Transparenz und Glaubwürdigkeit in der Kreislaufwirtschaft
Mit der Veröffentlichung der ersten Umwelt-Produktdeklarationen (EPDs) für Re-Use-Produkte setzt das Institut Bauen und Umwelt e. V. (IBU) neue Maßstäbe für die nachhaltige Bauwirtschaft. Die beiden EPDs der Firmen DeFries und Lindner Group markieren einen bedeutenden Schritt hin zur Etablierung einer Kreislaufwirtschaft. Sie zeigen auf, wie Einsparpotenziale bei Ressourcen und Energie durch transparente und glaubwürdige Daten kommuniziert werden können.
1 Besonderheiten der EPD nach Re-Use-Regeln
Re-Use-Produkte zeichnen sich dadurch aus, dass sie nach ihrem ersten Einsatz im Gebäude erneut genutzt werden können, ohne dass sie einer umfassenden Weiterverarbeitung bedürfen. Mit EPDs für solche Produkte können die ökologischen Auswirkungen über den gesamten Lebenszyklus transparent dargestellt und damit die Einsparungen an Umweltlasten bei der Wiederverwendung hervorgehoben werden.
Die Methodik zur Erstellung einer Re-Use-EPD orientiert sich grundsätzlich an den Standards für konventionelle EPDs, beinhaltet jedoch spezifische Rechenregeln insbesondere für die Berechnung der EPD-Module A1 (Rohstoffversorgung), A2 (Transport) und A3 (Herstellung):
- A1 – Rohstoffversorgung: Der selektive Rückbauprozess ersetzt die klassische Rohstoffgewinnung. Aufgenommen werden die Umweltwirkungen für alle Aufwände, um den Rohstoff unversehrt bzw. unbeschädigt aus dem Gebäude zu entnehmen.
- A2 – Transport: Erfasst wird der Transport der unversehrt entnommenen Produkte zur Aufbereitungsstätte.
- A3 – Herstellung (wird zu Aufbereitung): Modul A3, das normalerweise die Herstellung abbildet, heißt im Re-Use-Fall Aufbereitung. In das Modul gehen alle Nutzen und Lasten ein, die benötigt werden, um das Produkt so aufzuarbeiten, dass es wieder in den Verkauf gehen kann.
Anna Katharina Maute, wissenschaftliche Mitarbeiterin für Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft im IBU, erläutert die Sonderregeln bei der Berechnung der EPD-Daten: „Die klassische Betrachtung der Rohstoffversorgung zu Beginn des Lebenszyklus gibt es im Fall von Re-Use-Produkten nicht, da das Produkt ja bereits hergestellt ist. Daher wird als Rohstoffversorgung der selektive Rückbauprozess betrachtet.“
Auch im Fall von EPDs nach Re-Use-Regeln gilt das IBU-Prinzip, wonach keine Bewertung eines Baustoffs oder Bauprodukts vorgenommen wird. Diese Bewertung kann nur im Kontext des jeweiligen Gebäudes stattfinden. Mit den Re-Use-Regeln gibt das IBU Herstellerunternehmen ein Werkzeug in die Hand, um verlässliche und transparente Daten für eine solide Bewertung bereitzustellen. Ziel und Zweck der Re-Use-Regeln ist zu überprüfen, ob und inwieweit Re-Use-Produkte tatsächlich ökologisch „besser“ sind als klassische Produkte und an welchen Stellen oder für welche Produkte auch eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema notwendig ist.
1.1 Re-Use-Definition beim IBU
Re-Use ist der Vorgang, bei dem Produkte oder Komponenten, die das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben, ohne Weiterverarbeitung, aber einschließlich der Vorbereitung für eine weitere Verwendung, wiederverwendet werden.
Unter Vorbereitung zur Wiederverwendung versteht man, soweit erforderlich, das Prüfen, Reinigen, Lösen von Verbindungen, Beschneiden, Entfernen von Beschichtungen und/oder andere Wiederherstellungsmaßnahmen oder Reparaturen, durch die Produkte oder Komponenten von Produkten, die ihr Lebensende erreicht haben, so vorbereitet werden, dass sie ohne weitere Verarbeitung wiederverwendet werden können.
Die Wiederverwendung im Sinne von Re-Use meint die erneute Verwendung für denselben Zweck, für den die Produkte oder Komponenten ursprünglich bestimmt waren.
1.2 EPD für wiederverwendete Ziegel: Hintergrund und Prozess
Die Firma DeFries hat im Dezember 2024 die erste Umwelt-Produktdeklaration (EPD) nach Re-Use-Regeln des IBU veröffentlicht. Die EPD beschreibt die Umweltwirkungen von wiederverwendeten Ziegelsteinen und markiert einen wichtigen Schritt für die Etablierung von Re-Use-Konzepten in der Bauwirtschaft.
Zeitgleich mit der Veröffentlichung der Re-Use-Rechenregeln im Herbst 2023 durch das IBU [1] begann DeFries im Oktober 2023 mit der Entwicklung der EPD für wiederverwendete Ziegel. Bei den deklarierten Produkten handelt es sich um gebrauchte Ziegelsteine, die von DeFries aufgekauft, gereinigt und für den erneuten Einsatz aufbereitet werden, um anschließend zur Wiederverwendung verkauft zu werden (Bild 1). Diese Ziegel werden entsprechend aus selektivem Rückbau gewonnen, das heißt, aus der gezielten Entnahme von sortenreinen und unversehrten Bauprodukten und Bauteilen aus einem Gebäude zum Zweck der Wiederverwendung.

Quelle: DeFries
Mit Unterstützung der EPEA GmbH als erfahrenem Ökobilanzierer wurde die EPD erstellt und erfolgreich beim IBU verifiziert. Die deklarierte Einheit der EPD basiert auf 1 m³ Ziegelsteinen. Als Durchschnitts-EPD repräsentieren die EPD-Daten verschiedene Produkte des Unternehmens.
1.3 Rücknahme und Kreislaufführung der eigenen Produkte bei der Lindner Group
Die Lindner Group bildet die Kreislaufführung ihrer Produkte in einer EPD für die eigene Doppelbodenplatte LOOP ab. Bei den Doppelbodenplatten LOOP prime bzw. LOOP aurum handelt es sich um aufbereitete Gipsfaserplatten, die ein wesentlicher Bestandteil des Doppelbodensystems LOOP sind.
Die deklarierte Einheit ist 1 m² aufbereitete Calciumsulfat-Doppelbodenplatte. Die Einheit bezieht sich auf ein repräsentatives Produkt. Die Wiederaufbereitung der Bodenplatten findet für alle Produkte der Palette, unabhängig vom Produktgewicht, in der gleichen Art im Werk Lindner statt.

Quelle: Lindner Group
Die Demontage der ursprünglichen Platte erfolgt mechanisch (Bilder 2 und 3). Das demontierte Produkt wird auf der Baustelle (ehemaliges C1 bzw. das Vordergrundsystemprodukt) auf wiederverwendbare Holzpaletten verpackt und per Lkw in die Lindner-Produktionsstätte gebracht. Dort angekommen, durchläuft die gebrauchte Platte die interne Qualitätssicherung. Doppelbodenplatten, die die technischen Anforderungen nicht erfüllen, werden aussortiert. Danach wird die Platte auf der Oberseite und an den Kanten abgefräst und neu bearbeitet. Anschließend werden bei der Doppelbodenplatte LOOP prime die Kanten mit einem fabrikneuen Kantenband aus Kunststoff versehen. Bei LOOP aurum wird komplett auf das Kantenband verzichtet.

Quelle: Walter Luttenberger
2 Reduktion der Umweltlasten im Vergleich zu Primärprodukten und Wirtschaftlichkeit
Die Re-Use-EPDs von DeFries und der Lindner Group verdeutlichen die Umweltvorteile von wiederverwendeten Bauprodukten. Obwohl detaillierte quantitative Vergleiche zu klassischen Primärprodukten über alle Indikatoren aktuell noch ausstehen, zeigen die Produkteinsparungen beim Global Warming Potential (GWP) und anderen Indikatoren vielversprechende Ansätze (Bilder 4 und 5). Die Vermeidung energieintensiver Herstellungsprozesse, wie im Beispiel von DeFries durch das Brennen von Ziegeln, und die reduzierte Nutzung von Primärressourcen sind zentrale Vorteile der Re-Use-Strategie.

Quelle: Institut Bauen und Umwelt e. V.
Ähnlich verhält es sich bei den LOOP Doppelboden-Produkten der Lindner Group. Erhebliche Einsparungen lassen sich z. B. in der Fertigung beim Trocknungsprozess der Platten erzielen. Durch die Verarbeitung von gebrauchten Platten ergibt sich in Verbindung mit einer Rücknahmegarantie eine CO2-Einsparung von ca. 70 % gegenüber dem gleichwertigen Neuprodukt.

Quelle: Lindner Group
Beide Unternehmen betonen zudem, dass sich der Re-Use-Ansatz auch wirtschaftlich rechnet.
Bei DeFries sind die Aufwendungen für die Aufarbeitung der alten Steine, die Beratungsleistung im Vertrieb und die technische Beratung überdurchschnittlich hoch. Neben der anspruchsvollen Rohstoffbeschaffung stellen die Rohstoffkosten eine stark schwankende Größe dar. Eventuelle Mehrkosten werden zurzeit von überzeugten Architekten und Investoren in Kauf genommen.
Jörg Lass, Vertriebsleiter von DeFries, schildert dazu: „Überall wo die Nachhaltigkeit und die tolle Optik im Vordergrund stehen, können wir punkten. Um Nachhaltigkeit im Bauwesen voranzubringen, setzen wir auf ein steigendes Bewusstsein im Umgang mit Re-Use-Verblendern. Förderprogramme, die ein CO2-reduziertes Bauen unterstützen, würden diesen Prozess unterstützen.“
Auch Ralph Peckmann, Geschäftsbereichsleiter Boden bei der Lindner Group, ist sowohl ökologisch als auch ökonomisch von dem neuen Geschäftsmodell der Rücknahme und Aufbereitung von gebrauchten Bodenplatten überzeugt. „Wir haben das Konzept aus allen Perspektiven geprüft: juristisch, ökobilanziell und auch wirtschaftlich. Unser Fazit: Es funktioniert und rechnet sich nicht nur für uns als Hersteller, sondern auch für Architekten und Bauherren, die in Bezug auf CO2-Einsparung und ESG-konformes Bauen nach effektiven Lösungen suchen. Zirkuläres Bauen ist für uns der richtige Weg, um die Transformation der Bauwirtschaft hin zur Klimaneutralität zu bewerkstelligen und Ressourcen und Energie effizient einzusetzen.“
3 Ausblick für Re-Use-Konzepte und EPDs
Das IBU beobachtet ein besonderes Interesse an den Re-Use-Rechenregeln, insbesondere von Herstellern aus dem mineralischen Bereich, da für diese Bauproduktgruppe die bewegten Massen am Bau und die damit einhergehenden Umweltauswirkungen besonders erheblich sind.
Als zweite Hauptzielgruppe sieht Anna Katharina Maute Innenausbauprodukte, für die sich das Konzept besonders anbietet, da sie oft als fertige Bauteile in das Gebäude integriert werden und entsprechend mit vergleichsweise wenig Aufwand wieder entnommen und aufbereitet werden können.
Auf den Erstellungsprozess der ersten Re-Use-EPDs der Lindner Group und DeFries blickt das IBU sehr zufrieden zurück, insbesondere aufgrund der reibungslosen Abläufe mit den Herstellern und eingebundenen Ökobilanzierern. Die Praxis zeigt, dass die Anwendung der Re-Use-Regeln nicht zu einem komplizierteren EPD-Prozess führt als bei üblichen EPDs.
Zudem sind bereits weitere EPDs nach Re-Use-Regeln in Erarbeitung oder ebenfalls auf dem Weg der Veröffentlichung. Darüber hinaus erhält das IBU kontinuierlich Anfragen, die perspektivisch zu weiteren „Re-Use-EPDs“ führen werden.
All das spricht dafür, dass die Re-Use-Regeln praktikabel und für die Industrie und Verifizierung gut anwendbar sind, um innovative Produkte und Prozesse zur Wiederverwendung und Ressourcenschonung im Bausektor mit glaubwürdigen und transparenten Daten im Markt zu fördern. Auch Datenanwender für zirkuläres Bauen wie Madaster zeigen großes Interesse an den EPDs für Re-Use-Produkte und an den Vergleichsdaten zwischen neuen versus wiederverwerteten Produkten.
Die EPDs der Re-Use-Produkte sind beim IBU veröffentlicht:
- als PDF auf der IBU-Website: https://ibu-epd.com/veroeffentlichte-epds
- sowie als maschinenlesbarer Datensatz in IBU.data.
Die Rechenregeln für Re-Use-Produkte werden auf Anfrage von der IBU-Geschäftsstelle zur Verfügung gestellt.
Literatur
- Institut Bauen und Umwelt e. V. (IBU) (2023) Kreislaufwirtschaft wird durch neue Ökobilanzregeln für Re-Use-Produkte greifbar gemacht[online]. Berlin: IBU, 19.12.2023. https://ibu-epd.com/kreislaufwirtschaft-wird-durch-neue-oekobilanzregeln-fuer-re-use-produkte-greifbar-gemacht [Zugriff am: 13. Mai 2025]
Autor:in
Anita Kietzmann, kietzmann@ibu-epd.com
Institut Bauen und Umwelt e. V., Berlin
www.ibu-epd.com/