Kennt der Holzbau Grenzen des Wachstums?

Den Anforderungen der Zukunft gerecht werden

Philipp Dietsch

Der Titel des Essays bezieht sich selbstredend auf den gleichnamigen Bericht des Club of Rome [1], herausgegeben vor über 50 Jahren. Seitdem hat sich die Zahl der Menschen auf der Erde verdoppelt. Dies führt dazu, dass der weltweite CO 2 -Verbrauch trotz aller Bemühungen weiterhin steigt. Zunehmender Wohlstand und zunehmender CO 2 -Verbrauch sind bislang unmittelbar aneinandergekoppelt. Ob eine Entkopplung gelingen kann – weiteres Wachstum bei gleichzeitig sinkenden Umweltschäden –, gilt es in den kommenden Jahren zu beweisen. Die Europäische Union und die USA setzen dabei auf grünes Wachstum. In den Green Deals wird der Holzbau zum Hoffnungsträger: Der Holzbau soll wachsen. Das ist eine große Chance für die Holzbau-Community. Doch können wir den damit einhergehenden Anforderungen gerecht werden? Oder gibt es Einflüsse, die dem Holzbau Grenzen seines Wachstums setzen können? Und wenn ja: Wie können wir diesen Herausforderungen begegnen? Im Folgenden soll der Versuch unternommen werden, ein paar Gedanken und mögliche Lösungsansätze zu formulieren, welche im Zusammenhang mit diesen Fragen stehen.

1 Verfügbarkeit

Als Folge des Klimawandels verändert sich unser Wald. Dies belegen nicht nur die Klimahüllen für unsere häufigsten Baumarten, deren Übereinstimmung mit den Klimahüllen des zukünftigen Klimas in Deutschland stark abnimmt [2]. (Anm.: Klimahüllen beschreiben das Klima, innerhalb dessen sich eine Baumart verbreitet.) Und selbst wenn unsere Wälder anpassungsfähig sind: Unsere meistverwendeten Nadelhölzer stehen unter Druck. Durch den zunehmenden Anteil an Kalamitäten steigt zwar kurzfristig das Holzangebot auf dem Markt [3]. Der wissenschaftliche Beirat für Waldpolitik der deutschen Bundesregierung gibt an, dass dadurch in den nächsten 15–20 Jahren ausreichend Nadelholz für eine vermehrte Verwendung im Bauwesen bereitgestellt werden kann. Mittelfristig (Zeithorizont bis 2050) wird Nadelholz in den für Sägewerke notwendigen Dimensionen jedoch knapp werden [4]. Auch die Anpflanzung der heute meistverwendeten Holzarten im Holzbau geht stark zurück. Der Anteil der Laubbäume in unseren Wäldern nimmt hingegen zu. Laubholz macht derzeit jedoch nur ca. 20 % des jährlichen Holzeinschlags in Deutschland aus [3]. Ein großer Teil davon kommt nicht in der Schnittholzerzeugung an: Rund die Hälfte des Laubholzes wird exportiert [5].

Der Waldumbau muss noch stärker im konstruktiven Holzbau ankommen

Da viele Entwicklungen im Bauwesen, von der ersten Idee über die Umsetzung bis zur breiten Akzeptanz in der Baupraxis, meist zehn Jahre oder mehr brauchen, müssen wir schon jetzt Entwicklungen anschieben, um Laubholz vermehrt im Holzbau einzusetzen. In anderen Worten: Der Waldumbau muss noch stärker im konstruktiven Holzbau ankommen, um uns von individuellen Preisentwicklungen und dem zunehmenden Risiko der Notwendigkeit von Importen zu entkoppeln. Auch wenn die Holzpreise in letzter Zeit wieder deutlich gesunken sind, bin ich der Ansicht, dass der Rückgang der im Holzbau meistverwendeten Ressource in Verbindung mit der steigenden Nachfrage nach Nadelholz die Holzpreise mittelfristig ansteigen lassen wird. Auch Energie, die zur Herstellung und zum Transport von Baumaterialien benötigt wird, ist mittlerweile zum Unsicherheitsfaktor und potenziellen Preistreiber geworden. Holz, als natürlich vorkommender und lokal nachwachsender Rohstoff, ist hiervon nicht so stark betroffen wie andere Baustoffe, doch ganz von dieser Entwicklung befreit ist der Holzbau nicht.

Vor diesem Hintergrund wird Ressourceneffizienz auch ökonomisch wieder Sinn machen. Bauweisen, die noch vor Kurzem als zu arbeitsintensiv galten, werden womöglich eine Renaissance erfahren. Ein Beispiel sind aufgelöste Tragsysteme, ein anderes die weitere Hybridisierung von Brettschichtholz und Brettsperrholz. Entwicklungen hierzu haben bereits begonnen, wie z. B. Brettschichtholz aus Nadelholz und Laubholz bzw. Stäbchenlamellen, Brettsperrholz mit Ausschussware oder Altholz in den Innenlagen bzw. auf Lücke gelegten Lamellen (Bild 1). Die Industrialisierung der mass timber construction hat die Ingenieurkunst ein wenig in den Hintergrund treten lassen. Diese Fähigkeiten sind in der Holzbaubranche jedoch weiterhin vorhanden. In Verbindung mit den Möglichkeiten der Robotik ergeben sich neue Chancen, materialeffizientere Bauteile und Tragwerke zu entwickeln und umzusetzen.

Bild 1 Abbildung Ansätze zur Erhöhung der Ressourceneffizienz und Diversifizierung der Holzarten in Massivholzprodukten
Bild 1 Ansätze zur Erhöhung der Ressourceneffizienz und Diversifizierung der Holzarten in Massivholzprodukten
Illustration: Philipp Dietsch

2 Entsorgung

Die Entsorgung von Bauabfällen wird zum Kostenfaktor. In den letzten acht bis zehn Jahren hat sich der Preis für die Entsorgung von Bauschutt um 350 % erhöht [6]. Das bedeutet: Die Wiederverwendung von Bauteilen oder zumindest die Trennung von Bauteilen in sortenreine, wiederverwertbare Fraktionen wird auch wirtschaftlich relevant werden. Trotzdem wird meiner Ansicht nach das Bauen auch zukünftig hybrid bleiben, Verbundbauteile machen in vielerlei Hinsicht, z. B. statisch und bauphysikalisch, Sinn. Die Prämisse sollte allerdings sein, dass Verbundbauteile am Ende ihrer Lebensdauer entweder als Ganzes wiederverwendet oder in ihre einzelnen Elemente getrennt werden können. Dies ergibt interessante Aufgaben im Bereich der Verbindungsmittelentwicklung: Lösbare Verbindungen – sowohl zwischen Holzbauteilen als auch in Verbundbauteilen – werden zum Goldstandard werden. Eine effiziente Demontage hängt direkt von der Anzahl der zu lösenden Verbindungsmittel ab. Das Ziel könnte also lauten: weniger, aber dafür größere Verbindungsmittel, lösbar durch Aktivierung und Deaktivierung eines Formschlusses. Dem Trend zu zunehmend aufgelösten Wand- und Deckensystemen könnte mit Verbindungsmitteln begegnet werden, die in oberflächennahen Bereichen wirksam sind. Potenzial im Hinblick auf die Lösbarkeit bietet auch die verbundlose Vorspannung von Bauteilen, etwa aussteifenden Treppenhauskernen. Sie erlaubt die Reduzierung anderer Verbindungen, etwa Zuganker, und ist am Ende der Nutzungsdauer wieder lösbar, die vorgespannten Holzbauteile lassen sich sortenrein rückbauen und erneut einsetzen (Bild 2) [7].

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