Zwischen Greenwashing und ehrlicher Nachhaltigkeit: Wie wir Kommunikation neu denken müssen

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Nachhaltigkeit ist längst kein leeres Schlagwort mehr. Sie ist seit Jahrzehnten die Grundlage für zukunftsfähiges Wirtschaften und Bauen. Gleichzeitig erleben wir den Begriff ‚Nachhaltigkeit‘ als verbrannt, so inflationär wurde er in den letzten Jahren genutzt – genauso wie ‚Klima‘.

In einer Zeit, in der Unternehmen ihre Umwelt- und Sozialverantwortung oft nur mit wohlklingenden Worten verschleiern, drehen wir den Spieß um: Es geht um echte Werte, belegbare Fortschritte und eine Kommunikation, die den Mut hat, die ganze Wahrheit zu sagen. Insbesondere im Bauwesen, das enorme Mengen nicht nachwachsender Ressourcen verbaut, mehr als die Hälfte des globalen Müllaufkommens und über 40 % der CO2-Emissionen verursacht, ist es höchste Zeit, dass alle Akteur:innen ihre nachhaltigen Bemühungen offenlegen.

Greenwashing, Colourwashing und die Wirkung von Sprache

Greenwashing wird oft mit dem Versuch verbunden, durch positive Umweltclaims ein Image aufzubauen, das von den tatsächlichen Unternehmensaktivitäten losgelöst ist. Ebenso problematisch ist Colourwashing, bei dem soziale Themen wie Diversity oder Inklusion als oberflächliche Werbemittel benutzt werden, ohne dass dahinter substanzielle Maßnahmen stehen. Diese Strategien führen zu wachsender Skepsis in der Gesellschaft. Wenn Begriffe wie ‚nachhaltig‘ oder ‚klimaneutral‘ inflationär verwendet werden, verlieren sie ihre Aussagekraft.

Rhetorische Fragen wie „Wie glaubwürdig ist ein Unternehmen, das seinen Fortschritt nicht belegen kann?“ oder „Wem nützt es, wenn echte Veränderungen unter einem Schleier aus leeren Versprechen verborgen bleiben?“ laden zum Nachdenken ein und fordern eine Neudefinition der Kommunikationsstandards.

Die Sprache, die Unternehmen wählen, beeinflusst maßgeblich, wie ihre Botschaften wahrgenommen werden. Wenn grüne Versprechen ohne klare Fakten oder nachvollziehbare Belege daherkommen, schwindet das Vertrauen der Zielgruppen – sei es die breite Öffentlichkeit oder spezialisierte Entscheidungsträger. Ehrliche Kommunikation, die nicht nur Erfolge, sondern auch Herausforderungen transparent darstellt, ist daher einer der Schlüssel zu einer nachhaltigen Transformation.

Green Hushing – Die stille Gefahr

Neben dem offensichtlichen Greenwashing beobachten wir einen weiteren gefährlichen Trend: Green Hushing. Hier werden echte nachhaltige Maßnahmen verschwiegen, aus Angst vor Kritik oder dem Vorwurf, opportunistisch zu handeln. Oder ganz banal: Aus Angst, selbst in die Greenwashing-Falle zu tappen. Diese Zurückhaltung führt dazu, dass wertvolle Erkenntnisse und Erfolge im Dunkeln bleiben, anstatt als Inspiration für die gesamte Branche zu wirken. Wer wirklich etwas bewegen will, muss den Mut haben, seine Erfahrungen – mit all ihren Höhen und Tiefen – offen zu kommunizieren.

Die Green Claims Directive als Weckruf für ehrliche Kommunikation

Die Europäische Union hat erkannt, dass der Kampf gegen Greenwashing nicht allein durch moralische Appelle gewonnen werden kann. Mit der Green Claims Directive wird ein regulatorischer Rahmen geschaffen, der Unternehmen dazu verpflichtet, ihre freiwilligen Umweltaussagen gegenüber Verbraucher:innen wissenschaftlich fundiert zu untermauern. Bereits im März 2023 legte die EU-Kommission einen Vorschlag vor, der im EU-Parlament und in trilateralen Verhandlungen intensiv diskutiert wurde. Sollte die Richtlinie wie geplant in diesem Jahr verabschiedet werden, tritt sie voraussichtlich ab 2027 in Kraft und setzt damit einen klaren Standard: Umwelt- und Sozialclaims müssen überprüfbar sein.

Die Belastbarkeit der Nachhaltigkeitsversprechen werden akkreditierte, verpflichtende Stellen prüfen und ein EU-weit anerkanntes Konformitätszertifikat erstellen, sofern den Anforderungen aus der Green Claims Directive entsprochen wurde.

Diese regulatorische Neuerung ist ein entscheidender Schritt, um manipulative Kommunikationsstrategien zu unterbinden. Dennoch stellt sich die Frage: Reicht ein gesetzlicher Rahmen aus, um die Wurzeln des Problems zu bekämpfen? Regulierung allein kann nicht die Unternehmenskultur transformieren.

Kommunikation mit Haltung: Mehr als nur Worte

Ein Unternehmen, das Nachhaltigkeit ernst meint, verzichtet bewusst auf übertriebene Marketing-Formeln. Stattdessen zählt die Authentizität seiner Kommunikation. Ein offener Dialog schafft Vertrauen und zeigt, dass nachhaltige Transformation ein kontinuierlicher Prozess ist. Im wir sind dran : verband leben wir eine Kommunikationskultur, die auf folgenden Grundsätzen basiert:

Transparenz statt Marketing-Sprech:
Nur wer seine tatsächlichen Fortschritte offenlegt, kann Glaubwürdigkeit aufbauen. Es gilt, nicht nur Erfolge, sondern auch Herausforderungen zu benennen.

Verantwortung statt Schuldzuweisungen:
Eine konstruktive Auseinandersetzung mit den eigenen Defiziten und das gemeinsame Suchen nach Lösungen stärken das Miteinander. Nachhaltigkeit ist eine Gemeinschaftsaufgabe, die keine Schuldigen kennt.

Dialog statt Polarisierung:
Nachhaltige Veränderung gelingt nur im Austausch. Durch den Dialog werden verschiedene Perspektiven sichtbar, die zur Entwicklung tragfähiger Lösungen beitragen.

Ehrlichkeit statt Perfektionismus:
Niemand kann immer 100 % nachhaltig handeln. Entscheidend ist, den Wandel als fortlaufenden Prozess zu begreifen und sich kontinuierlich zu verbessern.

Rhetorisch stellt sich die Frage: Können Unternehmen es sich leisten, ihre Erfolge geheim zu halten, wenn gerade im Austausch mit der Öffentlichkeit wertvolle Impulse für weitere Innovationen entstehen? Ein authentischer Kommunikationsstil kann nicht nur das Vertrauen von Kunden, Investoren und Mitarbeitern stärken, sondern auch als Katalysator für branchenweite Veränderungen wirken.

Reden wir endlich Klartext!

Prof. Maren Urner bringt es auf den Punkt: „Wir müssen reden … Und zwar darüber, wie wir reden. Nein, ausnahmsweise nicht über Doppelpunkte, Sternchen usw., sondern darüber, wie und ob wir endlich begreifen, was auf dem Spiel steht.“

Unsere Zeit – und unsere Aufmerksamkeit sowieso – ist begrenzt. Deswegen hat die Expertin für Sustainable Transformation die wichtigsten Fakten benannt:

  • Es war noch nie so heiß wie im Jahr 2024.
  • Das 1,5-Grad-Ziel aus dem Pariser Klimaabkommen 2015 ist wahrscheinlich überschritten.
  • Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre war noch nie so hoch.
  • Die Ozeane sind viel zu heiß und versauern.
  • Das Eis schmilzt und der Meeresspiegel steigt.
  • Allein 2024 haben Extremwetterereignisse 800.000 Menschen vertrieben.

    Über was müssen wir also sprechen? Klimaschutz und nachhaltiges Wirtschaften sind keine ‚Herzensthemen‘ von Einzelnen oder Parteien, sondern existenzielle Voraussetzungen für eine lebenswerte Zukunft. Nachhaltigkeit ist kein Luxusartikel – sie ist die Grundlage unserer Zukunft. Jede:r Einzelne von uns kann, sollte und muss seinen Beitrag leisten. Weil wir nicht nur Räume gestalten, sondern das Lebensumfeld aktueller und kommender Generationen formen, kommt uns eine besondere Verantwortung zu.

Fazit: Nachhaltigkeitskommunikation als Motor des Wandels

Der Druck, nachhaltig zu handeln, wird in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, ihre grüne Agenda nicht nur intern zu leben, sondern auch nach außen überzeugend zu kommunizieren. Die Einführung der Green Claims Directive ist ein wichtiger Schritt, der als Katalysator für mehr Transparenz und Glaubwürdigkeit dienen kann. Dennoch bleibt die zentrale Frage: Wie können wir verhindern, dass regulatorische Maßnahmen nur als äußerer Zwang wahrgenommen werden, anstatt als Chance für einen echten Wandel?

Der Schlüssel liegt in der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen und nachhaltige Transformation als integralen Bestandteil der Unternehmensstrategie zu begreifen. Ehrliche, authentische Kommunikation bildet die Grundlage für Vertrauen und langfristige Veränderung. Die Zukunft der Nachhaltigkeitskommunikation wird geprägt sein von einem Bewusstsein, dass Worte allein nicht genügen. Der Weg mag steinig sein, doch er bietet die Chance, nicht nur das Image von Unternehmen, sondern auch deren tatsächlichen Beitrag zu einer lebenswerten Zukunft nachhaltig zu verbessern.

In diesem Sinne sollten wir uns stets vor Augen halten: Nachhaltigkeit ist keine Modeerscheinung, sondern ein fortwährender Prozess. Es liegt an uns, diesen Prozess ehrlich, transparent und mutig zu gestalten – zum Wohle der Umwelt, der Gesellschaft und aller zukünftigen Generationen.

Auch auf die Gefahr, uns zu wiederholen: Als wir sind dran : verband fordern wir von unseren Kolleg:innen den Mut, unbequeme Wahrheiten auszusprechen und die eigene Nachhaltigkeitsreise in all ihren Facetten offen darzustellen. Nur so kann eine Kultur des Vertrauens und der echten Transformation entstehen – eine Kultur, die uns als Gesellschaft weiterbringt und Unternehmen als echte Vorreiter einer nachhaltigen Zukunft positioniert. Die Zeit ist reif, die Worte in die Tat umzusetzen!


Autor:in

Kathrin Albrecht, verband@wirsinddran.jetzt
Vorstandsvorsitzende wir sind dran : verband für Nachhaltigkeitsmanagement im Bauwesen e. V., Hannover
www.wirsinddran.jetzt

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