Tiefgründiges ­Bauprojekt

Das trojanische Pferd von Fehmarn

Es war einmal ein Geschenk aus dem Norden. Die Dänen brachten es vor die Tore Deutschlands und priesen es als ein großartiges Bahnprojekt für eine nachhaltige Verkehrswende. „Seht her“, riefen sie, „wir schenken euch eine feste Querung über den Fehmarnbelt für den Schienenverkehr!“ Und wie einst die Trojaner öffneten auch wir Deutschen nach anfänglicher Skepsis bereitwillig unsere Pforten für dieses vermeintliche Geschenk (Bild 1).

Doch was geschah, als das hölzerne Pferd erst einmal in der Stadt stand? Es entpuppte sich als 18 km langer Absenktunnel aus Beton und Stahl. Aber das ist noch nicht alles! Denn im Bauch, also in der Röhre, versteckten sich nicht etwa nachhaltige Bahnverbindungen, sondern vier Fahrspuren einer neuen Autobahn und nur magere zwei Gleise daneben (Bild 2).

In meinem Podcast Tiefgründig sprach ich mit Malte Siegert, dem Vorsitzenden des NABU Hamburg, über diese moderne Variation der antiken Kriegslist. Seine Analyse ist erhellend: „Man muss wissen, dass die Durchleitungsgebühren für die Deutsche Bahn so niedrig sind, dass das für den Vorhabenträger ökonomisch gar nicht interessant ist. Seine Kredite muss er über den Straßen­güterverkehr bedienen, das ist die Cash Cow dieser Strecke.“

Und die Strategie scheint aufzugehen. Während die Europäische Union eigentlich das Ziel from road to rail propagiert, fördert sie hier aktiv das Gegenteil und verdrängt dabei offenbar, welches Zerstörungspotenzial das trojanische Pferd der festen Fehmarnbeltquerung birgt. Das Projekt führt mitten durch ein Naturschutzgebiet, Lebensraum des gefährdeten Schweinswals, und beeinträchtigt voraussichtlich das gesamte Ökosystem über Jahre. Dabei rechtfertigen die prognostizierten 12 000 Fahrzeuge täglich nicht einmal eine Umgehungsstraße.

So viel zu den ökologischen Auswirkungen. Und was ist mit den versprochenen Kosten? Wie bei fast allen großen deutschen Infrastrukturprojekten explodieren auch hier die Ausgaben. Während Deutschland ursprünglich nur die Hinterlandanbindung, geplant für 817 Millionen Euro, finanzieren sollte, prognostizierte der Bundesrechnungshof bereits 2019 Kosten von mindestens 5 Milliarden Euro und ein Kosten-Nutzen-Verhältnis deutlich unter 1,0. [1]

Das Fehmarnbelt-Projekt lehrt uns eine wichtige Lektion: Manchmal ist das Geschenk zu schön, um wahr zu sein, und wenn man es nicht gebrauchen kann, dann darf man es auch freundlich ablehnen. Was als nachhaltiges Bahnprojekt angepriesen wurde, entpuppt sich als rückwärtsgewandte Straßeninfrastruktur, die weder ökonomisch noch ökologisch zu rechtfertigen ist. Darüber hinaus beeinträchtigt sie die Lebensgrundlage vieler Bewohner der Insel Fehmarn, nämlich den Tourismus, auf Jahre hinaus und ist somit auch aus sozialer Sicht kritisch zu betrachten.

Da sich das Projekt bereits im Bau befindet, bleibt uns nur, aus diesem Desaster zu lernen, und das ist ein Privileg, denn den Trojanern war das bekanntlich nicht mehr möglich. Außerdem können wir endlich ehrliche Kostenkalkulation fordern, frühzeitige Bürgerbeteiligung durchsetzen und nachhaltigere Alternativen für Projektentwürfe ernsthaft prüfen.

Meine Anfrage an Femern A/S, die Projektgesellschaft hinter diesem Vorhaben, blieb leider unbeantwortet. Keine Antwort, kein Interesse an einem Dialog. Schade, denn mir liegt sehr daran, vielfältige Perspektiven auf Infrastrukturprojekte aufzuzeigen.

Die ganze Geschichte des trojanischen Tunnels und Malte Siegerts fundierte Kritik hören Sie in Folge 14 meines Podcasts Tiefgründig. Dort diskutieren wir detailliert, warum wir bei der Infrastrukturplanung in Deutschland endlich umdenken müssen.


Literatur

  1. Bundesrechnungshof (2025) Vorplanung zur Schienenhinterlandanbindung der Festen Fehmarnbeltquerung[online]. Bonn: Bundesrechnungshof, 19.10.2019.https://www.bundesrechnungshof.de/SharedDocs/Downloads/DE/Berichte/2019/feste-fehmarnbeltquerung-volltext.html

Autor:in

Isabelle Armani, podcast@tiefgruendig.com
Podcasterin, Brandenburg an der Havel
www.tiefgruendig.com

Jobs

ähnliche Beiträge

Ökologie ist Motor der Ökonomie

Die DBU ehrt Klimaforscherin Sonia I. Seneviratne und das Unternehmen ZINQ für wegweisende Beiträge zu Klima- und Ressourcenschutz.

Automatisierte Fertigung Holz-Lehm-Decken

Hybride Holz-Lehm-Elemente kombinieren robotische Präzision mit Materialeffizienz und ermöglichen skalierbares, regeneratives Bauen.

Launch von CO2-Zertifikaten für biogene Gebäude

Openly, ein Pionier für biogene Bausysteme und C-Senken in Gebäuden, launcht erstmals CO2-Zertifikate für biogene Gebäude.