Bau-Turbo? Wir brauchen einen Umbau-Turbo!

Der neue § 246e BauGB verspricht mehr Wohnungen in Rekordzeit. In Wahrheit könnte er vor allem Spekulation und renditeorientierte Projekte beschleunigen und unsere Städte langfristig belasten.
„Bau-Turbo“ klingt nach Fortschritt, nach einem rettenden Sprint aus der Wohnungskrise. Aber was, wenn wir in die falsche Richtung rennen? Der § 246e BauGB beschleunigt Verfahren, indem er soziale Standards, Beteiligungsrechte und Klimaziele zur Seite schiebt – ohne gleichzeitig sicherzustellen, dass auch bezahlbare Wohnungen entstehen. Das ist wie ein Rennwagen ohne Bremsen: schnell, aber unkontrolliert.
Für Kommunen bedeutet das Gesetz weniger Einfluss auf die eigene Stadtentwicklung. Wenn Bebauungspläne entfallen, entscheiden nicht mehr Strategien für lebendige, durchmischte Quartiere, sondern der Zufall oder der Markt. Das Resultat: Zersiedelung, höhere Infrastrukturkosten, fehlende Kitas, Schulen, Nahversorgung. Wir bauen im schlimmsten Fall die Leerstände von morgen.
Risiko: Spekulation und Fehlanreize beim Boden
Noch problematischer: Der Bau-Turbo treibt die Bodenpreise hoch, lange bevor gebaut wird. Wer spekuliert, freut sich: kaufen, liegen lassen, später teuer verkaufen. Ohne Baupflicht oder Sozialquote fließt das Geld in Luxuswohnungen. Wenn das Gesetz dann auch noch für Einfamilienhäuser gilt, wird wertvoller Boden weiter verknappt – zugunsten weniger.
Dabei geht es auch schneller, ohne Abstriche: Baulücken schließen, Gebäude aufstocken, leerstehende Hotels oder Büros umnutzen, große Wohnungen teilen. Alles mitten in bestehenden Infrastrukturen. Das spart Zeit, Geld und Natur. Standardisierte Sanierung, digitale Genehmigungen und klare Sozialquoten könnten den Prozess beschleunigen, ohne Klimaziele oder Qualität zu opfern.
Schnelle Lösungen liegen im Bestand
Am wirksamsten ist der Umbau: Er ist günstiger, klimafreundlicher und oft in Monaten machbar, während Neubau Jahre braucht. Und ja, Neubau wird nicht vermeidbar sein – aber nur dort, wo und für was er wirklich gebraucht wird, und dann klimaneutral und zukunftsfähig.
Ein Turbo für den Umbau
Was wir brauchen, ist kein „Bau-Turbo um jeden Preis“. Wir brauchen einen Umbau-Turbo: Vorrang für Innenentwicklung, verbindliche Quoten für bezahlbaren Wohnraum, konsequente Aktivierung von Leerstand, Sozialverpflichtung mitdenken – ergänzt durch ein Baugesetzbuch, das Umbau belohnt statt behindert. Architects for Future hat hierzu bereits im Juli 2021 konkrete Werkzeuge für eine Umbauordnung entwickelt und u. a. Abrissgenehmigung, Prüfungspflicht zur Umnutzung, Rückbaukonzepte, Abschaffung der Stellplatzverpflichtungen oder Wahrung des Bestandsschutzes bei Sanierungen vorgeschlagen.
Nur so schaffen wir Wohnungen, die schnell verfügbar und sowohl sozial als auch ökologisch gerecht sind – und auch in 80 oder 100 Jahren, bestenfalls mehr, noch Bestand haben. Geschwindigkeit, ja. Aber bitte in die richtige Richtung.
Der geplante „Bau-Turbo“ (§ 246e BauGB) soll Bauprojekte schneller möglich machen, indem viele bisherige Prüfungen, Beteiligungen und Bebauungspläne entfallen. Das bedeutet: Bauherren können leichter und schneller bauen – auch dort, wo Kommunen bisher genauer gesteuert haben. Kritiker:innen warnen, dass dadurch zwar mehr Genehmigungen erteilt werden, aber bezahlbarer Wohnraum, Klimaschutz und gute Stadtplanung auf der Strecke bleiben. So sollen z. B. Bauten automatisch erlaubt werden, wenn die Gemeinde nicht innerhalb von zwei Monaten widerspricht.
Architects for Future hat sich gemeinsam mit einem breiten Bündnis von Berufs-, Miet- und Umweltschutzverbänden, darunter die Bundesarchitektenkammer, die Deutsche Umwelthilfe und der Paritätische Gesamtverband, wiederholt an die Bundesregierung gewandt und vor den Fehlentwicklungen und Risiken des Bau-Turbos gewarnt. [1, 2] Am 10. September 2025 findet die öffentliche Anhörung zum Bau-Turbo im Bauausschuss des Deutschen Bundestages statt. Architects for Future ist als Fach-Expert:in für ein Statement eingeladen. Die gesamte Stellungnahme dazu ist auf der Homepage veröffentlicht. [3]
Literatur
- Architects for Future Deutschland e.V. (2025) Vorfahrt für guten Wohnraum statt „Bau-Turbo“ um jeden Preis [online]. Bremen: Architects for Future Deutschland e.V. https://www.architects4future.de/portfolio/publikationen/kein-bau-turbo-um-jeden-preis [Zugriff am 05.09.2025]
- Deutscher Mieterbund e.V. (2024) Nein zu diesem „Bau-Turbo“ § 246e BauGB – Ja zu sozialer und nachhaltiger Stadtentwicklung[online]. Berlin: Deutscher Mieterbund e.V. https://mieterbund.de/app/uploads/2024/10/20241008_Verbaende-Forderungspapier_Streichung__246e_final.pdf [Zugriff am 05.09.2025]
- Architects for Future Deutschland e.V. (2025) Bau-Turbo: A4F-Stellungnahme zur Anhörung im Bauausschuss [online]. Bremen: Architects for Future Deutschland e.V. https://www.architects4future.de/portfolio/publikationen/bau-turbo-stellungnahme-anhorung-bauausschuss [Zugriff am 05.09.2025]
Autor:in
Dipl.-Ing. Elisabeth Broermann, politik@architects4future.de
Architects for Future e. V./Gastprofessur TU Berlin
www.architects4future.de