Planen der Zukunft praktisch lehren

Das Seminar „Sustainable Learning“ vermittelt Studierenden nachhaltiges Bauen praxisnah

Das Institut für Baukonstruktion schafft mit dem neuen Seminar Sustainable Learning die Möglichkeit für Studierende, insbesondere für Frauen, das Planen und Bauen praktisch zu erleben. Mit innovativen, problembasierten Aufgaben aus der Baupraxis und unterstützt durch studentische Mentor:innen werden typische Konstruktionen auf der Baustelle analysiert, nachhaltig umgeplant und in selbstgebauten Modellen (Bild 1) umgesetzt. Das Seminar dient als Basis zur Erprobung neuer Lehransätze im Bauingenieurwesen, um die Abbruchquoten im MINT-Bereich zu reduzieren und dem Fachkräftemangel im Bauingenieurwesen entgegenzuwirken.

1 Herausforderung: Studium Bauingenieurwesen

1.1 Umfragen zeigen Belastungsfaktoren im Studium

Befragungen von Studierenden des 2. und 4. Semesters an der Technischen Universität Dresden zeigen deutlich, dass besonders zu Beginn des Studiums Bauingenieurwesen die Gedanken an einen Abbruch des Studiums präsent sind. Über ein Viertel der Studierenden denkt an einen Studienabbruch, wobei häufig ein Fach- oder Hochschulwechsel in Betracht gezogen wird.

Auswertungen der Fakultätsstatistiken zeigen zusätzlich, dass weniger als die Hälfte der ursprünglich eingeschriebenen Studierenden den Abschluss erreicht [1].

Die grundsätzliche Entscheidung für ein Studium steht dabei nicht im Vordergrund, vielmehr führen spezifische Faktoren im Studienverlauf zu Unzufriedenheit und Überforderung, wie die durchgeführte Umfrage zeigt. Aus den 25 potenziellen Belastungsfaktoren im Studium und Studienalltag in den Bereichen Organisation, Lehrinhalt, Privatleben und Prüfungen fehlt den Studierenden besonders der Praxisbezug. Über 60 % der Studierenden vermissen diesen Aspekt im Studium und schärfen individuell im Rahmen von Exkursionen oder aus eigeninitiativ organisierten Praktika nach. So ist es curricular möglich, dass Absolvent:innen die Universität verlassen, ohne praktische Einblicke in die Arbeitsabläufe eines Ingenieurbüros oder den Betrieb einer Baustelle erhalten zu haben – hierfür ist vor allem eine intrinsische Eigenverantwortung gefragt.

Der Zielkonflikt zwischen einem themenbreiten, umfassenden Ingenieurstudium und einer ausgewogenen Studienzeit kann dazu führen, dass eine systematische Verknüpfung von theoretischem Wissen mit praktischen Anwendungssituationen schlimmstenfalls zu kurz kommt. Zwar können die erlernten Inhalte theoretisch abgerufen werden, ihre Übertragung auf komplexere Aufgabenstellungen fällt während des Studiums und beim Start in die Praxis jedoch schwer.

Als ebenso herausfordernd empfinden die Studierenden die Studienstruktur und -organisation. Anders als in der Schule, in der feste Stundenpläne und regelmäßige Leistungskontrollen Orientierung geben, sind die Studierenden weitgehend auf eigenständige Organisation angewiesen. Die Umfrage macht zudem sichtbar, dass viele Studierende der heutigen Studiengeneration an ihrer persönlichen Eignung zweifeln und einen hohen Leistungsdruck verspüren. Dieser hohe Leistungsdruck, gekoppelt mit dem Nichtbestehen von Prüfungen und dem Mangel an Praxis, verstärkt schnell den Gedanken an den Abbruch des Studiums.

1.2 Defizite bei fachlichen Kompetenzen der Studierenden im Themengebiet Baukonstruktion

Bereits in den grundständigen Modulen der Baukonstruktion (1. bis 3. Semester) zeigen sich bei den Studierenden im Bauingenieurwesen zum Teil erste Defizite bei den fachlichen Kompetenzen. Diese Lücken werden in Prüfungsvorleistungen und Prüfungen sichtbar, etwa durch fehlende Verbindungs-, Dicht- und Dämmelemente, was in der Praxis potenziell gravierende Folgen hätte. Ursache ist häufig ein unzureichendes Verständnis der Zusammenhänge sowie die fehlende Vorstellungskraft bezüglich Aussehen, Einbau und Handhabung dieser Bauteile.

Auch im Bereich der nachhaltigen Baukonstruktion bestehen Defizite. Zwar können die Studierenden nach nachhaltigen Materialien recherchieren, doch fällt die Bewertung ihrer Eignung für konkrete Bauteile sowie deren fachgerechter Einbau schwer. Ebenso zeigen sich Unsicherheiten bei der Ökobilanzierung und Interpretation von Ergebnissen. Hintergrund ist, dass in der Lehre aktuell kein ausreichendes Wissen zu Nachhaltigkeitsdimensionen und Bewertungsmethoden vermittelt wird. Durch umfangreiche Modulanpassungen in den letzten Jahren wurde dies zwar eingeführt, wird jedoch erst schrittweise weiter ausgebaut und verpflichtend angewendet. Deutlich werden diese beiden Kompetenzlücken vor allem, wenn das erlernte Wissen aus der Baukonstruktion auf neue Problemstellungen wie Bestandsgebäude oder nachhaltige Bauweisen übertragen werden soll. Dies führt zu bautechnischen Fehlern und zeigt die fehlende Problemlösekompetenz.

1.3 Identifizieren von Potenzialen

Bei der Auswertung der projektbegleitenden Studierendenbefragung in Verbindung mit der Analyse der Prüfungsergebnisse wurden vier Kernprobleme identifiziert, die für die Lehrveranstaltungen lösungsbedürftig sind. Diese bauen zum Teil aufeinander auf und lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  1. Hoher Leistungsdruck, Nichtbestehen von Prüfungen, Zweifel an der persönlichen Eignung und Schwierigkeiten in der Studienstruktur führen zu Abbruch- oder Wechselgedanken bei Studierenden.
  2. Fehlender Praxisbezug und daraus resultierender Motivationsverlust erschweren den Lernfortschritt.
  3. Unzureichende fachliche Kompetenzen im Bereich Baukonstruktion und Nachhaltigkeit erschweren den sicheren Umgang mit Bauteilen, Materialien und Planungsaufgaben.
  4. Defizite bei den Lehrmethoden erschweren die Problemlöse- und Transferkompetenz der Studierenden.

Um diese Herausforderungen gezielt aufzugreifen, wird im Rahmen eines neuen Seminars erprobt, wie durch praxisnahe, nachhaltige und problemorientierte Aufgabenstellungen die Moti­vation gesteigert, die Kompetenzentwicklung gefördert und Studienabbrüche reduziert werden können. Das Seminar Sustain­able Learning, das im Rahmen des ESF-Plus-Studienerfolgsprogramms durchgeführt wird, dient dabei als Testfeld, um verschiedene Aufgabentypen und Formate zu erproben und zu ermitteln, welche Ansätze die größten Verbesserungen für die Studierenden bewirken.

2 Neue Lehrmethode zur Verbesserung des Studienerfolgs

2.1 Problembasiertes Lernen als didaktische Methode

Grundlage des Seminars ist die aktive Lehrmethode des problembasierten Lernens (PBL), die im Bauingenieurwesen bislang wenig verbreitet und wissenschaftlich untersucht ist. PBL ist ein seit den 1970er-Jahren eingesetzter didaktischer Ansatz, dessen Ziel es ist, die Lehre praxisnaher, kompetenzorientierter und handlungsbezogener zu gestalten [2].

Kern des Ansatzes ist die Bearbeitung eines komplexen, offenen Problemfalls, den die Studierenden in kleinen Gruppen eigenständig lösen. Die Lehrenden übernehmen dabei nicht mehr die Rolle von Wissensvermittler:innen, wie in klassischen Lehrveranstaltungen, sondern fungieren als Lernbegleiter:innen. Frontalunterricht wird bewusst vermieden; stattdessen erarbeiten die Studierenden die Inhalte selbstständig anhand spezifischer Aufgabenstellungen, unterstützt durch methodische Hilfestellung. [3]

Durch die Einführung des PBL konnten in anderen Fachdisziplinen nachweislich folgende Veränderungen erwirkt werden [4]:

  • eine längere Behaltensdauer von Lerninhalten,
  • eine Steigerung der Problemlösekompetenz,
  • eine bessere Übertragung der Problemlösefähigkeit in die Berufspraxis,
  • eine Förderung des kritischen Denkens durch die Bewertung von Informationen,
  • eine Stärkung selbstständigen Lernens und höherer Lernmotivation,
  • ein gestärktes Vertrauen in die eigenen Kompetenzen.

Um zu überprüfen, inwieweit diese Ergebnisse und die in Abschnitt 1.3 gesetzten Ziele im Seminar Sustainable Learning erzielt werden können, wurde das Seminar durch begleitende Erhebungen evaluiert.

2.2 Lehrkonzept überprüfen

Die Evaluationen während des Seminars umfassen die Überprüfung des Lernfortschritts, der Motivation und der sozialen Empfindungen. Die fachlichen Kompetenzen werden durch regel­mäßige Feedbackgespräche mit der Lehrperson sowie durch Ergebnispräsentationen überprüft. Hier stellen die Studierenden ihre Konstruktion vor und beantworten fachliche Rückfragen der Lehrperson und der Kommilitonen. Außerdem werden im weiteren Verlauf die Prüfungsergebnisse der Seminarteilnehmenden mit denen der übrigen Studierenden verglichen, die nicht das zusätzliche Seminar besucht haben.

Zur Analyse des Engagements werden vor und nach dem Seminar Motivationsumfragen durchgeführt, die Aufschluss darüber geben sollen, welche Art von Motivation die Studierenden in Bezug auf das Themengebiet zeigen. Um die sozialen Empfindungen während des Seminars zu erfassen, führen die Studierenden wöchentlich ein Lerntagebuch, in dem sie ihre Wahrnehmung der aktuellen Lernanforderungen sowie das Gruppengefühl reflektieren.

3 Sustainable-Learning-Seminar als neues Lehrkonzept

3.1 Aufbau und Ablauf

Es wurde ein Seminar entwickelt, das als zusätzliches Modul von Studierenden des zweiten und dritten Semesters gewählt werden kann. Es richtet sich insbesondere an Studierende, die die Prüfung im Modul Baukonstruktion zu errichtender Gebäude im ersten Versuch nicht bestanden haben. Im Seminar Sustainable Learning wird die Lehrmethode des PBL auf Inhalte dieses Moduls angewendet.

Bei dieser Lehrmethode wurden gedanklich drei verschiedene Lernräume geschaffen, denen jeweils eine Problemstellung (Problemfall) zugeordnet ist. Die Studierenden bearbeiten gruppenweise die drei aufeinander aufbauenden Problemfälle (Bild 2). Das Seminar ist so konzipiert, dass der Praxisbezug im Vordergrund steht und die Komplexität schrittweise zunimmt. Ziel ist es, nicht nur fachliches Wissen zu vertiefen, sondern auch kognitive Kompetenzen (Problemlösefähigkeit, kritisches Denken), metakognitive Kompetenzen (Selbstreflexion) und soziale Kompetenzen (Kommunikations- und Teamfähigkeit) verstärkt zu fördern, da diese für das zukünftige Berufsleben im Bauwesen von großer Bedeutung sind. Die Studierenden arbeiten in Gruppen von meist 5 Personen.

Im ersten Lernraum liegt der Schwerpunkt auf der Festigung von bereits erworbenem Fachwissen und dessen praktischer Anwendung auf eine Bestandskonstruktion. Dadurch werden sowohl die Fachkompetenz als auch die Transferkompetenz im Umgang mit realitätsnahen Problemstellungen gestärkt.

Im zweiten Lernraum analysieren die Studierenden die in Lernraum 1 erarbeiteten Konstruktionen und passen sie an Anforderungen des nachhaltigen Bauens an. Hierbei stehen die Entwicklung von Fachkompetenzen im Bereich der Nachhaltigkeit sowie die Stärkung der Problemlösekompetenz im Vordergrund.

Im dritten Lernraum übertragen die Studierenden das erworbene Wissen auf praktische Aufgaben und erlernen, wie theoretische Planungen in die konstruktive Praxis umgesetzt werden. Ergänzend dazu fördern Reflexions- und Präsentationsaufgaben die kritische Selbstbewertung sowie die Kommunikations- und Teamfähigkeit.

Um die Problemfälle zu lösen, müssen sich die Studierenden in den Lernräumen in verschiedene Rollen aus dem Bauablauf hineinversetzen und erfahren dabei einen wiederholten Perspektivwechsel. Sie arbeiten dabei in kleineren Gruppen zusammen. Die Lehrperson übernimmt in den verschiedenen Lernräumen die Rolle des fiktiven Bauherrn. Gleichzeitig bietet sie methodische Hilfestellungen und wirkt unterstützend bei der Bearbeitung.

Im Folgenden werden die drei aufeinander aufbauenden Aufgabenstellungen (Problemfälle) vorgestellt.

3.2 Erster Problemfall: Lernen auf der Baustelle

Beim ersten Problemfall übernehmen die Studierenden die Rolle der Bauleitung. Ein fiktiver Bauherr wünscht eine vertiefte Prüfung, ob die auf der Baustelle errichtete Gebäudekonstruktion korrekt ausgeführt wurde. Dabei wird jeder Studierendengruppe je ein spezifisches Bauteil zur Bearbeitung zugeordnet.

Um den Problemfall zu lösen, müssen sich die Studierenden mit den Funktionen der Bauteile auseinandersetzen, relevante Literatur und Normen recherchieren sowie das entsprechende Gebäudeteil vor Ort prüfen. Es erfolgt eine Baustellenbegehung (Bild 3), bei der das jeweilige Bauteil begutachtet und aufgemessen wird und weitere Informationen zum Einbau eingeholt werden. Mit diesen Informationen überprüfen und bewerten die Studierenden eigenständig die Konstruktion und bereiten eine Einschätzung für den Bauherrn vor.

3.3 Zweiter Problemfall: Nachhaltigkeitsbewertung als Grundlage für innovative Konstruktionen

Nach der Überprüfung der bestehenden Baukonstruktion agieren die Studierenden im zweiten Problemfall als Nachhaltigkeitsexpert:innen. Der fiktive Bauherr plant ein zweites Gebäude, das in Anforderung und Nutzung dem ersten entspricht, möchte für dieses Gebäude jedoch eine Förderung für nachhaltiges Bauen erhalten. Die Studierenden übernehmen die Aufgabe, die bestehende Konstruktion hinsichtlich ihrer baulichen Nachhaltigkeit zu bewerten.

Sie führen zunächst eine Literaturrecherche durch, um messbare Kriterien für Nachhaltigkeit am Gebäude zu identifizieren. Auf dieser Grundlage berechnen sie spezifische Indikatoren für Nachhaltigkeit, insbesondere CO₂-Emissionen und Primärenergiebedarf der Bestandskonstruktion. Bei der Auswertung der Ergebnisse schätzen sie die Nachhaltigkeit der Konstruktion ein und identifizieren Faktoren, die diese negativ beeinflussen. In einem zweiten Schritt recherchieren die Studierenden in ihren Gruppen Verbesserungsmöglichkeiten und entwickeln alternative, nachhaltigere Konstruktionsvarianten für ihr jeweiliges Bauteil. Für ausgewählte Kriterien führen sie erneut Berechnungen durch, um die Varianten vergleichbar zu machen. Am Ende des zweiten Lernraums präsentieren sie dem Bauherrn ihre Ergebnisse: die Nachhaltigkeitsbewertung, die neu entwickelte Konstruktion sowie den Vergleich der Varianten. Dabei beantworten sie Fragen zur Umsetzbarkeit und Funktionalität.

3.4 Dritter Problemfall: vom Bauplan zum gebauten Modell

Im dritten Problemfall übernehmen die Studierenden nachein­ander zwei Rollen: zunächst die der Ausführungsplanenden und anschließend die der Handwerker:innen. Im Fokus steht die prak­tische Umsetzung der zuvor entworfenen nachhaltigen Konstruktion, da der Bauherr für die neu entwickelte Variante ein Anschauungsobjekt benötigt.

Zunächst erstellen die Studierenden eine vollständige Material- und Werkzeugliste und entwickeln präzise Ausführungszeichnungen für das Konstruktionsmodell. Sie strukturieren eigenständig ihren Bauablaufplan mit allen notwendigen Arbeitsschritten und deren zeitlicher Abfolge. Auf dieser Grundlage wechseln sie in die Rolle der Handwerker:innen und führen die Planung als 1:1-Modell praktisch aus (Bild 4). Dabei überprüfen sie fortlaufend die Umsetzbarkeit und reflektieren die Übereinstimmung zwischen Entwurf und Ausführung.

  • Bild 4 Studierende beim praktischen Arbeiten am 1:1-Modell; a) Anrühren von Lehm-Mörtel, b) Verputzen der Holzfaserdämmung im Außenbereich (Quelle: TUD/Felix Hegewald)

Durch die praktische Umsetzung erfahren die Studierenden einen Perspektivwechsel: Sie üben, ihre Planungen so aufzubereiten, dass sie für Dritte – etwa Fachkräfte auf der Baustelle – verständlich sind. Beim eigenständigen Bauen entwickeln sie ein prak­tisches Verständnis für handwerkliche Tätigkeiten, die Dimen­sionierung von Materialien und die Bedeutung nachhaltiger Baustoffwahl. Dabei erkennen sie direkt, wo Planung und Realität voneinander abweichen, identifizieren Probleme und finden eigenständig in der Gruppe Lösungen. Die Kombination aus zeichnerischer Planung und praktischer Umsetzung stärkt ihr räumliches Vorstellungsvermögen und vertieft das Verständnis für Bauprozesse.

Nach Fertigstellung präsentieren die Gruppen ihr Modell der Seminargruppe und dem fiktiven Bauherrn. Sie erläutern die Konstruktion, beantworten Rückfragen und überzeugen die Bauherrschaft von ihrer Lösung. Die gebauten Modelle dienen auch als Demonstrationsobjekte (Bild 5) für künftige Studierende im Bereich Baukonstruktion. Sie veranschaulichen wesentliche konstruktive Prinzipien, nachhaltige Bauweisen sowie den Herstellungsprozess.

In Bild 5a ist die Umplanung einer konventionellen Konstruktion mit Betonstreifenfundamenten, Stahlbetonbodenplatte und Mauerwerkswand zu einer rückbaubaren und ressourcenschonenden Alternative mit einem Schraubfundament dokumentiert. Dies ermöglicht eine Gründung, bei der die Konstruktion aufgeständert über dem Boden installiert wird, sodass eine Holzbodenplatte anstelle einer Betonplatte eingesetzt werden kann. Die Bauweise schützt die Holzkonstruktion vor aufsteigender Feuchtigkeit und unterstützt die natürliche Abtrocknung. Für die Dämmung innerhalb der Holzrahmenkonstruktion fiel die Wahl auf Holzfaserdämmstoffe, die sowohl ökologisch als auch bauphysikalisch überzeugen. Die geforderten U-Werte wurden eingehalten; gleichzeitig konnten die CO₂-Emissionen und der Primärenergiebedarf der Konstruktion deutlich reduziert werden.

In Bild 5b wird die nachhaltige Optimierung einer Stahlbeton-­Decken-Treppen-Konstruktion gezeigt. Anstelle einer Stahlbetonfertigteildecke wurde eine Brettschichtholzplatte aus mehreren Lagen Holz eigenständig gefertigt. Der Fußbodenaufbau besteht aus Holzfaserdämmung, einer ESB-Platte (holzwerkstoffbasiert) und einem Bambusparkett als abschließender Nutzschicht. Für die Trittschalldämmung im Anschlussbereich der Treppe wurde Kork verwendet – ein nachwachsender Rohstoff mit einer hohen schalldämmenden Wirkung. Die Treppe wurde aus Holz gefertigt und mit lösbaren Verbindungen konstruiert, wodurch sowohl Reparatur als auch Rückbau erleichtert werden.

Die Beispiele machen deutlich, dass sich die Studierenden intensiv mit unterschiedlichen Nachhaltigkeitskriterien auseinandergesetzt haben, um ihre Konstruktionen funktional und ökologisch zu verbessern. In einigen Gruppen konnte die Konstruktion so optimiert werden, dass mehr CO₂ gebunden als ausgestoßen wurde, mit Einsparungen von bis zu 200 % gegenüber der ursprünglichen Variante. Damit zeigt sich eine nachweisbare Weiterentwicklung fachlicher Kompetenzen im nachhaltigen Bauen.

4 Erkenntnisse aus dem Seminar

4.1 Umsetzung der Zielstellung überprüfen

Das Seminar Sustainable Learning verfolgt das Ziel, durch das Lehrkonzept des PBL einen Praxisbezug im Studium herzustellen, um die Motivation der Studierenden zu steigern. Weiterhin sollen Defizite bei Problemlöse- und Transferkompetenzen verringert und die fachlichen Kompetenzen im Bereich Baukonstruktion und nachhaltiges Bauen gestärkt werden. Soziale Erfahrungen, die ausschlaggebend für einen Studienabbruch sein können, wurden ebenfalls erfasst. Die Auswertung von bisher zwei durchgeführten Seminardurchgängen zeigt, inwieweit diese Ziele erreicht wurden.

4.2 Studentisches Erleben im Seminar

Die Auswertung der zu Beginn und am Ende des Seminars durchgeführten Motivationsumfragen zeigt in beiden Seminardurchläufen einen Anstieg der intrinsischen Motivation der Studierenden durch das eigenständige Arbeiten an praxisnahen Aufgaben. Dies äußerte sich auch in der aktiven Mitarbeit während der Seminare, insbesondere daran, dass die Studierenden Lösungen erarbeiteten, die über die geforderten Anforderungen hinausgingen.

Die Auswertung der Lerntagebücher, in denen die Studierenden wöchentlich ihre Wahrnehmung der Lernanforderungen sowie ihr Gruppengefühl festhielten, soll Aufschluss darüber geben, ob unterschiedliche Gruppendynamiken den Lernerfolg beeinflussen und ob die Lernanforderungen zu bestimmten Zeitpunkten zu hoch oder zu niedrig waren. Ziel ist es, mögliche Anpassungsmaßnahmen für das Seminar und für Gruppenarbeiten in zukünftigen Modulen abzuleiten.

Im ersten Seminardurchgang wurden die Teilnehmenden in überwiegend gleichgeschlechtliche Gruppen aufgeteilt, im zweiten Seminardurchgang in gemischte Gruppen, wodurch vier verschiedene Gruppenkonstellationen entstanden.

Die Auswertung der Lernanforderungen (Bild 6a) zeigt einen deutlichen Anstieg der Überforderung in der Mitte des ersten Seminars bei allen Vergleichswerten. Besondere Spitzenwerte sind um die achte Seminarwoche ersichtlich, kurz vor Fertigstellung der nachhaltigen Umplanung der Konstruktion (Problemfall 2). Zu diesem Zeitpunkt erfahren die Studierenden häufig, dass die Bearbeitung der Aufgaben viel Zeit in Anspruch nimmt. Gleichzeitig werden Wissenslücken deutlich, insbesondere im Bereich nachhaltiges Bauen. Ein besonders hohes Maß an Überforderung zu diesem Zeitpunkt weisen die Studierenden in der reinen Frauengruppe auf. Durch zusätzliche Konsultationsmöglichkeiten im zweiten Seminardurchgang konnten die Phasen der Überforderung jedoch gegenüber dem ersten Durchgang reduziert werden (vgl. Bild 6a).

Bei der Auswertung des Gruppengefühls (Bild 6b) wurden bei allen Gruppenkonstellationen, außer bei den reinen Frauengruppen im Seminardurchgang 1, Einbrüche im Gruppengefühl festgestellt. Hier ist ein zeitlicher Zusammenhang mit dem Gefühl der Überforderung (Bild 6a) zu beobachten. Die Analyse, inwieweit die beiden Faktoren Lernanforderung und Gruppengefühl zusammenhängen, ergab, dass weder im ersten noch im zweiten Seminardurchgang das Gruppengefühl der männlichen Teilnehmenden von der Lernanforderung beeinflusst wurde. Bei den weiblichen Teilnehmenden konnten hingegen Anhaltspunkte für Korrelationen festgestellt werden: In reinen Frauengruppen blieb das Gruppengefühl in Phasen hoher Überforderung eher stabil, während sich weibliche Teilnehmende in gemischten Gruppen bei hohen Anforderungen tendenziell schlechter fühlten. Die beobachteten Zusammenhänge sind jedoch als Tendenzen zu interpretieren. Unterschiede zwischen den Seminardurchgängen könnten auf unterschiedliche Zusammensetzungen der Teilnehmenden, eine geringe Datenmenge oder weitere Einflussfaktoren zurückzuführen sein.

4.3 Kompetenzsteigerung durch Seminar

Zur Überprüfung der fachlichen Kompetenzen der Studierenden wurden die Prüfungsergebnisse des grundständigen Moduls Baukonstruktion zu errichtender Gebäude (Neubau) ausgewertet. Die Problemlöse- und Transferkompetenz wurde anhand einer Aufgabe aus dem Modul Baukonstruktion zu bestehenden Gebäuden (Bestandsbau) untersucht. Die Ergebnisse von Studierenden, die zusätzlich am Seminar Sustainable Learning teilgenommen hatten, wurden denen einer Vergleichsgruppe ohne Seminarteilnahme gegenübergestellt.

In der Prüfung Baukonstruktion zu errichtender Gebäude mussten die Studierenden drei Baukonstruktionen anhand einer Baubeschreibung entwickeln und zeichnerisch umsetzen. Bewertet wurden dabei unter anderem die korrekte Anwendung konstruktiver Prinzipien, die zeichnerische Darstellung und die schadensfreie und normgerechte Ausführung. Diese Kompetenzen wurden im Seminar gezielt geschult. Es zeigt sich bei der Auswertung, dass Seminarteilnehmende anteilig häufiger gute und sehr gute Noten erzielten. Insbesondere bei den Noten 2,0 bis 2,7 zeigt sich eine deutliche Steigerung bei den Seminarteilnehmenden. Das impliziert eine deutliche Leistungssteigerung (23,7 % mehr Studierende sind besser als Note 3,0 als in der Vergleichsgruppe). Auffällig ist die Verbesserung der Seminarteilnehmenden bei der Durchfallquote. Der Anteil der Studierenden, die die Prüfung nicht bestanden haben (Note 5,0), liegt um 27 % niedriger als bei der Vergleichsgruppe.

Insgesamt schnitten 77 % der Studierenden, die am Seminar teilgenommen hatten, besser ab als der Durchschnitt der Vergleichsgruppe. Dies spricht für eine erhebliche Steigerung der Fachkompetenz im Bereich Baukonstruktion durch die Seminarteilnahme.

In der Prüfung im Modul Baukonstruktion zu bestehenden Gebäuden wurde eine Aufgabe ausgewertet, bei der unterschiedliche Konstruktionslösungsvarianten anhand von Nachhaltigkeitskriterien zu bewerten und begründet auszuwählen waren. Die Auswertung der Prüfungsergebnisse zeigt, dass Seminarteilnehmende höhere Punktzahlen in dieser Aufgabe erzielten. Sie bearbeiteten die Aufgabe häufig vollständig und mit fundierteren Argumentationen. Auffällig ist die sicherere Anwendung der Nachhaltigkeitskriterien sowie die Fähigkeit, diese zielgerichtet in einen Bewertungsprozess zu überführen. Dies deutet darauf hin, dass sowohl die fachlichen Kompetenzen im Bereich des nachhaltigen Bauens als auch die Problemlöse- und Transferkompetenz durch das Seminar gesteigert werden.

4.4 Ziele des problembasierten Lernens

Die Ergebnisse zeigen, dass das Seminar Sustainable Learning die angestrebten Ziele der Lehrmethode des problembasierten Lernens (vgl. Abschnitt 2.1) weitgehend erreicht hat. Sowohl die Problemlösekompetenz als auch deren Übertragung auf die Berufspraxis konnten in den Prüfungsergebnissen messbar gesteigert werden. Auch das kritische Denken nahm deutlich zu (vgl. Abschnitt 4.3). Ergänzend belegen Einträge in Lerntagebüchern und die Motivationserhebung ein gesteigertes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten sowie eine höhere Lernmotivation. (vgl. Abschnitt 4.2) Ob darüber hinaus eine nachhaltige Verlängerung der Behaltensdauer sowie eine Reduzierung der Studienabbruchquote durch das Seminar erzielt werden, lässt sich derzeit noch nicht abschließend beurteilen.

5 Fazit

Im Studiengang Bauingenieurwesen der Technischen Universität Dresden zeigen sich aktuell hohe Abbruch- und Durchfallquoten, die unter anderem auf fehlenden Praxisbezug, Defizite im Bereich des nachhaltigen Bauens und bei den Lehrmethoden zurückzuführen sind. Studierende erkennen oft nicht, weshalb die vermittelten Inhalte relevant sind, und weisen sowohl in der Baukonstruktion insgesamt als auch speziell in der Anwendung von Nachhaltigkeitskriterien deutliche Kompetenzlücken auf.

Mit dem Seminar Sustainable Learning konnte erstmals sichtbar gemacht werden, welchen Unterschied eine andere Lehrmethode – problembasiertes Lernen mit praxisnahen Aufgaben, Baustellenbesuchen und Modellbau – im Vergleich zum regulären Unterricht bewirken kann. Es wurden fachliche Kompetenzen, Problemlöse-, Reflexions- und Teamfähigkeiten gezielt gestärkt, die Motivation der Studierenden erhöht und die Prüfungsergebnisse im Baukonstruktionsmodul verbessert.

Gleichzeitig zeigt sich, dass die neue Lehrmethode mit einem erhöhten Betreuungsaufwand einhergeht. Die intensive Begleitung, die zahlreichen Feedbackgespräche und die praxisorientierte Umsetzung, insbesondere der individuelle und vielschichtige Material- und Werkzeugbedarf, gehen über das reguläre Lehrdeputat hinaus und konnten bislang nur über Drittmittel realisiert werden. Perspektivisch sollte geprüft werden, wie zentrale Elemente des problembasierten Lernens dauerhaft in das reguläre Curriculum des Grundstudiums integriert werden können. Das Seminar liefert ein überzeugendes Beispiel dafür, wie praxisbezogenes und nachhaltigkeitsorientiertes Lernen erfolgreich umgesetzt werden kann, und ist nach unserer Einschätzung zur Nachahmung empfohlen!

Danksagung

Wir danken den Unternehmen K+R Massivhaus GmbH, ­CARLISLE® Construction Materials GmbH und Krinner Schraubfundamente GmbH für die engagierte Unterstützung. Das Projekt wird kofinanziert von der Europäischen Union sowie durch Steuermittel auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.


Literatur

  1. TU Dresden Fakultät Bauingenieurwesen (2024) Building Excellence – Pioneering Civil Engineering for Sustainable Future. For the Evaluation Period 2023–2025.
  2. Weber, A. (2007) Problem-based learning: Ein Handbuch für die Ausbildung auf der Sekundarstufe II und der Tertiärstufe Bern: hep Verlag.
  3. Strunk, S.; Wichers, J. (2020) Problembasiertes Lernen (PBL) in: Problembasiertes Lernen im Mathematikunterricht der Grundschule. Hildesheimer Studien zur Mathematikdidaktik. Wiesbaden: Springer Spektrum. https://doi.org/10.1007/978-3-658-32027-0_2
  4. Jonassen, D. H., Hung, W. (2012) Problem-Based Learningin: Seel, N. M. [ed.] Encyclopedia of the Sciences of Learning. Boston: Springer, pp. 2687–2690. https://doi.org/10.1007/978-1-4419-1428-6_210

Autor:innen

Dipl.-Ing. Laura Oberender, laura.oberender@tu-dresden.de
Dipl.-Ing. Julia Seeger, julia.seeger@tu-dresden.de
Prof. Dr.-Ing. Michael Engelmann, ­michael.engelmann@tu-dresden.de
Institut für Baukonstruktion, Technische Universität Dresden, Dresden
tu-dresden.de/bu/bauingenieurwesen/bauko

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