dabei vor allem aufgrund seiner Planungsannahmen deutlich höhere Werte auf. Verbesserungen bei Material und Planungsanpassungen ermöglichen eine CO2-Reduzierung, doch eine deutliche Reduzierung beim NÖT-Tunnel erfordert einen angepassten Planungsansatz.
Die erfolgreiche Umsetzung innovativer Planungsansätze und der Einsatz nachhaltiger Baumaterialien erfordert von Bauherren, Nachhaltigkeitsziele und CO2-Budgets als grundlegende Bestandteile der Vertragsdokumente zu berücksichtigen. Verträge sollten idealerweise bei zusätzlichen CO2-Reduktion Vorteile bieten, wobei diese Reduzierung jeweils gegenüber einer vom Planer und Bauherrn festgelegten Referenz zu messen ist [8]. Heutzutage werden Emissionsreduzierungen beim rein kostengetriebenen Ansatz, wenn überhaupt, erst nachträglich aufgebracht und ermöglicht, was meist zu spät ist, um einen Unterschied zu bewirken.
Um diese Überlegungen abzuschließen, muss die im Titel des Papiers aufgeworfene Frage beantwortet werden: CO2-neutrale Tunnel können gebaut werden, doch der Ausgleich der CO2-Bauinvestitionen erfolgt durch die Transporteinsparungen. Um den baubedingten CO2-Ausstoß in Tunneln zu reduzieren, spielen jedoch Materialien, insbesondere Beton, die entscheidende Rolle. Die Entscheidung, sich dieser Herausforderung zu stellen, darf nicht dem Bauunternehmen überlassen werden; sie beginnt beim Eigentümer und Planer, der die richtige Vortriebsmethode für die Geologie und das CO2-Budget wählt und Anreize für innovative Lösungen schafft.
Literatur
- Haist, M.; Bergmeister, K.; Curbach, M. et al. (2022) Nachhaltig konstruieren und bauen Beton. Berlin: Beton Kalender 2022.
- Aldrian, W.; Bantle, A.; Green, D.; Jakobs, A. (2021) Greenhouse gas reduction in tunnel construction: Chances and Possibilities. ITA-AITES World Tunnel Congress (WTC2022 Copenhagen 22–28 April 2022).
- https://de.scribd.com/document/451601362/ISO-TC-071-Concrete-reinforced-concrete-and-pre-stressed-concrete-pdf
- Nature (2021) Concrete needs to lose its colossal carbon footprint. The International Journal of Science 597, pp. 593–594.
- Aldrian, W.; Traldi, D.; Fataei, S. (2023) CO2 reduction in tunnel construction – focus on materials, We talked underground! (ITA Slovenia, 15.–17.11.2023, Ljubljana, Slovenia).
- Aldrian, W.; Bantle, A.; Juhart, J. (2022) CO2 reduction in tunnel construction from a material point of view. Geomechanics und Tunnelling 15, H. 6, S. 799–810.
- Aldrian, W.; Bantle, A.; Green, D.; Jacobs, A. (2021) Reducing the carbon footprint of segmental linings. Tunnelling Journal, S. 13–21.
- Aldrian, W.; Traldi, D.; Hernandez, C. (2023) Is it possible to build tunnels with less CO2?. Tunnelling – Smart Solutions, Future Growth – TAC 2023 Conference, Toronto, Canada.
- Sauer, J. (2016) Ökologische Betrachtungen zur Nachhaltigkeit von Tunnelbauwerken der Verkehrsinfrastruktur. Ingenieurfakultät Bau Geo Umwelt der Technischen Universität München
- Lorenz, S.; Galler, R. (2016) Investigations in the Field of Long-Term Stability of Tunnel Constructions. Proceedings of the World Tunnel Congress 2016, San Francisco
- Galler, R.; Lorenz, S. (2018) Support elements in conventional tunneling – Focus on long-term behavior. Underground Space 3, H. 4, S. 277–287.
- Jung, H.; Clement, F.; Pillai, A.; Wilson, C.; Traldi, D. (2017) Composite tunnel linings, allowing a more cost-effective and sustainable tunnel design. Proceedings of the World Tunnel Congress 2017, Bergen.
Autor:innen
Dr. Wolfgang Aldrian, wolfgang.aldrian@masterbuilders.com
Chris Moxham, chris.moxham@masterbuilders.com
Master Builders Solutions
www.master-builders-solutions.com
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