Bundeskabinett beschließt Änderung des Baugesetzbuchs
Vergangene Woche hat das Bundeskabinett den sogenannten Bau-Turbo, also die Novelle des Baugesetzbuchs (insbesondere § 246e BauGB) verabschiedet. Die neue Bundesbauministerin Verena Hubertz greift dabei im Kern auf eine Vorlage der Ampel-Koalition zurück. Der Bundestag muss noch zustimmen.
Der Bau-Turbo sieht konkret folgendes vor:
- Als weitgehende Flexibilisierung für den Wohnungsbau wird – als Experimentierklausel – die Einführung eines neuen § 246e BauGB vorgeschlagen. Dieser ermöglicht, befristet bis 31. Dezember 2030, Abweichungen vom Planungsrecht für Vorhaben, die der Schaffung von Wohnraum dienen.
- Die Möglichkeiten des § 31 Absatz 3 BauGB, zugunsten des Wohnungsbaus Abweichungen vom Bebauungsplan zuzulassen, soll deutlich erweitert werden.
- Im unbeplanten Innenbereich sollen Abweichungen vom Einfügungsgebot mit dem neuen § 34 Absatz 3b im Einzelfall und bei mehreren vergleichbaren Gebäuden möglich werden.
- Die Regelungen nach § 201a BauGB zur Bestimmung von Gebieten mit einem angespannten Wohnungsmarkt und nach § 250 BauGB zur Bildung von Wohnungseigentum in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten sollen jeweils um fünf Jahre verlängert werden.
- Die Möglichkeiten einer einzelfallgerechten und rechtssicheren Lösung von Lärmkonflikten im Rahmen der Bauleitplanung, insbesondere bei der Ausweisung zusätzlicher Wohnbauflächen, sollen gestärkt werden. Bei Aufstellung eines Bebauungsplans sollen in begründeten Fällen Abweichungen von der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA-Lärm) möglich sein.
Positionen zum Bau-Turbo
Die Bundesarchitektenkammer (BAK) sieht die geplanten Regelungen zu §246e ohne Baugebot als falsche Anreize für kurzsichtige Bauentscheidungen. Schneller und kostengünstiger Wohnungsbau ginge mit weniger Vorschriften, wie der Gebäudetyp E vorschlägt. Besonders fatal sei, dass die Mindestzahl von sechs Wohnungen bei Wohnungsneubau im Außenbereich nicht mehr im Gesetzesentwurf steht. Mehr …
Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) sieht ebenso im § 246e falsche Anreize für das Bauen auf der grünen Wiese. Es sei einseitig und gefährlich, den Neubau so stark zu bevorzugen. Der Entwurf ziele auf vereinfachte Genehmigungen – unabhängig vom tatsächlichen Wohnungsbedarf. Damit drohe ein massiver Flächenverbrauch während Leerstände und Aufstockung im Bestand ungenutzt blieben. Der NABU fordert Innenentwicklung und sozial-ökologische Wohnraumförderung im Bestand. Mehr …
Architects for Future Deutschland sieht die weitrechenden Abweichungsmöglichkeiten vom geltenden Planungsrecht oder die Umgehung bauleitplanerischer Verfahren kritisch. Damit gebe es eine Entwicklung weg von planvoller Steuerung hin zu Einzelfallentscheidungen. Dem Entwurf fehlten konkrete Schritte zum klimagerechten Bauen, zur strukturellen Klimaanpassung oder einer gemeinwohlorientierten Klimapolitik. Mehr …

Quelle: Thorsten Scherz
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert den vorgeschlagenen § 246e BauGB, weil die Planungsbeschleunigung auf Kosten von Umwelt, Mitbestimmung und nachhaltiger Stadtentwicklung erfolge. Statt Neubau auf der grünen Wiese fordert die DUH eine Sanierungsoffensive und einen Umbau-Turbo. Mehr …
Der Deutsche Städtetag will Bauen schneller ermöglichen, insbesondere in den Groß- und Universitätsstädten. Deshalb sei es ein gutes Vorhaben, für den Wohnungsbau vom bisherigen Planungsrecht deutlich abweichen zu können. Auf diesen Flächen könnten neue Wohnungen gebaut, aber auch Gewerbeflächen für Wohnzwecke umgenutzt oder neue Grünflächen entstehen. Der Bau-Turbo dürfe nur mit Zustimmung der Gemeinden eingesetzt werden. Mehr …
Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) begrüßt § 246e und die damit mögliche Abweichung von Bebauungsplänen, weil dann neue Wohnungsbauprojekte schneller und einfacher genehmigt werden könnten und ebenso Innenverdichtung und Aufstockung. Zur wichtigen Reduzierung der Baukosten verweist der HDB auf die Harmonisierung der 16 Landesbauordnungen, die Reduzierung der Gebäudeanforderungen und das Vergaberecht. Mehr …
Die Bundesingenieurkammer (BIngK) unterstützt ausdrücklich den Bau-Turbo. Das Vertrauen der Bevölkerung in die Handlungsfähigkeit des Staates in den Bereichen Wohnungswesen und Infrastruktur sei zurückzugewinnen. Es brauche jedoch zusätzlich ein Umdenken im Bauwesen, verlässliche finanzielle Rahmenbedingungen und den politischen Willen zu Reformen bei Bund und Ländern. Mehr …
Der Zentrale Immobilienausschuss (ZIA) sieht den Bau-Turbo als wichtigen ersten Schritt und fordert in einem Bau-Turbo 2 weitere Maßnahmen wie eine Absenkung von Baustandards. Mehr …
Einschätzung von nbau Chefredakteur Dr. Bernhard Hauke zum Bau-Turbo

Es ist evident: in den Ballungsgebieten gibt es Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Ein Verweis auf den Leerstand, insbesondere in den strukturschwachen Regionen, ist für viele Wohnungssuchende nur bedingt hilfreich. Inzwischen ist auch im öffentlichen Bewusstsein angekommen, dass Bauplanung und Bauausführung vergleichsweise kleine, zeitliche Hürden darstellen- wirklich Zeit benötigen die behördlichen Planungs- und Genehmigungsprozesse. Dass hier Abhilfe geschaffen wird, findet breitere Zustimmung und ist ein relevanter Aspekt der sozialen Nachhaltigkeit. Wie das konkret aussehen soll, wird von diversen Akteur:innen lebhaft diskutiert, siehe oben. So sehe ich das:
- Der Bau-Turbo ist, wie ursprünglich vorgesehen, nur zur überwiegenden Innenentwicklung in angespannten Wohnungsmärkten sinnvoll. Die bundesweite Anwendung schafft falsche Anreize für nicht erforderlichen Neubau ohne längerfristigen Bedarf.
- Der Bau-Turbo in der aktuellen Fassung wird überwiegend zu Neubau im Außenbereich führen und damit weiter zu Zersiedelung und Versiegelung sowie zu steigenden Infrastrukturkosten für die Kommunen beitragen. Besser wäre mehr Umbau-, Aufstockungs- und Sanierungs-Turbo im Innenbereich.
- Wirklich fatal ist, dass die ursprünglich vorgesehene Mindestzahl von sechs Wohnungen bei Neubau im Außenbereich weggefallen ist. Damit sind weiter ausufernde Siedlungen mit Einfamilien- und Doppelhäusern wahrscheinlich. Gleichzeitig werden viele Einfamilienhäuser nur von wenigen Personen bewohnt und stehen dem Markt in den kommenden Jahren sukzessive wieder zur Verfügung. Hier werden für den schnellen politischen Erfolg Wertminderung, Leerstand und Zersiedelung billigend in Kauf genommen.
- Der Bau-Turbo sollte dringend ergänzt werden: um Vorgaben zu klimagerechtem Bauen, zum Erhalt grauer Energie, zur Biodiversität sowie zur Klimaresilienz und der Stärkung der blau-grünen Infrastruktur.
- Die Bauministerin kündigt an, die Wohnungsbaukosten auf 2.500 bis 3.000 Euro/m² senken zu wollen. Hierbei müssen jedoch zusätzlich die Grundstückskosten berücksichtigt werden sowie die für die Kommunen nicht unerheblichen Infrastrukturkosten (zumindest bei der Außenentwicklung).
- Für bezahlbaren Wohnungsneubau gibt es keine Universallösung wie Serielles Bauen. Auch hier muss sich die Politik den Mühen der Ebene stellen und neben dem Bürokratieabbau und Verfahrensbeschleunigung Themen wie Gebäudetyp E oder Hamburg-Standard vorantreiben.
Lesen Sie hierzu auch: Im Gespräch mit Tim-Oliver Müller, Elisabeth Broermann und Andrea Bitter – Wie weiter mit (Um)bauen und Klimaschutz?