Garagenaufstockungen Karlsruhe

Kreislaufgerechtes Wohnen auf dem Bestand

Im Karlsruher Stadtteil Rintheim wurden durch die Aufstockung von drei Garagenanlagen zwölf Wohneinheiten mit zusammen 535 m² Wohnfläche geschaffen (Bild 1). Die Aufstockungen sind als kreislaufgerechte und versetzbare Konstruktionen ausgeführt. Dies war durch eine Förderung des Landes Baden-Württemberg als Leuchtturmprojekt der Wohnraumoffensive BW möglich. Das Projekt verfolgt auf drei Ebenen einen kreislaufgerechten bzw. ressourcenschonenden Ansatz: Auf Ebene der Stadt ist dies die Nachverdichtung ohne Versiegelung neuer Flächen, auf Ebene des Gebäudes ist dies die Möglichkeit des Versetzens, falls eine weitergehende Verdichtung stattfindet, und auf Ebene von Bauelementen, Bauteilen und Materialien sind dies die Möglichkeiten der Demontage und sortenreinen Trennung (einschließlich Urban Mining), damit ein möglichst großer Anteil derselbigen in technische und biologische Kreisläufe geführt werden kann.

1 Die Idee – Wohnen auf dem Bestand

Das Projekt befindet sich im sog. Rintheimer Feld, einer räumlich und funktional zusammenhängenden Nachkriegssiedlung mit einer Fläche von ca. 1,3 km² und ca. 2300 Einwohnern. Die Planung nutzt die knappen Spielräume des Bebauungsplans aus dem Jahr 1958 zur Nachverdichtung der Siedlung. Die drei nahezu bau­gleichen Anlagen der Aufstockungen (Bild 2) bestehen jeweils aus drei Einzimmerwohnungen mit ca. 36 m² Wohnfläche (Bild 3) und einer Zwei-/Dreizimmerwohnung mit ca. 70 m² Wohnfläche (Bild 4). Die Wohnungen einer Anlage sind über eine Außentreppe und ein laubengangähnliches Erschließungssystem, das teils in die Bauvolumen eingezogen ist, zugänglich (Bilder 5–7). Dieser halböffentliche Raum unterstützt auch die nachbarschaftlichen Begegnungen und damit die Entstehung einer sozialen Kleinstruktur. Die Garagen werden nach wie vor durch die bisherigen Mieterinnen und Mieter als Stellplätze genutzt, für die Aufstockungen mussten entsprechend LBO BW § 37 (3) keine neuen Stellplätze nachgewiesen werden.

  • Bild 3 Eingangsbereich Einzimmerwohnung
  • Bild 3 Eingangsbereich Einzimmerwohnung
  • Bild 4 Wohnbereich Dreizimmerwohnung
  • Bild 5 Außenansicht
  • Bild 6 Außenansicht

Die Aufstockungen sind in Holzständerbauweise ausgeführt, die Metallhaut aus Titanzink ist eine Folge von Brandschutzanforderungen, beantwortet aber auch die Frage, wie ein Holzbau in der Nachkriegssiedlung Ausdruck finden kann. Die Dachlandschaft ist aus den Raumfunktionen der Wohnungen entwickelt: niedrig im Bereich der Bäder und Küchen, hoch im Bereich der Wohnräume, sodass trotz der geringen Fläche der Wohnungen ein großzügiges Raumgefühl entsteht (Bild 8). Die Dachlandschaft schafft aber auch einen Bezug zu den umgebenden Gebäuden mit ihren Satteldächern und gibt dem Projekt einen selbstbewussten und differenzierten Ausdruck. Im Rahmen des Projekts wurden auch überdachte Fahrradstellplätze, ein Waschsalon und Müllräume zur gemeinschaftlichen Nutzung durch die Bewohner der Aufstockungen und des Bestands geschaffen.

Der Holzbau wurde in hohem Maße im Werk als 2D-Elemente (Boden-, Wand- und Dachelemente) vorgefertigt, was auch den werkseitigen Einbau von Fenstern, Sonnenschutz, Installationsebene mit Elektrokabel etc. einschließt. Die Größe der Elemente richtet sich nach den Möglichkeiten des Transports. Der Holzbau wurde auf einen Rost aus Stahlträgern gesetzt, welcher der Lastverteilung dient (Bild 9). Die Vergabe des Holzbaus erfolgte auf Grundlage einer vorgezogenen Vergabe (Basis Leistungsphase 3+) als Dichte Hülle, d. h. mit Fenstern, Sonnenschutz, Abdichtungen etc.

  • Bild 7 Laubengang
  • Bild 8 Schnitt
  • Bild 9 Baustellenbild Unterkonstruktion auf Bestand

2 Innerstädtische Nachverdichtung – Vorgeschichte

Im Jahr 2017 hat Falk Schneemann Architektur (FSA) mit dem Konzept der innerstädtischen Nachverdichtung auf bereits vorhandenen Garagenanlagen einen Ideenwettbewerb gewonnen. Das Konzept wurde im Wettbewerb an einem 120 m langen Garagenriegel angewendet, der zu einer Zeilenbebauung aus der Nachkriegszeit gehört, wobei eine bauliche Umsetzung zunächst unrealistisch erschien. Die grundlegende Idee ist, dass Wohnraum dort geschaffen wird, wo Raumressourcen vorhanden sind, deren Aktivierung hinsichtlich Belichtung und Privatsphäre verträglich erscheint. Außerdem kann auf die Versiegelung neuer Flächen verzichtet werden. Durch die Nachverdichtung wird ein Beitrag dazu geleistet, das Flächenwachstum der Stadt zu reduzieren. Die Stadt wird im positiven Sinne kompakter und dichter, was das Modell der 15-Minuten-Stadt befördert. Dass Garagenanlagen, die sich prinzipiell für eine solche Aufstockung eignen, in unseren Städten in großer Zahl vorhanden sind, bestätigen Alltagserfahrungen.

Weiterlesen mit nbau. Nachhaltig Bauen Abonnement | Registrierung & LoginAbonnieren

Jobs

ähnliche Beiträge

Long-Lasting Real Estate 

Welche Faktoren tragen zum Abbruch von Bestandsgebäuden bei? Die Auswertung umfangreicher Datenerhebungen im Rahmen dieser Forschungsarbeit beantwortet diese Frage.

Globale Perspektive auf Biodiversität

Umfassender Report von PwC Deutschland zeigt die Relevanz von Biodiversität für die Immobilienwirtshaft auf.

Bau-Turbo besser ohne Gießkanne 

Was meint die Baubranche zu den Änderungen des Baugesetzbuches, das vom Bundeskabinett verabschiedet wurde?