Erfahrungsbericht eines Tragwerksplaners
Die Grundschulmensa in Hemmingen wurde nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip geplant, bei dem wohngesunde Materialien in Kombination mit einer ressourcenschonenden, möglichst wieder separierbaren und rückbaubaren Bauweise eingesetzt werden. Neben einer Projektbeschreibung werden im vorliegenden Beitrag Praxisbeispiele dargelegt, bei denen Lösungswege mit individuellen Vor- und Nachteilen lediglich mit Rücksichtnahme auf entsprechende Kompromisse erfolgreich umgesetzt werden konnten. Bei der Zugrundelegung eines „hohen“ Anspruchs an das nachhaltige Bauen wird in diesem Zusammenhang aufgezeigt, dass es derzeit lediglich gelingt, weniger „schlecht“ zu bauen, jedoch nicht richtig „gut“. Die Beispiele sollen inspirieren und zu eigenen Lösungsansetzen anregen, da es trotz der Mühen alternativlos ist, nachhaltig zu bauen.
1 Allgemeines
Mit dem Cradle-to-Cradle-Prinzip (C2C) [1–3] im Bauwesen wird das Ziel verfolgt, Materialien endlos nutzbar zu machen, anstatt sie nach der Nutzungsdauer zu entsorgen. Gebäude werden dabei in einer Art und Weise geplant, dass ihre Bestandteile entweder vollständig in natürliche Kreisläufe zurückgeführt werden oder in technischen Prozessen wiederverwendet werden können. Dabei kommen zerlegbare Konstruktionen, wiederverwertbare Baustoffe und kreislauffähige Rohstoffe zum Einsatz. Zudem wird auf emissionsarme Materialien und erneuerbare Energiequellen gesetzt. Dieser Ansatz minimiert Abfall, erhält wertvolle Ressourcen und fördert eine zukunftsfähige Bauweise.
Das Planen nach den C2C Prinzipien sollte auch aus tragwerksplanerischer Sicht der übergeordnete Leitfaden für nachhaltiges Bauen in der Gegenwart und der Zukunft sein. C2C definiert dabei die Planungsergebnisse und lässt gleichzeitig einen individuellen Spielraum für eigene Ideen bei derzeit noch unumgänglichen Kompromissen. Eine konsequente Umsetzung in die Praxis erfordert gegenwärtig noch viel Idealismus und Durchhaltevermögen. Gleichzeitig ist es sehr zufriedenstellend, daran mitzuwirken, die Umwelt durch das Bauen nach den C2C-Prinzipien weniger zu belasten.
Wir bekennen uns klar zum umweltschonenden Planen, auch wenn dies derzeit oftmals größere Anstrengungen erfordert. Nach wie vor stellt jedes Gebäude ein Prototyp mit wiederkehrenden Bauweisen dar, bei denen immer wieder individuelle Lösungen gefunden werden müssen. Das gilt insbesondere für das Bauen nach C2C, da einem regelmäßig das Gefühl beschleicht, an der Basis beginnen zu müssen. Wir bauen weniger schlecht, jedoch noch nicht gut genug. Nachfolgend sind individuelle Erfahrungen und Lösungsansätze aus statisch-konstruktiver Sicht an einem Projektbeispiel zusammengetragen, dass nach den C2C-Prinzipien geplant wurde.
An der Grundschule in Hemmingen wird ein derzeit in der Realisierungsphase befindliches Erweiterungsgebäude mit einer Schulmensa nach den Cradle to Cradle Prinzipien gebaut, welches auch eine Bibliothek und Räume für die Ganztagsbetreuung beinhaltet. Bei dem Projekt lag der Fokus auf der Verwendung von wohngesunden Materialien, reversiblen Bauprodukten, einer ressourcenschonenden Bauweise u. a. durch Vermeidung von Folien und Verbundbaustoffen und einer Flächeneinsparung durch eine Mehrfachnutzung von Räumen. Der Flur des Treppenraums wird beispielsweise als Garderobe und Gemeinschafts- sowie Aufenthaltsbereich genutzt.
Projektbeschreibung
Das zweigeschossige Schulerweiterungsgebäude mit großen Fensterfronten im Erdgeschoss wird freistehend am Rande des Schulhofes nahezu gänzlich in Holzbauweise auf einer Stahlbetonsohlplatte errichtet (vgl. Bilder 1 und 2). Das ca. 5° geneigte Pultdach besteht aus Baubuchensparren mit einer aufgeschraubten 6,0 cm dicken Brettsperrholzplatte, einer lose verlegten Dachabdichtungsbahn mit Aufdachdämmung in Verbindung mit einem Gründach und einer PV- Anlage. Die Unterzüge werden vorrangig aus Baubuche und vereinzelnd aus Stahl ausgebildet. Aufgrund des Schwingungsnachweises der Geschossdecke waren steife Unterzüge erforderlich, die lediglich geringe Abmessungen aufweisen sollten, weshalb diese in Stahl ausgebildet wurden. Die Geschossdecke besteht aus 28 cm dickem Brettsperrholz. Die Außenwände werden in Holztafelbauweise und die hoch belasteten Innenwände sowie der Aufzugsschacht aus Brettsperrholz gefertigt. Die hoch belasteten Stützen in den Wänden bestehen aus Baubuche und die Stützen im Außenbereich wurden als verzinkte Stahl-Hohlprofilstützen realisiert. Gegründet wird das Gebäude über eine Sohlplatte mit Frostschürzen.
2 Praxiserfahrungen für die statisch-konstruktive Umsetzung des Cradle to Cradle Prinzips
Nachfolgend werden Beispiele beschrieben, wie das C2C-Prinzip in der Praxis angewendet werden kann und welche besonderen Gedankengänge in Kombination mit den Anforderungen an die zu lösende Aufgabe erforderlich waren. Bei der Lösung einer Aufgabe müssen auch nach C2C immer wieder Kompromisse geschlossen werden, da es zahlreiche Anforderungen und die Interessen aller Projektbeteiligten zu berücksichtigen gilt. Daher sollen die nachfolgenden Beispiele einen Weg aufzeigen, der mit seinen Details inspirieren soll.
2.1 Einsparung der Tiefgründung
Aufgrund der Nähe des Baufeldes zum Leinefluss befinden sich auf dem Baufeld bis zu einer Tiefe von ca. 2,30 m Bodenschichten mit verminderter Tragfähigkeit. In der Gründungsempfehlung des Baugrundgutachtens wurde für dieses setzungsempfindliche Gebäude eine Tiefgründung bis zu den gewachsenen Sanden empfohlen, was mit Beton-Säulen und einer ca. 50,0 cm dicken Schotterschicht realisiert werden sollte. Die Sohlplatte würde dann auf dieser Schotterschicht aufgelagert. Die Beton-Säulen hätten einen Durchmesser von ca. 50,0 cm aufgewiesen und wären in einem Abstand von ca. 1,70 m angeordnet worden, was bei einer Säulenlänge von ca. 2,30 m einem Gesamtvolumen von ca. 90,0 m³ Beton für die Säulen entsprochen hätte.
Auf Grundlage eines Lastenplans mit präziser Darstellung der Einwirkungen auf der Sohlplatte konnte der Baugrundgutachter eine erneute, realitätsnahe Setzungsberechnung für eine Flachgründung mit umlaufender Frostschürze durchführen, die zu vertretbaren Setzungen von ca. 1,50 cm geführt hat. Daraufhin konnte auf eine Tiefgründung verzichtet werden. Um Setzungsunterschiede ausgleichen zu können, wurde die Sohle mit einer Dicke von 30,0 cm dimensioniert (ca. 5–10 cm dicker als bei der Säulenvariante) und zu Teilen aus Recyclingbeton hergestellt. Insgesamt konnten durch den Verzicht auf die Tiefgründung ca. 35,0 % (ca. 74,0 m³) Beton eingespart und auf aufwändige und kostenintensive Tiefbauarbeiten verzichtet werden.
Diese Vorgehensweise und die Interaktion mit anderen Fachplanenden zeigen ganz deutlich, welchen großen Einfluss die Planenden darauf haben können, weniger umweltbelastend zu bauen und gleichzeitig Kosten und Ressourcen einzusparen. Der Planungsaufwand der Abstimmungen mit dem Baugrundgutachter bewegte sich im Rahmen von üblichem Abstimmungsaufwand mit Fachplanenden und fiel unserer Einschätzung nach zeitlich nicht ins Gewicht.
2.2 Nachweis der Feuerwiderstandsdauer von verzinkten Hohlprofil-Stahlstützen bei einer Brandbeanspruchung von 30 Minuten.
Die Stützen im Außenbereich mit einer erforderlichen Feuerwiderstandsdauer von 30 Minuten (R30, direkte Beflammung), sollten mit einem runden Querschnitt und aus geometrischen bzw. optischen Gründen so schlank wie möglich ausgeführt werden (vgl. Bilder 3 und 4).

Foto: shl ingenieure GmbH
Aufgrund des Schlankheitskriteriums waren auf Abbrand bemessene Holzstützen (z. B. Baubuche) oder brandschutztechnisch verkleidete Stahlstützen keine Option. Ein Brandschutzanstrich ist einer regelmäßigen Wartung zu unterziehen und ist i. d.R. derzeit für eine begrenzte Nutzungszeit (z. B. max. 25 Jahre) zugelassen, weswegen ein Brandschutzanstrich keine Anwendung finden sollte.

Foto: shl ingenieure GmbH
Eine übliche konstruktive Lösung ist der Einsatz von Stahl-Beton-Verbundstützen, bei denen der Betonkern im Brandfall die Tragfähigkeit der Stütze sicherstellt, sodass die äußere Stahlhülle der Stahlstütze nicht gesondert brandschutztechnisch geschützt werden muss. Bei dieser Variante kann der Beton und der Stahl nach der Nutzungszeit nur mit einem erhöhten Arbeits- und Energieaufwand sortenrein getrennt werden. Daher war auch diese Lösung vor dem Hintergrund des C2C-Ansatzes an dieser Stelle nicht zielführend.
Eine alternative Möglichkeit die Feuerwiderstandsfähigkeit von 30 Minuten (R30) sicherzustellen bietet die Berücksichtigung der Feuerverzinkung von Stahlbauteilen und damit einen verminderten Eintrag der Wärmestrahlung (reduzierter Emissionsgrad). Dazu musste eine vorhabenbezogene Bauartgenehmigung bei der oberen Bauaufsichtsbehörde erwirkt werden. Neben der zugehörigen statischen Berechnung musste ergänzend ein Gutachten über den Wert der Emissivität von Stahlbauteilen erstellt werden, da dieser je nach Verzinkungskategorie von dem deterministischen Wert ( ε = 0,7) der DIN EN 1993-1-2 abweicht. Im Zuge der Nachweisführung des Feuerwiderstandes für Stahl kann für einen feuerverzinkten Baustahl im Vergleich zu unverzinktem Stahl eine verminderte Emissivität von ε = 0,35 (bis zu einer Bauteiltemperatur von 500° Grad) und ε = 0,7 (ab einer Bauteiltemperatur von 500° Grad) angesetzt werden, wenn die Anforderungen der DASt-Richtlinie 027 [4] erfüllt sind. Die Nachweisführung erfolgt auf der Grundlage der vereinfachten sowie der allgemeinen Bemessungsverfahren des Eurocodes [5]. Als nachteilig können die erhöhten Wandungsdicken der Hohlprofile benannt werden, die bei gleichem Außendurchmesser dicker ausgebildet werden als bei einer Hohlprofil-Stahlstütze, die entweder bekleidet oder durch einen Brandschutzanstrich geschützt wird. Der Vorteil bei dieser Variante ist demgegenüber die sortenreine Verwertbarkeit der Stahlstütze ohne zusätzliche Brandschutzschichten nach der Nutzungsdauer.
Nachteilig wirkt sich der erhöhte Arbeits- und Organisationsaufwand bei der Erwirkung der vorhabenbezogenen Bauartgenehmigung aus, der nicht zu unterschätzen ist. Des Weiteren ist der erhöhte Stahlbedarf als nachteilig zu bewerten, gleichwohl das Einsparen eines Brandschutzanstriches oder einer Brandschutzverkleidung gegenzurechnen ist.
2.3 Aufzugsschacht aus Holz
Der Aufzugsschacht lässt sich problemlos aus Brettschichtholzelementen vorfertigen (über zwei Geschosse durchgehend), die bei Bedarf auch zur Gebäudeaussteifung herangezogen werden können (Bild 5). Da die Vertikallasten der Aufzugsanlagen in der Regel über vertikallastabtragende Führungsschienen in die Sohlplatte eingeleitet werden, wird der Schacht lediglich aus den temporären Montagelasten, ggf. den an der Wand befestigten Motoren und den Horizontallasten bei einer Notbremsung belastet, welche in der Regel verhältnismäßig gering ausfallen. Wird der Aufzugsschacht zur Gebäudeaussteifung genutzt, sind die Anschlüsse des Schachtes an die Aufzugsunterfahrt allerdings deutlich aufwändiger als bei einem Stahlbetonschacht, bei dem sowohl die Zug- als auch Schubkräfte mit wenigen Bewehrungsstäben in die Gründung eingeleitet werden können. Auch die Erstellung der statischen Berechnung des Aufzugsschachtes aus Stahlbeton ist wesentlich unaufwändiger und schneller als bei der Variante aus Brettschichtholz. Bei hohen Zug- und Schubbelastungen der Brettsperrholzwände am Wandfuß werden zahlreiche Verbindungsmittel (z. B. Winkelverbinder) erforderlich (Bild 6). Bei diesem Projekt konnten die Zugkräfte auch mit den leistungsfähigsten Verbundankern nicht in die Sohlplatte eingeleitet werden, da es zu einem Betonausbruch gekommen wäre. Stattdessen mussten Bolzen mit Montagetaschen in der Aufzugsunterfahrt vorgesehen werden, die mit einer Unterlegscheibe und Muttern gegengekontert wurden (Bilder 7 und 8). Diese Anschlussvariante ist für alle Beteiligten (Tragwerksplaner, Holzbauer und Rohbauer) deutlich aufwändiger als im Stahlbetonbau und lässt nur wenig Spielraum für Toleranzen. Bei einem Stahlbetonschacht hätten an den Wandenden Bewehrungsstäbe 3Ø12 mm ausgereicht, um die Zugkräfte in die Gründung einzuleiten.
Der Anschluss der Aufzugsanlage an den Schacht erfolgte nicht über z. B. Halfenschienen, sondern über angeschraubte Stahlplatten, in denen ein Innengewinde eingebohrt wird, um die Bolzen der Aufzugsanlage dort anzuschließen. Darüber hinaus müssen die Holzoberflächen innerhalb des Aufzugsschachts nicht brennbar bekleidet werden (z. B. Brandschutzplatten), was ebenfalls ein Aufwand ist, der bei einem Stahlbeton-Aufzugsschacht entfallen würde.
Die Herstellung eines Aufzugsschachtes in Holzbauweise ist grundsätzlich möglich, erfordert jedoch – abhängig vom Lastabtrag – einen erheblich höheren Aufwand sowie eine detailliertere und präzisere Planung für alle Beteiligten. Der Vorteil liegt in der Einsparung von Beton und der damit einhergehenden CO2 Reduktion.
2.4 Auswahl von Bauweisen und Materialien nach ihren spezifischen Vorteilen
Baubuche (Furnierschichtholz) [6]
Für die Sparren, Stützen und Unterzüge wurde Baubuche verwendet (Bilder 9 und 10). Die Tragfähigkeit von Baubuchenholz (Stütze, Sparren, Unterzug etc.) ist deutlich höher als die von Fichtenholz, was zu kleineren Querschnitten führt. Darüber hinaus ist die Querdrucktragfähigkeit deutlich höher, sodass die Pressungsfläche (Stützen an Unterzüge) des Stützenquerschnitts geringer ausfallen kann. Das führt zu schlankeren Stützen (sofern Knicken ausgeschlossen werden kann) oder es kann auf Querdruckverstärkende Maßnahmen (z. B. Stahlplatten) im Anschlussbereich verzichtet werden. Mit Buchenholz wird ein Holzprodukt eingesetzt, welches bislang vorzugsweise im Möbelbau verwendet wurde. Durch die Verwendung von Buchenholz im Hochbau werden die zum Einsatz kommenden Holzarten diversifiziert. Darüber hinaus wird die Buche in einem Umkreis von max. 150 km zur Produktionsstätte geerntet, was die Transportwege verkürzt.
Als nachteilig kann die Monopolstellung des Herstellers betrachtet werden, da es für den Einsatz von Buchen-Furnierschichtholz für tragende Zwecke in Deutschland derzeit lediglich einen Hersteller gibt, der eine Zulassung für Baubuche (LVL) besitzt. Darüber hinaus wird bei der Herstellung von Furnierschichtholz mehr Leim und deutliche mehr Wasser benötigt als bei der Herstellung von Brettschichtholz aus Fichte. Die Standzeit der Werkzeuge ist aufgrund der hohen Rohdichte bei dem Einsatz in Baubuche geringer. Beispielsweise werden spezielle Bohrer empfohlen, die auch im Gewindegang eine Schneide besitzen. Schrauben müssen vorgebohrt werden, was im Vergleich zu Fichtenholz bei der Verwendung von selbstbohrenden Schrauben oft nicht erforderlich ist. Die Vor- und Nachteile sind demnach immer individuell zu bewerten. Bei diesem Projekt lag der Fokus auf geringen Querschnittsabmessungen, um die Bauhöhe und den Platzbedarf der Konstruktion zu verringern und dem Verzicht auf Verstärkungsmaßnahmen im Auflagerbereich.
Brettsperrholz- und Holztafelbauwände
Aufgrund der großen Räume im Erd- und Obergeschoss sind die wenigen Wände in beiden Geschossen hoch belastet. Die am höchsten belasteten Wände (d = 16 cm) im Gebäudeinneren wurden aus Brettsperrholz hergestellt (Bild 11), da diese eine höhere Tragfähigkeit bei gleichzeitig geringer Wanddicke aufweisen. Die geringer belasteten Außenwände wurden in Holztafelbauweise mit einer C2C zertifizierten Spanplatte und Dämmung ausgebildet (Bild 12). Wenn flächendeckend Brettsperrholzwände eingesetzt würden, wäre der Holzbedarf aus unserer Sicht unnötig hoch. Holztafelbauwände mit geklammerten Plattenwerkstoffen lassen sich aber derzeit noch nicht zerstörungsfrei separieren, daher können Sie nach derzeitigen Erkenntnissen nur als ganzheitliche Wandtafeln wiederverwendet werden. Alternativ besteht neben der thermischen Verwertung (schlechteste Variante) noch die Möglichkeit die Holzbauteile der Holztafelbauwand zu schreddern (nach dem Entfernen von Klebebändern, Dämmung etc.) und die entstehenden Späne in der Industrie weiter zu verwenden (z. B. Spanplattenproduktion). Die letzte Variante ist auch nicht gut aber zumindest weniger schlecht.
2.5 Anschlüsse im Holzbau
Anschluss Dachplatte an Sparren
Die 6 cm dicke Brettsperrholzdachplatte wurde mit Schrauben an den Sparren befestigt, die für die Übertragung der Scheibenkräfte ausgelegt wurden (Bild 13). Es wurde bewusst auf die Ausbildung eines Plattenbalkens verzichtet (Verklebung der Dachplatte mit den Sparren). Die höhere Tragfähigkeit eines Plattenbalkens wird maßgeblich durch die Schubtragfähigkeit und die einhergehende geringe Verformung der Schubfuge zwischen Sparren und Platte beeinflusst, die bei der höchsten zu erzielenden Tragfähigkeit geklebt ausgeführt werden müsste. Da sich verklebte Bauteile nicht zerstörungsfrei separieren lassen, wurde auf diese Ausführung verzichtet. Es lässt sich auch eine Plattenbalkenwirkung mit einer Verschraubung realisieren, die elastischer ist als eine Verklebung. Dafür werden allerdings sehr viele Schrauben benötigt, die aus statischer Sicht nur einen geringen Vorteil gegenüber einer nicht als Gesamtquerschnitt wirkenden Konstruktion bewirkt hätten. Daher wurde auch darauf verzichtet, um so die Schraubenanzahl gering zu halten. Verklebte Plattenbalken hätten zwar zu kleineren Sparrenquerschnitten geführt, die fehlende Separierbarkeit war für uns jedoch ausschlaggebend eine reversible Verbindung zu wählen und auf den verklebten Plattenbalkenquerschnitt zu verzichten.

Foto: MOSAIK Architekten bda
Reversible Anschlüsse stabförmiger Bauteile
Die Anschlüsse von stabförmigen Holzbauteilen wie Sparren, Unterzüge und Stützen wurden ausnahmslos mit reversiblen Schraubenverbindungen und Verbindern ausgeführt. Bei den Sparren wurden bei den ebenengleichen Anschlüssen an Unterzüge und BSP-Wände geschraubte Schwalbenschwanzverbinder mit zusätzlichen Vollgewindeschrauben als Momentenzentrierung vorgesehen (Bilder 14–17).
Der Anschluss der Sparren an die Wandrähme der Außenwände und der aussteifenden BSP-Innenwände wurde ebenengleich ausgebildet und nicht gestapelt . Die gestapelte Ausführung ist in Bezug auf den Sparrenanschluss deutlich unaufwändiger herzustellen, da die Auflagerkräfte über Druck in das Wandrähm eingeleitet werden und lediglich eine Schraube als Lagesicherung erforderlich wird. Bei der ebenengleichen Variante müssen Schwalbenschwanzverbinder eingefräst werden und diese werden dann mit zahlreichen Schrauben an dem Sparren und an dem Wandrähm befestigt. Ob die langen Vollgewindeschrauben nach der Nutzungszeit wieder zurückgebaut werden können, ohne dass diese abbrechen, ist zumindest zu hinterfragen. Sollten die Schrauben brechen ist die in der Theorie angedachte Separierbarkeit in der Praxis nicht ohne Zusatzmaßnahmen umzusetzen. Der Vorteil bei der ebenengleichen Variante liegt jedoch darin, dass die Scheibenkräfte aus der Dachplatte direkt in das Wandrähm der aussteifenden Wände eingeleitet werden können, ohne Schubknaggen mit Schrägverschraubung zwischen den Sparren vorsehen zu müssen. Darüber hinaus müssten die Zwischenräume der Sparren an den Außenwänden bei der gestapelten Variante mit Dämmung und den Plattenwerkstoffen verschlossen werden, was ebenfalls aufgrund der Kleinteiligkeit aufwändig ist. Bei der ebenengleichen Variante kann die Spanplatte zur Herstellung der luftdichten Ebene mit einer durchgehenden Fuge unterhalb der Sparren direkt auf das Wandrähm verklebt werden (vgl. Bild 16).
3 Erfahrungen aus dem Planungsprozess
Für das Planen nach den C2C Prinzipien mit einhergehendem hohem Anspruch die perfekte Lösung zu finden ist derzeit noch zeitaufwändig und erfordert einen hohen Grad an Idealismus und vor allem Durchhaltevermögen. Es steht und fällt mit dem Anspruch aller am Planungsprozess Beteiligten. “Baue ich ein Stück Holz ein“ und bezeichne dies als nachhaltige Bauweise oder versuche ich selbst das kleinste Detail so umweltschonend und praktikabel wie möglich zu konstruieren. Wir haben in der Planungsphase diverse Ansätze verfolgt, um eine umweltschonendere Lösung zu finden, die im Rückblick nicht zum gewünschten Erfolg geführt haben. Wir haben z. B. versucht eine Lehmbauplatte als Brandschutzbekleidung für die Holztafelbauaußenwände (innenseitig) einsetzen zu dürfen. Die Lehmbauplatte ist derzeit nicht als Bestandteil einer Bauart normativ oder durch ein Prüfzeugnis geregelt. Durch die Verwendung der Lehmbauplatte hätten weniger verklebte Spanplatten (oder alternativ Feuerschutzplatten) eingesetzt werden können, da der Brandschutz nach den Regelaufbauten der DIN 4102 nachgewiesen wurde und dort Anforderungen definiert sind, die die Lehmbauplatte noch nicht erfüllt, sondern wie von uns gewählt lediglich dickere Spanplatten eingesetzt werden konnten. So hätte eine dünnere statisch tragende Schicht und eine schützende Schicht (Lehmbauplatte) vorgesehen werden können. Wir haben sondiert, ob es möglich ist, diesen nicht geregelten Aufbau im Brandschutzlabor prüfen zu lassen. Die Telefonkorrespondenz, die Recherche und die zahlreichen Gespräche waren dabei sehr zeitaufwändig. Es stellte sich heraus, dass allein die Brandschutzprüfung der Bauart (gesamter Wandaufbau) einen 6-stelligen Betrag gekostet hätte und der Vorgang 1 bis 1,5 Jahre dauern kann. Für ein einziges und sehr kleines Bauvorhaben ist dies vollkommen unrealistisch und erst recht unwirtschaftlich.
Dieses Beispiel zeigt, was in der Fachwelt schon lange bekannt ist: Aufgabenstellungen lassen sich nur im Einklang mit technischen Richtlinien ingenieurmäßig und rechtssicher lösen. In Deutschland sind wir auf zugelassene, nachhaltige Produkte angewiesen, die oftmals die benötigten Zulassungen nicht besitzen. In diesen Fällen blicken wir oft neidisch auf die Befugnisse der Fachleute aus den Nachbarländern (z. B. Österreich und Schweiz), da denen weitreichendere und eigenverantwortlichere Befugnisse zugesprochen werden, als dies in Deutschland der Fall ist.
Im Zuge des statischen Entwurfs (bis LP3) führen wir Lebenszyklusanalysen der Tragwerksvarianten durch, um die umweltschonendste Lösung zu finden. Dabei ist häufig festzustellen, dass – mit Blick durch die Brille der Nachhaltigkeit – eher auf leistungsfähige und bewehrte Materialien wie z. B. Stahl und Beton verzichtet wird, da deren Öko-Bilanz schlechter ist als die von nachwachsenden Rohstoffen. Es gibt aber derzeit zahlreiche Einsatzgebiete, bei denen wir auf den Einsatz der vermeintlich schlechten Baustoffe nicht verzichten können, da Holz für diesen Einsatz bautechnisch weniger geeignet ist (z. B. Sohlplatten). Das kann nur zu dem Schluss führen, dass das alleinige Bauen mit Holz nicht die allumfassende Lösung sein kann. Die Produktion und die Wiederverwertbarkeit der schlechten Materialien müsste so weit verbessert werden, dass diese Baustoffe bedenkenlos eingesetzt werden können. Das ist insbesondere im Bereich der Betonherstellung noch ein weiter, aber aus unserer Sicht alternativloser, Weg.
Im Rahmen des Projektverlaufs musste immer wieder nachdrücklich Überzeugungsarbeit geleistet werden, damit alle Planungsbeteiligten die C2C Prinzipien umsetzten, vor allem auch dann, wenn es Aufgaben zu lösen galt, bei denen es bereits konventionelle Lösungen gab, die aber nach C2C nicht vertretbar wären. Dieses Ungleichgewicht kann zu Verstimmungen im Planungsteam führen, da der Mehraufwand in der Regel derzeit nicht vergütet wird. Die Erfahrung aus dem Projekt hat gezeigt, dass wir derzeit in Summe lediglich weniger schlecht als wirklich gut bauen können. Es verhält sich eher wie die Schieberegler eines Mischpultes: wenn ein positiver Aspekt den Regler nach oben schiebt, gibt es einen einhergehenden, eher negativen Aspekt, der einen anderen Regler nach unten führt.
Trotz des höheren Arbeitsaufwandes ist das Planen und Bauen nach C2C aus unserer Sicht alternativlos. Wir Planende sind dabei ein kleines Zahnrad der Gesellschaft mit einem großen Hebel, das Bauen in Deutschland umweltschonender zu realisieren.
Bauen wir gemeinsam nachhaltig! Das bedeutet: zahlreiche Herausforderungen! Smarte, kreative, maßgeschneiderte Lösungen entwickeln. Die Extrameile gehen, mit Sackgassen, Umwegen – und ohne unbequem Anzuecken geht es oftmals nicht voran. Nachhaltig bauen ist herausfordernd, für alle Beteiligten. Wir sind überzeugt: Nachhaltiges Bauen zahlt sich aus. Bekanntes auf den Kopf stellen, Herausforderung annehmen und erfolgreich nachhaltig meistern!
Literatur
- https://c2c.ngo/
- https://www.nbau.org/2023/10/18/im-gespraech-mit-michael-braungart/
- https://www.nbau.org/2023/10/18/zirkulaeres-bauen-status-quo-und-perspektiven/
- DASt-Richtlinie 027 zum Brandschutz durch Feuerverzinken
- DIN EN 1993-1-2:2005 + Nationalen Anhang
- https://www.pollmeier.com/de/
Autor:innen
Florian Cappellaro, M.Eng. | Dr.-Ing. Florian Tabeling
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https://shl-ing.com