Sartorius Forschungs- und Entwicklungsgebäude

Das erste DGNB-Platin-Laborgebäude

Der Campus des Göttinger Life-Science-Konzerns Sartorius erreicht mit dem aktuellen Baustein für Forschung und Entwicklung eine neue Dimension der Nachhaltigkeit (Bild 1). Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) zeichnet das Gebäude mit dem Platin-Zertifikat aus, erstmals vergeben für ein Laborgebäude (DGNB-LAB 20). Die Konstruktion setzt Maßstäbe in Sachen Holz-Hybridbau und das Energiekonzept beinhaltet Niedersachsens größtes Geothermiefeld. Der Niedersächsische Holzbaupreis und die Nominierung zum Niedersächsischen Staatspreis Architektur würdigen das ambitionierte Projekt.

1 Bestandssituation

Sartorius hat den bestehenden Standort der Konzernzentrale in Göttingen in den letzten zwölf Jahren erheblich weiterentwickelt. Auf Grundlage der Masterplanung von Bünemann & Collegen aus Hannover entstanden für das 25 ha große Gelände neben neuen Gebäuden für Produktion und Verwaltung auch ein multifunktionales Forum mit Konferenzzentrum, Demonstrationslaboren und Betriebsrestaurant sowie ein Betriebskindergarten. Ein neues Erschließungskonzept mit Parkhaus und dezentraler Logistik ermöglicht intensiv gestaltete Außenanlagen mit dem Fokus auf Aufenthaltsqualität und Biodiversität. Der Gebäudebestand wird sinnvoll integriert, umgenutzt und saniert. Weitere Baufelder bieten Reserven für eine Verdichtung und strukturiertes Wachstum (Bild 2).

Der Forschungsneubau arrondiert nun den Konzerncampus im Norden und bildet die Visitenkarte für Besuchende und Mitarbeitende, die von der Autobahn A7 kommen. Im Gebäude werden verschiedene Forschungsflächen mit dem Schwerpunkt Biotechnologie zusammengeführt. Zur Förderung der Kommunikation ist der Bestand über gläserne Brücken an weitere Forschungsgebäude im Süden angeschlossen (Bild 3). Der kubische Baukörper wird in den Obergeschossen durch großzügige Einschnitte proportioniert, so entstehen üppig begrünte Dachgärten. Eine wellenförmige Aluminium-Doppelfassade mit kontrastreichem Wechsel zeichnet die Geschossigkeit nach und spiegelt die Dynamik der Forschungsprozesse im Inneren. Der Neubau setzt die zentrale Campusidee fort, die Unternehmenswerte Nachhaltigkeit, Offenheit und Freude in der Corporate Architecture sicht- und erlebbar werden zu lassen.

2 Architektur und Nutzungskonzept

Auf vier oberirdischen Geschossen mit 260 Arbeitsplätzen sind Technikum, Labore und Büros verortet. Die großformatigen Einschnitte der Obergeschosse ermöglichen optimal belichtete Arbeitsplätze bis in die Grundrisstiefe des kompakten Volumens. Ein Atrium über alle Geschosse bildet mit gläsernem Dach, Besprechungsräumen, Pausenzonen, Innenraumbegrünung und einer zentralen Treppenskulptur den lichtdurchfluteten Mittelpunkt des Gebäudes.

Der in Materialwahl und Energiekonzept innovative Entwurf ist mit nutzungsneutralen Grundrissen, modularem Ausbauraster und sichtbarer Technikführung äußerst wandlungsfähig konzipiert (Bild 4). Eine besondere Rolle nimmt der Einsatz von Holz im Verbund mit Stahl und Stahlbeton ein. Das Holz wird in Stützen, Decken und tragenden Fassadeninnenseiten sichtbar verwendet und unterstützt die atmosphärische Leichtigkeit der Räume. Sämtliche Forschungsflächen in den Obergeschossen gruppieren sich um das offene Atrium. Durch die zentrische Anordnung sind die Wege im Gebäude kurz und es erfolgt ein enger Austausch zwischen den Mitarbeitenden. Trotz der hohen technischen Anforderungen wurden die Forschungsflächen als Schaufenster zum Atrium transparent gestaltet und präsentieren somit ihre Forschungsinhalte Besuchenden und Kunden (Bild 5).

Schwerpunkt der Nutzung ist die Entwicklung kundennaher Projekte für Bioreaktoren und Produkte für die Rückhaltung und Überwachung von biologischen Gefahrstoffen. Das Technikum im Erdgeschoss verfügt über Projektflächen für das Aufstellen und Betreiben von Bioreaktoren bis 2000 l Inhalt. Die Labore wurden gemäß Biostoffverordnung und Gentechnik-Sicherheitsverordnung – GenTSV 1 und 2 ausgebaut.

3 Nachhaltigkeit und Energiekonzept

Die Planung und der Bau des Laborgebäudes erfolgten im interdisziplinären Team mit integralem Planungsansatz, um höchsten Ansprüchen an nachhaltiges Bauen gerecht zu werden. Die Bauleistungen wurden in Einzelvergaben erbracht und durch die Wahl der Holz-Hybridkonstruktion konnten ca. 80 % CO 2 gegenüber herkömmlicher Bauweise in Stahlbeton eingespart werden (Bild 6). Zudem wurde der Neubau ressourcenschonend, d. h. ohne zusätzlich versiegelte Flächen, auf einem vormaligen Parkplatz errichtet. Weitere Beispiele für die Nachhaltigkeit des Projekts sind die hohe Anpassungsfähigkeit des modularen Innenausbaus, der weitgehende Verzicht auf Innenverkleidungen von Wänden und Decken, die Sammlung des Regenwassers über ein Retentions­becken und die intensive Begrünung der Außenräume mit Augenmerk auf Biodiversität (Bild 7).

Die Grundlage des Energiekonzepts bildet die hohe energetische Qualität der Gebäudehülle, die selbst das Anforderungsniveau eines KfW-Effizienzhauses 40 noch unterschreitet. Die Fensterflächen der außenliegenden Fassaden und die verglasten Fassaden der Innenhöfe sorgen für eine gute Tageslichtversorgung. Externe Sonnenschutzeinrichtungen und Sonnenschutzverglasungen begrenzen die sommerliche Erwärmung des Gebäudes bereits durch bauliche Maßnahmen. Insgesamt schafft die hohe energetische Qualität der Gebäudehülle die Voraussetzungen für eine effiziente Energieversorgung mit begrenztem Energieeinsatz. Das Energieversorgungskonzept sieht eine Kombination verschiedener aufeinander abgestimmter Wärme- und Kälteerzeugungsanlagen vor (Bild 8).

Die zentrale Komponente bildet eine Geothermieanlage mit Sole-Wasser-Wärmepumpe und Erdsondenfeld als Wärmequelle. Das Erdsondenfeld umfasst 90 Sonden mit einer Tiefe von jeweils 160 m, also insgesamt 14.400 Sondenmeter. Die Geothermieanlage deckt die Grundlast des Wärme- und Kältebedarfs. Zur Spitzenlastdeckung im Kühlfall sieht das Konzept eine Absorptions kältemaschine vor, die von einem Erdgas-Blockheizkraftwerk angetrieben wird. Dieses deckt darüber hinaus die Spitzenlast des Wärmebedarfs. Der von dem Blockheizkraftwerk erzeugte Strom wird vollständig im Gebäude selbst genutzt. Die Wärme- und Kälteversorgungsanlage des Gebäudes ist zudem an das bestehende Energieversorgungsnetz des Campus gekoppelt. Das Netz dient sowohl als Puffer für die Einspeisung überschüssiger Energie als auch als Back-up für die Energieentnahme im Spitzenlastfall. Im Auslegungsfall deckt die Geothermieanlage jeweils rd. 70 % des Wärme- und Kältebedarfs des Gebäudes. Damit werden bereits die aktuellen – zum Zeitpunkt der Gebäudeplanung noch nicht geltenden – gesetzlichen Anforderungen an den Einsatz erneuerbarer Energien in Energieversorgungsanlagen erfüllt. Der bisherige Gebäudebetrieb, der bereits eine Wärme- und Kälteperiode umfasst, hat jedoch gezeigt, dass der Wärme- und Kältebedarf derzeit zu 100 % durch die Geothermieanlage gedeckt ist, also durch eine im Sinne der Zielvorgaben im Gebäudesektor vollständig erneuerbare Energieversorgung gedeckt werden kann.

4 Tragwerkskonzept

Das Qualitätsbewusstsein und die Innovationskraft des Unternehmens sollten sich auch in Gestaltung und Technik des Gebäudes widerspiegeln. Eine besondere Rolle nimmt der Einsatz von Holz in einer neuartigen Verbundkonstruktion aus Holz, Stahl­beton und Stahl ein (Bild 9). Das Gebäude integriert flexibel anpassbare Labor- und Büronutzungsbereiche und enthält im Erdgeschoss ein Technikum mit hohen Nutzlasten. Es besteht aus einem viergeschossigen, aufgrund der Nutzungsanforderungen von Lagerflächen vollständig unterkellerten Baukörper mit einem vorgelagerten unterirdischen Sprinklertank sowie zwei Verbindungsbrücken, die zu einem südlich gelegenen Bestandsgebäude führen. Die Geschosse werden in Holz-Beton-Hybridbauweise ausgeführt. Das Stützenraster von 7,20 m × 7,20 m erfüllt die Anforderungen der Nutzungsflexibilität und ergibt eine Konstruk­tion aus 2,4 m breiten, gut transportierbaren Elementen.

Die Geschossdecken werden von 24 cm starken Brettsperrholzplatten mit einer 12 cm starken Ortbetonschicht als Verbund­querschnitt gebildet. Die Holz-Betonverbunddecken spannen im Regelfall über 7,20 m und liegen auf deckengleichen Stahlverbundträgern auf. Der Verbund zwischen Holz und Beton wird im Wesentlichen über Kerven in den Massivholzelementen realisiert. Diese liegen direkt auf dem Unterflansch der Stahlverbundträger (System Peikko) auf. Die so entwickelte Flachdecke trägt hohe Nutzlasten und erfüllt die Anforderung maximaler Flexibilität bei der technischen Installation. Das geringe Gewicht der Bauteile, der hohe Genauigkeitsgrad der Holz- und Stahlbauteile sowie deren Anfangstragfähigkeit sorgten für einen reibungslosen und schnellen Baufortschritt. Die in einem Guss aufgebrachte Ortbetonschicht bildet zusammen mit den Treppenkernen das räumliche Aussteifungssystem, wirkt als Druckzone für die Holz-Betonverbunddecken und die Stahlverbundträger und schafft durch ihre Masse und Formschlüssigkeit wichtige Beiträge zum Schallschutz, Schwingungsschutz und zur Rauchdichtheit. Die über 6,25 m hohen Stützen werden je nach Beanspruchungsgrad aus Brettschichtholz oder BauBuche ausgeführt. Die Festigkeit der BauBuche-Stützen GL75 liegt deutlich über der Festigkeit des ­Kon­struktionsbetons. Entsprechende Details zur Lasteinleitung wurden entwickelt (Bild 10). Es werden Nutzlasten von 3,0 kN/m² bis 12,5 kN/m² vorgesehen, wobei durch die Art der Nutzung z. T. erhebliche Lastanteile überwiegend unter der Decke angehängt werden. Für die Holz-Betonverbunddecken wurde eine vorhabenbezogene Bauartgenehmigung erwirkt.

Die vorgehängte und für Wartungszwecke betretbar geplante Fassade wird an den tragenden Brüstungen aus Brettsperrholz befestigt. Sie umfasst im 3. Obergeschoss auch Außenbereiche für die Aufstellung der Geräte der technischen Gebäudeausrüstung. Dort wird die Fassade durch eine ringbalkenartige Stahlkonstruktion gestützt. Im Atrium erfolgt die zentrale Erschließung durch eine als Faltwerk konstruierte Stahltreppe. Die Verbindungsbrücken Tube und Skywalk im 1. bzw. 2. Obergeschoss werden als eigenständig gegründete Stahlkonstruktionen ausgeführt. Teilweise geben sie ihre Vertikallasten auf den dem Gebäude vorgelagerten Sprinklertank ab. Horizontale Lasten aus Wind und Personengang werden in das Laborgebäude geleitet. Das hochwertig genutzte Untergeschoss wird als WU-Konstruktion mit Zusatzmaßnahmen ausgeführt und von einer punktgestützten Stahlbetonflachdecke überspannt. Die Gebäudelasten werden über eine durchgehende Stahlbetonsohlplatte mit einer Stärke von 70 cm in den Baugrund eingeleitet, die über einem Feld von Geothermiesonden errichtet wurde.


Autor:innen

Prof. Dr. Ing. Martin Speth, martin.speth@drewes-speth.de
DREWES + SPETH, Hannover
www.drewes-speth.de

Dr. Stefan Janßen, info@j-ep.de
janßen energieplanung, Hannover
www.j-ep.de

Dipl.-Ing. Arch. Christian Rathmann, info@buenemann-collegen.de

Bünemann & Collegen, Hannover
www.buenemann-collegen.de

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