Er baute am Haus der Natur 

Zum Tod von Hubert Weinzierl  

Er hat mit allen Kräften am Haus der Natur gebaut: Im Juni starb Hubert Weinzierl, Umweltschützer und ehemaliger Vorsitzender des BUND, im Alter von 89 Jahren. Den heutigen Aktivist:innen der Klima- und Umweltpolitik ist er kaum noch bekannt. Das ist bedauerlich, weil sich der gegenwärtige Rollback des Klimaschutzes wohl nur mittels Anleihen bei großen Führungspersonen aufhalten lässt. Zu ihnen gehörte Hubert Weinzierl

Das Haus der Natur – Nationalparks und Artenvielfalt 

Das Haus der Natur – das war für Hubert Weinzierl die Einrichtung von Nationalparks, die Wiedereinbürgerung von Biber, Luchs und Wildkatze, die Erhaltung der freifließenden Donauschleifen. Zum Haus der Natur gehörten für ihn auch die Menschen mit ihren Verbindungen zum Weiher, zum Wald und zum Boden.  
Deshalb hatte er auch den Kampf gegen unmenschliche Megaprojekte wie die nukleare Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf und den Rhein-Main-Donau-Kanal auf seiner Agenda. Seine Heimat war der Frühlingsduft der Linde, der zarte Schneereif und der uralte Karpfen in seinem Hausteich (ich glaube, er nannte ihn Sebastian). Beim Erbauen dachte Weinzierl nicht an Asphalt und Beton, sondern an das, was fehlt, wenn der Stein überhand nimmt: die Natur. 

Die Verbindung des Menschen zur Natur als Basis 

Weinzierl war ein Ökopionier mit Vision und Anliegen, Hoffnung und – ja, auch – Resignation. Ich habe Hubert als Mitglied im Rat für Nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung 2001 kennen und schätzen gelernt. Er war dem Mainstream des Umweltdenkens immer einen Schritt voraus. Er rief das Thema Ökologie auf – mit Konrad Lorenz, Bernhard Grzimek, Otto König und Wolfgang Haber gründete er 1974 die Gruppe Ökologie – und setzte einen notwendigen Gegenpunkt zum vorwiegend technisch und sektoral verstandenen Umweltschutz.  
Er machte den Umwelt-, Friedens- und Entwicklungsbewegungen immer wieder Mut zum Multilateralismus und – wie er es nannte – „weltfamiliärem Denken“ als es Rollbacks und gehässige Gegenbewegungen gab. Die gab es nämlich früher auch schon, und Trump ist weder ein Einzelfall, noch sonderlich originell. Gegen Rückschläge und die um sich greifende, naturvergessene Technikeuphorie betonte Weinzierl die politische Bedeutung von Kunst, Kultur und Poesie und dass man das Erfühlen der Natur wieder erlernen kann. Gegen das erstarrte, dürre Denken in Freund-Feind-Schemata beharrte Weinzierl darauf, dass jeder Mensch zunächst erkennen muss, was er selbst wert ist, bevor er und sie die Natur lieben kann und zu guten Verhandlungskompromissen fähig ist. 

Kleine Schritte für die Natur 

Perfektionismus war nicht seine Sache, weil für die Natur auch der kleine Fortschritt zählt und man nicht warten darf bis der große Fortschritt erreicht sein mag. “Vollzeitheiligkeit” – sein Begriff – strebte er nicht an. Weinzierl bezeichnete sich voller Selbstbewusstsein und Stolz als Teilzeitheiligen, der Dinge realisiert bekommt und für den Visionen nicht zwischen Buchdeckel gehören, sondern als Anleitung für konkretes Handel dienen. Dass es dabei zu Fehlern und Unzulänglichkeiten kommen kann, war für ihn eine Selbstverständlichkeit.  

Heimat als Vision 

Der Nachhaltigkeitsbewegung hat Weinzierl ein positives Bild von Heimat geschenkt, das bis dahin durch Deutschtümelei und rechtsextreme Losungen verbaut war. Nationalparks sind die Schatzkammern dieser Heimat. Die Nachwelt wird uns auch nicht nach der Dichte des Straßennetzes, sondern nach dem Netzwerk des Lebens fragen – wie er wieder und wieder betonte. 

Ihm ging es bei Heimat um die Energie des Lebendigen, um Wärme und den behutsamen Umgang mit der Schöpfung in einem universellen Ansatz. Weinzierl lebte Zukunftslust und Zukunftspolitik zwischen Hühnerstall und Reichstag (so der Titel seiner Autobiographie). 

Seine Haltung strahlte eine Ruhe aus, die der Berliner Politik so fremd ist und so gut täte. Er war ein Aktivist, der aktivierte. Ein Bewegter, der bewegen konnte, weil er zu beidem fähig war: Zum poetischen Naturempfinden und zur politischen Barrikade.  

Der Aktivist Hubert Weinzierl hatte die Kraft, Ökologie und Lebensklugheit, Naturwissenschaft und Kunst sich tastend berühren zu lassen. Und Menschen damit zu berühren.
Das ist etwas Besonderes. Es ist wert, neu entdeckt zu werden. 


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