Zwischen Instagram und Bau-Realität: Bauchpolitik ist kein nachhaltiges ­Fundament

Die Bauministerin ist eine der besten der Bundesregierung in Sachen Kommunikation. Sie versteht offensichtlich das Handwerk der Inszenierung. Das tut der oft etwas unterschätzten Bauwelt sicher gut. Auf Instagram zeigt sich Bauministerin Verena Hubertz nahbar, kämpferisch und optimistisch: „Die Bagger müssen wieder rollen und wir müssen bauen, bauen, bauen.“ Oder Wohnen sei „die soziale Frage unserer Zeit“ – ein Satz, der viele Likes garantiert. Und ja, die Botschaft klingt richtig. Aber reicht das?

Die Realität ist vielleicht komplizierter. Mit dem Bau-Turbowill das Bauministerium Genehmigungsverfahren radikal verkürzen. Drei Monate statt fünf Jahre für Bebauungspläne – das klingt nach Aufbruch. Doch die Kritik ist massiv: Die Deutsche Umwelthilfe, die Bundesarchitektenkammer und Architects for Future warnen – zu Recht – vor einerBrechstange im Baurecht, die soziale und ökologische Standards gefährdet. Auch die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen mahnt, dass Tempo nicht Qualität verdrängen darf. Architektur ist kein Wettbewerb der Minuten, sondern die geduldige Kunst, nachhaltig Räume für Menschen zu schaffen. Und hier sind wohlüberlegte Abstimmung und Einbindung durchaus wichtige demokratische Aspekte. Reform und mehr Geschwindigkeit der Baugenehmigungsplanung? Ja, unbedingt! Aber muss das Kind gleich mit dem Bade ausgeschüttet werden?

Langfristige Lösungen, die bezahlbaren und umweltfreundlichen Wohnraum schaffen, ohne die Zukunft zuverbauen

Hier liegt vielleicht der Knackpunkt: Die Bauministerin vermittelt auf Social Media den Eindruck, alles sei unter Kontrolle. Gleichzeitig wartet die Fachwelt diesseits von Trier auf Einbindung, stehen die Verbände mit Expertise und Erfahrung bereit. Aktuell haben wir eher eine Baupolitik aus dem Bauch – populär und mit fachlichem Potenzial. Mehr echter Dialog neben der, zugegeben, guten Kommunikation wäre schön.

Wahrscheinlich braucht Deutschland mehr Wohnraum. Daniel Fuhrhop erläutert, warum selbst das nicht zwangsläufig so ist. Aber schneller bauen heißt nicht automatisch besser bauen. Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Baukultur dürfen nicht unter die Räder kommen. Das Gebäudeenergiegesetz zeigt, wie komplex die Balance ist: Klimafreundliche Standards sind unverzichtbar, doch sie müssen praktikabel bleiben. Wer hier nur auf Geschwindigkeit setzt, riskiert Fehlplanungen und letztlich Wert- und Vertrauensverlust.

Die Bauministerinsagt: „Daran können Sie mich messen.“ Angenommen. Messen nicht an Likes, sondern an nachhaltiger Bau- und Lebensqualität. Nicht an Schlagworten wie Tempo, Technologie, Toleranz, sondern an langfristigen Lösungen, die bezahlbaren und umweltfreundlichen Wohnraum schaffen, ohne die Zukunft zu verbauen.

Wir brauchen keine Baupolitik für den Algorithmus. Wir brauchen eine nicht notwendigerweise ­populäre, fachlich fundierte, nachhaltige Baupolitik für Menschen – und über den Tag hinaus für Generationen.

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