Kreislaufwirtschaft ist kein Abfallprodukt

Die Abteilung im Bundesumweltministerium, die für Transformation, Digitalisierung, Circular Economy und Klimaanpassung zuständig war, ist Geschichte; die Aufgaben werden umverteilt. Was wie ein bürokratischer Vorgang klingt, ist in Wahrheit ein fatales politisches Signal. Denn mit der Struktur droht auch das Thema Kreislaufwirtschaft in den Hintergrund zu rücken. Und das ausgerechnet in einer Zeit, in der wir es dringender denn je brauchen.

Kreislaufwirtschaft ist kein nachgelagertes Entsorgungsproblem. Sie beginnt beim Bauwerksentwurf, bei der Auswahl von Materialien, bei der Konstruktion, bei der Art, wie wir bauen, produzieren und konsumieren. Wer sie nun organisatorisch wieder näher an die klassische Abfallwirtschaft rückt, verkennt ihren strategischen Wert – und degradiert sie zum Müllthema.

Während die Politik umorganisiert, ist die Praxis längst weiter: Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Verbände haben in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht. Digitale Zwillinge, Materialpässe, Rückbaukonzepte, Re-Use-Produkte – all das ist keine Zukunftsmusik, sondern Realität. Das IBU hat mit der Recycled Content Declaration (RCD) ein Instrument geschaffen, das den Anteil von Rezyklaten in Bauprodukten transparent macht. Erste Umweltproduktdeklarationen für wiederverwendete Bauteile sind da. Und auch die Wissenschaft beginnt endlich zu liefern: Sonderforschungsbereiche wie SFB 1683 oder Projekte zur Back-to-front-Planung und Circular Eternity zeigen, dass zirkuläres Denken auch in der klassischen akademischen Welt wirklich angekommen ist.

Wer heute ­zirkulär baut, baut Zukunft. Wer nicht, ­verbraucht sie.

Diese Dynamik lebt von klaren politischen Signalen. Und die kommen aktuell eher aus den Ländern. Baden-Württembergs Bauministerin Nicole Razavietwa hat nicht nur einen Leitfaden zur Wiederverwendung tragender Bauteile aus Holz oder Stahl veröffentlicht, sondern auch angekündigt, diesen auf Betonbauteile auszuweiten. In der nbau sagt sie klar: „Wir stärken zirkuläres Bauen.“ Auf Bundesebene gibt es hingegen erst einmal strukturelle Rückabwicklung. Die möglichen Folgen? Innovationsstau. Pilotprojekte bleiben Insellösungen. Investitionen stocken. Standardisierung verlangsamt sich. Und Forschende verlieren den Elan, der gerade erst in Schwung gekommen ist.

Dabei ist Kreislaufwirtschaft kein Nice-to-have; Kreislaufwirtschaft ist industriepolitisch notwendig. Wer heute keine zirkulären Geschäftsmodelle etabliert, verliert morgen zumindest im europäischen Wettbewerb. Gleichzeitig steigen die Risiken durch Rohstoffabhängigkeit und volatile Preise. Kreislaufwirtschaft ist damit auch ein sicherheitspolitisches Thema. Wer Kreislaufwirtschaft schwächt, gefährdet nicht nur Klimaziele, sondern auch unsere wirtschaftliche Resilienz.

Materialien sind zu wertvoll, um sie nach einmaligem Gebrauch zu verlieren. Digitale Register machen Ressourcen sichtbar und planbar. Gebäude werden zu Rohstofflagern. Das ist keine Vision – das ist Realität.

Politik kann diesen Wandel unterstützen oder bremsen. Entscheidend ist: Die Umsetzung liegt bei Unternehmen und Kommunen, bei privaten wie öffentlichen Bauherren, bei Planenden und der Bauwirtschaft. Sie treiben die Transformation – mit Rückenwind aus Berlin geht es jedoch noch besser. Kreislaufwirtschaft muss konsequent gedacht, in Projekten realisiert und mit digitalen Lösungen transparent gemacht werden. Dafür braucht es vielleicht keine eigene Abteilung im Umweltministerium – aber mindestens eine klare Haltung, die deutlich macht: Wer heute zirkulär baut, baut Zukunft. Wer nicht, verbraucht sie.

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