Ab und zu gibt es sie. Diese Momente, in denen man sich überfordert und überwältigt von all den schlechten Nachrichten und den Polykrisen in dieser Welt fühlt. In denen man sich einfach mit einem heißen Kakao und einer Decke aufs Sofa mümmeln möchte, mit einem guten Buch und ohne Bezug zur Außenwelt. In denen man das Handy und den Laptop ganz außer Reichweite legen will, vielleicht sogar das Internet ausstellen möchte.
Auch ich kenne diese Momente. Vor allem, wenn man sich für eine ökologisch und sozial verträgliche Transformation der Gesellschaft einsetzt, kann die Welt da draußen manchmal belastend sein. Immer wieder gibt es Rückschläge: Die fossile Machtlobby agiert weiterhin stark, Fördergelder für das nachhaltige Bauen werden gestrichen, Ausbauziele für den sozialen Wohnungsbau werden gerissen, Subventionen an den falschen Stellen bewilligt.
Falls ihr auch solche Phasen habt, möchte ich an dieser Stelle gerne meine Lösungsansätze mit euch teilen, die mir dabei helfen, optimistisch und hoffnungsvoll am Ball zu bleiben und mich weiter für eine so dringend notwendige Bau- und Energiewende einzusetzen.
Kommunikation als Fundament einer nachhaltigen Gesellschaft
In vielen Situationen ist es besser, nicht allein zu sein. Beim Hausbau, beim Pflanzen eines Baums oder beim Installieren von Solarmodulen auf dem Dach – so manches gelingt einfach besser, wenn man es gemeinsam tut. Auch beim nachhaltigen Bauen profitieren wir vom Austausch, von geteiltem Wissen und gemeinsamer Verantwortung. Nachhaltigkeitskommunikation wird so zu dem Fundament, auf dem nicht nur Wände, sondern auch eine Bauwende-Gemeinschaft wächst.
Kommunikation ist die Grundlage sozialen Zusammenlebens. Ohne Kommunikation entstehen Missverständnisse. Ohne Kommunikation provozieren wir Stillstand. (Gute) Kommunikation ermöglicht Verständigung, Zusammenarbeit und den Austausch von Ideen und Erfahrungen. Nur durch offene Gespräche und gemeinsamen Wissensaustausch können wir kollektive Ziele definieren und aus ihnen nachhaltige Lösungen entwickeln.
Wir alle wissen, dass ein „weitermachen wie bisher“ nicht mehr funktionieren kann. Weder in der Baubranche noch in anderen emissionstreibenden Sektoren wie Mobilität und Energieerzeugung. Die unmissverständlichen Zahlen zu unserer Emissions-Verantwortung kennen wir alle bereits auswendig. Und dennoch ändern sie sich nicht, sie stagnieren in einer nicht akzeptablen Größenordnung.
Aktiv statt passiv – vom Weltschmerz ins Bewusstsein
Im Gegensatz zu sehr theoretischen Prozentangaben von Müllaufkommen und globalen Treibhausgasemissionen sind die Auswirkungen der Klimakrise in unserem Alltag durchaus klar wahrnehmbar. Wenn ich bei Spaziergängen durch den Harz zerstörte Fichtenwälder sehe. Wenn ich 40 km um ein tiefes, unnatürliches Loch fahren kann, aus dem Maschinen Braunkohle fördern. Oder wenn ich nach Ausflügen durch deutsche Landschaften kaum noch Insekten an der Windschutzscheibe entdecke.
Spätestens dann kann ich meine Augen nicht mehr vor den Folgen unseres Handelns und unserer Verantwortung für die Klimakrise verschließen. Und spätestens dann ist es an der Zeit zu verstehen, dass man selbst einen Hebel hat, den man nutzen kann und nutzen muss. Gerade als Planende und Akteur:innen in der Bau- und Immobilienbranche ist das CO2-Einsparpotential bei großen Projekten laut Studien bis zu 200 Mal höher als bei Veränderung unserer persönlichen Lebensweise.
Aber auch wenn man erkannt hat, dass die Verantwortung groß und der eigene Hebel noch größer ist, fällt der Einstieg meist schwer. Dabei kann der Austausch mit Gleichgesinnten und Branchenkolleg:innen eine erste niederschwellige Stufe sein, in diese Themen einzusteigen. Das Kommunizieren und Konsumieren von positiven Entwicklungen, Lösungsansätzen und best practices hilft uns dabei, gemeinsam an einer lebenswerten Zukunft zu planen und zu bauen, die nicht zulasten nachfolgender Generationen oder unserer Natur geht.
Look what we’ve done!
Nachrichtenmüdigkeit ist keine persönliche Schwäche, sondern ein verständlicher Selbstschutz. Aber die Flut an Beiträgen und Nachrichten haben auch einen Vorteil. In unseren schnelllebigen und digitalen Zeiten ist es möglich, sich zu (fast) allen Themen zu informieren, die gerade relevant sind. Genauso ist es möglich, positive Nachrichten zu filtern. Konstruktive Medien und Social Media Kanäle, die ausschließlich hoffnungsvolle und zukunftsbejahende Berichte und gute Beispiele verbreiten, können in den Momenten der Kraftlosigkeit eine Hilfe sein.
Solche optimistischen Beiträge rufen uns in Erinnerung, wie viel wir schon bewirkt haben. Wie es unsere Gesellschaft schon geschafft hat, den Klimawandel ins Bewusstsein und Nachhaltigkeit in die Wirtschaft zu implementieren. Diese Form der Nachhaltigkeitskommunikation erlaubt es mir, Nachrichten positiv zu konsumieren. Da stimmt es mich hoffnungsvoll, dass zirkuläre Bauweisen sich mittlerweile herumgesprochen haben. Es macht mich froh, dass Städte sich bewusst dazu entscheiden, Flächen im großen Maßstab zu entsiegeln. Und begeistert bin ich, wenn eingeengte Kanäle wieder ihre ursprünglich mäandernden Läufe zurückbekommen, an denen die Biodiversität wieder Lebensraum zurückgewinnt.
Natürlich bin ich mir im Klaren darüber, dass auch die schlechten Nachrichten zum Alltag dazu gehören. Jedoch kann es helfen, sich der positiven Berichterstattung zuzuwenden und sich dieser auch bewusst zu werden. Zu erkennen, dass da eine Community ist, die hoffnungsvoll an einer lebenswerten Zukunft arbeitet, Wissen zugänglich macht und darüber spricht, kann ein echter Gamechanger sein.
Warum ist es wichtig, miteinander über Nachhaltigkeit zu sprechen?
Nicht nur konsumieren, sondern auch kommunizieren ist das Ziel. Es ist an der Zeit, dass wir über Lösungen sprechen, wie wir die Zerstörung unserer Umwelt und den stetigen Ausstoß von Treibhausgasen verringern können. Dass wir gemeinsam konstruktiv über Möglichkeiten einer sozialen Energiewende und einer ökologisch verkraftbaren Bauwende diskutieren. Durch diesen Austausch wird eine Umsetzung wahrscheinlicher und es entsteht ein Netzwerk an Gleichgesinnten mit echter Verbundenheit.
Vor allem digitale Communities erhalten ihr Momentum aus dem gemeinsamen und regelmäßigen Austausch. In Foren, sozialen Netzwerken oder Messenger-Gruppen werden nicht nur reine Fakten gepostet und News verbreitet, es wird auch zu ihnen diskutiert und sich zu Reaktionen und Gefühlen ausgetauscht. Wie bei einer Diskussion im ‚echten Leben‘ ist es viel gehaltvoller, wenn nicht einer einen Monolog hält, sondern wenn viele sich am Geschehen beteiligen.
Ich nutze diese Netzwerke und Communities überaus gerne. Durch Social Media habe ich schon viele positive Momente erleben dürfen: Ich lerne viele Gleichgesinnte kennen, profitiere vom Wissensaustausch mit Expert:innen, ich kann mich selber als solche positionieren und meine Reichweite nutzen. Indessen hilft mir dieses Interagieren mit Kolleg:innen auch dabei, meinen Weltschmerz zu lindern und meine bad-news-Müdigkeit zu überwinden.
Soziale Gemeinschaften fördern erwiesenermaßen die eigene Identitätsbildung und können dabei helfen, ein Gefühl von Sicherheit und Rückhalt zu entwickeln. Wenn wir uns auf solche (digitalen) Netzwerke und den Austausch untereinander einlassen, merken wir sehr schnell: Wir sind mit unseren Themen nicht alleine. Und um es mit den Worten des Verbands zu sagen: wir sind dran.
Nachhaltigkeitskommunikation als Multiplikator
Je sichtbarer wir mit unseren positiven Nachrichten und unseren konstruktiven Lösungsansätzen im Netz sind, desto relevanter werden diese Beiträge und desto mehr werden sie ausgespielt – vor allem in den sozialen Medien. Das nimmt den schlechten Nachrichten und den Trollen die Reichweite und den Platz, sich zu entfalten. Wenn unsere Gemeinschaft stark und positiv agiert, kann dies Auswirkungen auf die Gesamtstimmung im Netz haben. Noch einen Schritt weitergedacht ist es bei solchen Themen mit hoher medialer Repräsentanz auch wahrscheinlicher, dass sie in die politischen Diskussionen aufgenommen zu werden.
Nachhaltigkeitskommunikation kann daher einen Mehrwert für unser Wirken schaffen und ein echter Gamechanger sein. Wenn wir Akteur:innen uns austauschen und uns gegenseitig mit wirksamem Wissen ausstatten, hat dies eine empowernde Wirkung auf meine Community und in der Konsequenz daraus auch auf meine Umwelt und die Gesellschaft. Wenn wir es schaffen, mit unseren Themen sichtbar zu werden, können wir gemeinsam Gutes tun. Wir können uns gegenseitig inspirieren und motivieren und eine Bewegung erschaffen.
Habt Mut (zur Lücke)!
Entsprechend den vorherigen Argumenten und Ausführungen hat der Austausch in digitalen Communities mehrere Vorteile:
- Wir können unser Wissen teilen und kollaborativ an Lösungen arbeiten. Wir konkurrieren nicht mehr, wir kooperieren jetzt. Denn wir alle wollen, dass die Bauwende gelingt.
- Wir können unsere Themen sichtbar machen. Habt ihr eine gute Idee für das Modulare Nachverdichten von Städten? Oder entdeckt, dass in eurer Stadt ein ungenutztes Areal abgerissen und die graue Energie somit verschwendet werden soll?
- Wir können uns über Fehler und Grenzen austauschen. Nicht nur best practices gehören in die Community, auch die sogenannten „fuck-ups“. Denn nur so können wir vermeiden, dass andere die Fehler wiederholen.
- Wir können eigene Netzwerke bilden und Allianzen schmieden. Wenn ihr spezielle Themen verfolgt, kann es Sinn machen, sich mit Gleichgesinnten eigene Spaces zu bauen, in denen man sich dezidierter und informeller austauschen kann.
- Wir können uns gegenseitig empowern und unser Durchhaltevermögen stärken. (Digitale) Communities können motivieren und uns aktiv werden lassen.
Ich habe festgestellt, dass es nicht entscheidend ist, ob meine Beiträge auf den Plattformen oder in den Communities perfekt formuliert und zu 100 % ausrecherchiert sind. Worauf es ankommt, ist Authentizität und Ehrlichkeit. Mein Antrieb, Dinge zu verstehen und sie verbessern zu wollen, ermöglicht mir den ehrlichen Dialog mit Freund:innen und Kolleg:innen. Aber auch mit Konkurrent:innen kann man ins konstruktive Gespräch kommen. Und das ist das Schöne: So etwas wie Wettbewerb darf es im Sinne einer gelingenden Bauwende nicht mehr geben. Wir alle sind Mitstreiter:innen, die gemeinsam auf ein Ziel einzahlen – nämlich eine klimaneutrale, lebenswerte und sozial gerechte Zukunft.
In diesem Sinne: Werdet sichtbar, tauscht euch aus, bildet euch eine eigene Meinung und kommt ins kollektive Handeln! Wir alle wollen etwas bewegen, sinnvolle Projekte verfolgen. Lasst uns dazu in den Austausch gehen und das Schwarmwissen nutzen. Die Gemeinschaft stärken und nachhaltige Entscheidungen für unsere Bau- und Planungsprozesse treffen. Darüber lässt sich dann auch ganz einfach und positiv kommunizieren.
Autor:in
Nele Otto
Architektin & Prokuristin
Impulsgeberin in der wir sind dran : akademie für Nachhaltigkeitsmanagement im Bauwesen
verband@wirsinddran.jetzt
www.wirsinddran.jetzt/verband
