Die Kreislaufwirtschaft im Bausektor gilt als einer der Schlüssel für nachhaltiges Bauen. Auch in Zeiten knapper Lieferketten besteht der praktische Bedarf an der Wieder- und Weiterverwendung von Bauprodukten. Doch die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Wieder- und Weiterverwendung bilden diesen Bedarf derzeit noch nicht ab und behindern dadurch eine echte Kreislaufwirtschaft im Bauwesen.
1 Praktischer Bedarf an der Wieder- und Weiterverwendung
Durch die Wiederverwendung von Bauprodukten werden nicht nur wertvolle Ressourcen geschont, sondern auch CO2 eingespart und Abfall vermieden. Die Wieder- und Weiterverwendung von Bauprodukten findet in der Praxis daher bereits zunehmend statt. Es gibt nicht nur Angebote für Rückbaukonzepte einschließlich der Wieder- und Weiterverwendung von Bauprodukten aus abbruchreifen Bestandsgebäuden, sondern ebenso Miet- oder Leasing-Konzepte für Bauprodukte in Neubauten. Mit der DIN SPEC 91484, die 2023 veröffentlicht wurde, steht auch bereits ein technisches Verfahren zur Erfassung von Bauprodukten als Grundlage für Bewertungen des Anschlussnutzungspotenzials vor Abbruch- und Renovierungsarbeiten (Pre-Demolition-Audit) zur Verfügung.
2 Rechtliche Herausforderungen bei der Wieder- und Weiterverwendung
Der aktuelle Rechtsrahmen bildet den großen praktischen Bedarf an der Wieder- oder Weiterverwendung von Bauprodukten trotz des politischen Willens, diese zu fördern, aktuell nur unzureichend ab. Die erste Herausforderung bei der rechtlichen Einordnung der Wieder- und Weiterverwendung von Bauprodukten besteht darin, dass drei Rechtsgebiete, die sich seit Jahrzehnten unabhängig voneinander entwickelt haben – das Abfall-, das Produkt- und das produktbezogene Bauordnungsrecht –, gedanklich miteinander verknüpft werden müssen. Mit der Trennung der Rechtsgebiete geht häufig nicht nur die Kompetenzverteilung der Behörden einher, sondern auch vorhandene Sachkompetenz in Unternehmen oder sonstigen Einrichtungen. Das Abfallrecht ist ein Teilgebiet des Umweltrechts und entwickelte sich aus den Regelungen, die ursprünglich eine sichere Beseitigung von Abfällen zum Gegenstand hatten. Heute ist ein zentrales Anliegen des Abfallrechts die Vermeidung und Verwertung von Abfällen und damit nach wie vor am Umweltschutz orientiert. Die zentralen Vorschriften des Abfallrechts sind in Deutschland im Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) geregelt, welches die europäische Abfallrahmenrichtlinie in nationales Recht umsetzt. Das Produktrecht hingegen zielte ursprünglich in erster Linie auf die Produktsicherheit. Seit den 1980er-Jahren wurden die Sicherheitsanforderungen an Produkte zunehmend europäisch harmonisiert, um den europäischen Binnenmarkt zu vertiefen. Hier reiht sich auch das spezielle Bauprodukterecht ein, das jedoch aufgrund der Interdependenz von Bauprodukt und Bauwerkssicherheit eine besondere Rolle einnimmt. Während die Regelung der Bauwerkssicherheit nach wie vor den Mitgliedstaaten überlassen ist, regelt der europäische Gesetzgeber die Anforderungen an das Inverkehrbringen von neuen Bauprodukten. Während der europäische Gesetzgeber jedoch nur Anforderungen an ausgewählte Bauprodukte, die sog. harmonisierten Bauprodukte stellt, gilt aufgrund der Landesbauordnungen auf nationaler Ebene ein ähnliches Verfahren für sog. nicht harmonisierte Bauprodukte. Die Regelungen der Bauwerkssicherheit flankieren das Produktrecht insoweit, als sie auf nationaler Ebene qualitative Anforderungen an die Verwendung von Bauprodukten stellen, die vom jeweiligen Verwendungszweck abhängen (produktbezogenes Bauordnungsrecht). So müssen Baustoffe für Wände in Versammlungsstätten bspw. hinsichtlich ihres Brandverhaltens höhere Anforderungen erfüllen als jene für einfache Wände in einem Einfamilienhaus.
2.1 Schwierigkeiten infolge der Abfalleigenschaft ausgebauter Produkte
Das abfallrechtliche Regelungsregime kommt zur Anwendung, wenn gebrauchte Bauprodukte Abfall im Sinne des KrWG geworden sind. Dies hat zur Folge, dass neben den allgemeinen abfallrechtlichen Grundpflichten, wie die Verwertung und Getrennthaltung von Abfällen, ggf. weitere spezifische Vorschriften über die Sammlung und Beförderung oder die Dokumentation zur Anwendung kommen. Der Umgang mit gebrauchten Bauprodukten wird daher deutlich erleichtert, wenn die Abfalleigenschaft der Produkte vermieden werden kann. Ob ein Produkt, ein Bauteil oder ein Material zu Abfall wird, regelt das Abfallrecht abschließend. Der Hauptansatzpunkt zur Vermeidung der Abfalleigenschaft ist, dass das Produkt bzw. das Material mit den gleichen Eigenschaften oder als stoffliche Ressourcenquelle eingesetzt werden kann. Dabei muss der weitere Verwendungszweck jedoch feststehen, bevor das Bauprodukt bzw. das Material ausgebaut wird. Einen wichtigen Beitrag hierzu kann ein Pre-Demolition-Audit leisten, auf dessen Grundlage Verträge geschlossen werden können, welche die Anschlussnutzung bereits vor dem Ausbau regeln. Wer den Bauprodukte bzw. Materialien hingegen ausgebaut, ohne dass die konkrete Anschlussnutzung bereits feststeht, wird es sich bei den ausgebauten Materialien bzw. Produkten regelmäßig um Abfall handeln. Häufig wird die konkrete Anschlussnutzung zum Zeitpunkt des Ausbaus jedoch noch nicht feststehen, weil dies stets voraussetzt, dass die Ergebnisse des Pre-Demolition-Audits bereits im Planungsprozess eines parallel laufenden Bauprojekts ausgewertet wurden und die Beschaffung darauf ausgerichtet wurde.

Quelle: RFCS-Projekt PROGRESS
2.2 Hürden durch produktbezogene Anforderungen
2.2.1 Produktbezogenes Bauordnungsrecht
Das Bauordnungsrecht stellt qualitative Anforderungen an die Verwendung von Bauprodukten. In Deutschland ist das Bauordnungsrecht auf Landesebene in den Landesbauordnungen geregelt. Die Landesbauordnungen werden durch speziellere Rechtsverordnungen (z. B. die Sonderbauverordnungen) sowie durch die Verwaltungsvorschriften Technische Baubestimmungen konkretisiert. Zwar verfügt jedes Bundesland über sein eigenes Bauordnungsrecht, jedoch wird das Bauordnungsrecht der Länder über die Musterbauordnung bzw. die Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen deutschlandweit größtenteils harmonisiert. Die zuvor genannten Mustervorschriften werden in der Bauministerkonferenz abgestimmt und stellen kein geltendes Recht, sondern lediglich eine Vorlage für das Landesrecht dar. Das Bauordnungsrecht der Länder orientiert sich sodann an den Mustervorschriften. Insbesondere die Verwaltungsvorschriften Technische Baubestimmungen sind so angelegt, dass sie Generalklauseln der Landesbauordnungen in technischer Hinsicht ausfüllen und durch ihre regelmäßige Aktualisierung den technischen Fortschritt abbilden. Daraus folgt, dass die qualitativen Anforderungen des Bauordnungsrechts einem stetigen Wandel unterliegen, welche Bauprodukte zum Zeitpunkt ihres Einbaus erfüllen müssen. Die Konzeption von Bauprodukten bzw. Materialien, die aus abbruchreifen Gebäuden stammen, liegt jedoch regelmäßig mehrere Jahrzehnte zurück. Diese Produkte erfüllen daher häufig die qualitativen Anforderungen, die zum Zeitpunkt ihres Einbaus galten, jedoch keine aktuellen Standards. Der Einsatz solcher Bauprodukte, an die aufgrund ihres Verwendungszwecks wenig bis gar keine Anforderungen gestellt werden, ist daher einfacher als der solcher Bauprodukte, deren Anforderungsprofil rechtlich wie technisch komplex ist. Der Einsatz einer schlichten Verbindungstür ohne Anforderung ist bspw. einfacher möglich als eine Tür mit Anforderungen an den Feuerwiderstand und die Rauchdichtigkeit. Doch auch wenn komplexe Anforderungen an die Verwendung gestellt werden, ist der Einsatz eines Bauprodukts möglich, wenn sich die technischen Rahmenbedingungen in den vergangenen Jahren nicht erheblich verändert haben.