Neue Perspektiven. Vom Gemeinderaum zum Großraum. Ein Denkmal im Wandel.

Sanierung und Umbau des ehemaligen evangelischen Gemeindehauses in Bad Kissingen

Die Umnutzung von Kirchen und Gemeindezentren ist eine Herausforderung: Zur Wertschätzung der oft denkmalgeschützten Architektur gesellt sich der Anspruch an eine Nachnutzung, die den Sakralraum würdigt. In diesem Sinne zeigt die Chronologie der Umnutzung des ehemaligen evangelischen Gemeindehauses in Bad Kissingen aus den 1960er-Jahren, wie ein Gebäude mit viel Wertschätzung für die Historie und mit wenig baulicher Veränderung einer neuen Bestimmung zugeführt werden kann und damit der Lebenszyklus erheblich erweitert wird (Bild 1).

1 Erwerb und Erkennen des Denkmalschutzwerts

Daniel Dahinten , Partner von TRAGRAUM Ingenieure, war auf der Suche nach geeigneten Büroräumen für bis zu 15 Mitarbeitende des expandierenden Bürostandorts in Bad Kissingen. Das Ziel war klar: die Räume sollten mit ablesbarer Materialästhetik oder architektonischer Gestaltung Raum für Kreativität bieten und gleichzeitig der flach angelegten Arbeitshierarchie des Unternehmens Rechnung tragen. Dazu war ihm ein Gebäude mit eigener Geschichte im Kontext der Stadt Bad Kissingen wichtig. Die Suche war erfolgreich: 2019 verkaufte die evangelische Gemeinde ihr Gemeindehaus. Da das Gebäude damals noch nicht unter Denkmalschutz stand, gab es von anderen Kaufinteressenten Planungen zu Abriss und Errichtung eines drei- bis viergeschossigen Wohnungsbaus. Doch der damalige Verkäufer entschied sich für die Idee der Umnutzung von Daniel Dahinten und damit für den Erhalt des charaktervollen Gebäudes bzw. die Weiternutzung durch das Ingenieurbüro.

Erste Auseinandersetzungen und Recherchen im Zuge der Planungen machten schnell deutlich, dass es sich um ein Gebäude von bedeutendem historischem Wert handelt. Lediglich das junge Alter des Gebäudes von nicht einmal 60 Jahren hatte offenbar bisher dazu geführt, dass es außerhalb des Fokus des Denkmalamts gewesen war. Die besondere künstlerische Bedeutung, die sich in der Bausubstanz wie auch in der Innenausstattung zeigte, überzeugte auch das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege (BLfD), das für eine Begehung und Bewertung hinzugezogen wurde. Hierbei fiel der sehr gute Substanzerhalt der Konstruktionen, Möbel und Oberflächen nach fast 60 Jahren Nutzung auf. So ging der Zustand nicht über gewöhnliche Gebrauchsspuren hinaus, was auf die robuste Konstruktion sowie die Kalksandsteinoberflächen im Inneren wie im Äußeren zurückzuführen ist. In der Folge wurde das Gebäude im Jahr 2021 unter Denkmalschutz gestellt. Diese besondere Würdigung stellte einen Meilenstein für die weitere Geschichte des Gebäudes und eine Wertschätzung des Vorhandenen dar. Die geplanten Umbaumaßnahmen konnten so von Anfang an unter Berücksichtigung der baukünstlerischen Bedeutung erfolgen.

Allerdings gingen mit dem Denkmalschutz auch ein erhöhter Planungsaufwand und die Notwendigkeit von intensiven Abstimmungen einher. Jeder Schritt wurde zusammen mit den Architekten Schlicht Lamprecht Kern sorgfältig geplant und Vorentwürfe wurden erarbeitet. Bauherr Daniel Dahinten reflektiert diesen Prozess: „Teilweise habe ich mir schon gewünscht, diesen Weg nicht gegangen zu sein. Man hätte viel schneller und einfacher ohne den Abstimmungsaufwand und ohne die entsprechenden Auflagen planen und umbauen können.“ Aber gleichzeitig war er sich dessen bewusst, dass dieser Weg der richtige war, um Geschichte und architektonischen Wert des Gemeindehauses zu bewahren und ein beispielhaftes Statement für Umnutzung zu setzen.

1.1 Raumkontinuum in solider Bausubstanz

Das von dem Münchner Architekten Hans-Busso von Busse bereits bauzeitlich als Gemeindehaus geplante Gebäude wurde in den Jahren 1968/1969 errichtet. Der Architekt entwickelte mit seinem Raumkonzept eine Konglomerat-Architektur , bei der die einzelnen Raum- und Nutzungsbereiche teilweise nahtlos ohne Erschließungsflächen ineinander übergehen. So konnten der große und der kleine Saal, jetzt das Großraumbüro und Küche mit Bar im Erdgeschoss (Bild 2), schon bauzeitlich mit einer Schiebetrennwand getrennt bzw. geöffnet werden.

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