Vielen Dank für diesen offenen und ehrlichen Erfahrungsbericht, welcher die Herangehensweise beim Planen von Cradle to Cradle inspirierten Gebäuden praxisbezogen aufzeigt. Meinen Respekt an alle Beteiligten für den Mut und das Durchhaltevermögen zu dieser Projektleistung. Beim Lesen des Berichtes habe ich mich häufig in vielen Situationen, die ich selbst in meinem täglichen Alltag erlebe, wiedergefunden. Der Verfasser beschreibt an diesem Praxisbeispiel sehr anschaulich, wie und unter welchen Prämissen Entscheidungen in der Planung nachhaltiger und kreislaufgerechter Gebäude zu treffen sind. In vielen Fällen sind Planungsfragen hinsichtlich der Auswirkungen auf Konstruktionsweisen, Brandschutz, Demontagefähigkeit und Wiederverwendbarkeit, Einfluss auf die CO2-Bilanz und Gesundheit untereinander abzuwägen. Und selbstverständlich stehen Investitions- und Folgekosten bei der Entscheidungsfindung im Vordergrund. Diese komplexen Detailfragen zu beantworten, ist insbesondere beim ersten Projekt sehr aufwendig und erfordert gute Zuarbeit von Experten.
Der Mehraufwand sollte aber nicht dazu führen, dass Verstimmungen im Planungsteam aufkommen. Üblicherweise fällt der Aufwand im Entwurfsstadium an und sollte die Ausführungsplanung wiederum entlasten. Außerdem kann der Planer von diesen Erfahrungen in Folgeprojekten profitieren. Ich stelle in meinen Projekten regelmäßig fest, dass es durchaus für das Planungsteam hochmotivierend ist, wenn die Projektarbeit sinnstiftend ist und einen Beitrag zu Umwelt und Soziales beisteuert. Es setzt allerdings voraus, dass alle Beteiligten, bis hin zum Bauherren, eine aufgeschlossene Haltung dazu haben und ihren Beitrag dazu gewillt sind zu leisten.
Aus meiner über 10-jährigen Erfahrung in der Planung und Realisierung kreislaufgerechter Gebäude kann ich erfreulicherweise feststellen, dass es inzwischen ein sehr breites Angebot an technischen Lösungen gibt, die den Anforderungen an das Cradle to Cradle Prinzip gerecht werden. Die Nachfrage steigt und die Bauwirtschaft hat den Handlungsbedarf erkannt und sieht dabei für sich zusätzliche Geschäftspotenziale. Ich bin der Meinung, dass wir heute bereits in der Lage sind, gute Gebäude – und nicht weniger schlechte – zu konzipieren. Das zeigen auch bereits einige realisierte oder in Bau befindliche Praxisbeispiele. Sicherlich werden wir nicht drumherum kommen, in einigen Fällen schlechtere Materialen (z. B. Beton) in unseren Bauten einzusetzen. Es bedarf dabei intelligenter Ansätze, die den Einsatz von eher schlechten Materialen nur da zulassen, wo es keine Alternative gibt oder idealerweise eine mehrwertstiftende Lösung bietet. Z. B. kann in mehrgeschossigen Gebäuden ein Stahlbetongerüst aus CO2 reduziertem Beton konstruktiv so genutzt werden, dass alle sonstigen Bauteile dadurch keine statische Relevanz haben und somit reversibel sind. Das Gebäude kann somit auf unterschiedliche Nutzerverhalten und Marktveränderungen unkompliziert „reagieren“ und theoretisch für ewig genutzt werden. Holz muss da nicht immer und in allen Fällen das richtige Material sein.
Definitiv brauchen wir mehr von derartigen Projektbeispielen, um daraus Erkenntnisse für unsere künftigen Aufgaben zu gewinnen und um unsere Prozesse und Planungsaufgaben unkomplizierter und effizienter anzugehen. Daher gerne mehr davon!
Autor:in
Dipl.-Ing, Dipl. Wirt.-Ing. Vanja Schneider vschneider@moringa.eco
Gesellschafter der Moringa GmbH, Monheim/Rhein www.moringa.eco