Erfahrungsbericht des dena Energiesprong-Teams
Die deutsche Wohnungswirtschaft steht vor einer doppelten Herausforderung: Ein Großteil des Gebäudebestands ist sanierungsbedürftig, parallel dazu klafft eine Lücke von 700.000 Wohnungen. Doch fehlende Fachkräfte, hohe Baukosten und steigende Zinsen bremsen die energetische Modernisierung und den Neubau aus. Ein nachhaltiger Lösungsbaustein zur Schaffung von klimaneutralem Wohnraum ist das serielle Sanieren (Bild 1).
1 Serielles Sanieren nach dem Energiesprong-Prinzip
Das Grundprinzip ist einfach: Durch einen digitalisierten, neu gedachten Bauprozess, vorgefertigte Elemente für Fassade, PV-Dach und Energiemodule, ein innovatives Finanzierungsmodell und starke Nutzerorientierung werden Gebäude innerhalb weniger Wochen hocheffizient saniert. Idealerweise erreichen sie einen klimaneutralen oder sogar klimapositiven Standard. Beim klimaneutralen NetZero-Standard erzeugen die Gebäude im Jahresmittel so viel erneuerbare Energie, wie für Heizung, Warmwasser und Strom benötigt wird. Das minimiert die Energiekosten.
Gleichzeitig bietet dieses Prinzip auch Kostensenkungspotenzial, das über Prozess- und Produktoptimierung sowie Skaleneffekte gehoben werden kann. So sollen die Sanierungskosten perspektivisch so weit sinken, dass sie zu einem großen Teil aus eingesparten Energie- und Instandhaltungskosten refinanziert werden, um Klimaschutz und bezahlbares Wohnen zu vereinen. Derzeit ist hierfür noch eine unterstützende Förderung notwendig, um die innovationstypischen hohen Anfangskosten abzufedern.
Der Begriff Energiesprong ist niederländisch und bedeutet Energiesprung. Neben dem Energiesprong-Prinzip, das 2013 in den Niederlanden entwickelt und seitdem tausendfach umgesetzt wurde, gibt es die Energiesprong-Initiative, die die Marktentwicklung dieser neuen Sanierungslösung in mehreren Ländern vorantreibt.
1.1 Seriell schneller aus dem Sanierungsstau
Rund drei Viertel des 19 Mio. Gebäude umfassenden Wohnungsbestands in Deutschland sind entweder gar nicht oder nur unzureichend gedämmt, werden mit Gas oder Öl beheizt und verbrauchen bis zu fünfmal mehr Energie, als heutzutage technisch möglich ist. Um die Klimaziele zu erreichen, müssen in den nächsten 21 Jahren rein rechnerisch rd. 1800 Wohngebäude pro Tag energetisch modernisiert werden. Mit herkömmlichen Verfahren ist diese Mammutaufgabe nicht zu schaffen. Gefragt sind innovative Lösungen, die die energetische Modernisierung im Bestand auf breiter Ebene beschleunigen. Statt kleinteiliger Einzelleistungen unterschiedlicher Gewerke kombiniert serielles Sanieren digitale Planung mit industrieller Vorfertigung und standardisierten Prozessen. Große Bestände lassen sich so mit weniger Fachkräften in kürzerer Zeit auf den klimaneutralen NetZero-Standard bringen. Nach Portfolioanalysen der dena sind rd. 30 % aller Mehrfamilienhäuser im Bestand prinzipiell für eine serielle Sanierung geeignet.