Gebäudestatistische Auswertung: Wie ist Deutschland gebaut?
Ökobilanzen von Gebäuden werden nach festgelegten Vorgaben und Regeln erstellt und dienen u. a. der lebenszyklusbasierten Aussage über gebäudebezogene Treibhausgasemissionen. Grundvoraussetzung ist dabei die Berechnung für den vollständigen Gebäudelebenszyklus, welcher die Phasen Herstellung, Errichtung, Nutzung und Ende des Lebenszyklus vom Gebäude beinhaltet. Darüber hinaus werden mögliche Belastungen und Gutschriften außerhalb der Systemgrenze im sog. Modul D berücksichtigt. Der Betrachtungszeitraum beträgt bei Wohngebäuden i. d. R. 50 Jahre. Gebäude werden jedoch für einen deutlich längeren Zeitraum als für 50 Jahre gebaut und etliche Bauweisen weisen eine Nutzungsdauer vom zwei- oder mehrfachen Wert des Betrachtungszeitraums auf. Daher wird die Länge des angesetzten Betrachtungszeitraums für Gebäudeökobilanzen in Fachkreisen häufiger infrage gestellt. Ziel der Diskussion ist oftmals die Anpassung des Betrachtungszeitraums an die tatsächliche Nutzungs- bzw. Lebensdauer der Wohngebäude. Um eine wissenschaftliche Basis für derartige Diskussionen zu schaffen, wurde eine Studie beauftragt, die zunächst den Status quo abbilden sollte. Ziel war die Ermittlung von anteiligen Bauweisen nach Baualtersklassen in Deutschland. Dieser Beitrag fasst die entscheidenden Studienergebnisse zusammen, erläutert aber auch die zugrunde liegende Methode.
1 Einleitung und Motivation
Das Thema Ökobilanzierung i. V. m. Treibhausgasemissionen (kurz THG) im Gebäudebereich ist heute sowohl in der Sanierungs- als auch in der Neubauplanung nicht mehr wegzudenken. Doch es ist noch gar nicht so lange her, dass diese Themenbereiche nicht so präsent bei allen am Bau Beteiligten waren. Diesen Aufschwung verdanken wir u. a. den Entwicklungen in der europäischen und nationalen Klimapolitik, welche zur Beschleunigung einer Umsetzung auch die nationale Förderpolitik seit dem Jahr 2021 auf mehr Klimawirksamkeit und Einsparung von THG-Emissionen ausgerichtet hat.
Die Methode der Ökobilanzierung (Life Cycle Assessment, LCA) wird durch die Normen DIN EN ISO 14040 [1] und DIN EN ISO 14044 [2] beschrieben. Die ökologische Betrachtung von Bauprodukten erfolgt mit zusätzlichen Rahmenbedingungen, die durch die DIN EN 15804 [3] gegeben sind. Gebäudeökobilanzen sind normgerecht nach DIN EN 15978 [4] zu berechnen und für den vollständigen Gebäudelebenszyklus durchzuführen. Der Betrachtungshorizont für Gebäudeökobilanzen ist im Rahmen der Nachhaltigkeitszertifizierung und der förderpolitischen Rechenregeln nach dem Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude (QNG) in Deutschland auf 50 Jahre festgelegt. Aus dem Verhältnis der Gebäudenutzungsdauer und der technischen Nutzungsdauer eines (Bau-)Produkts ergibt sich die Austauschhäufigkeit im Gebäudelebenszyklus, welche für die Bilanzierung in der BBSR-Nutzungsdauertabelle [5] aufgeführt ist. Für gebäudebezogene THG-Emissionen ist ein 50-jähriger Betrachtungszeitraum deutlich zu kurz angesetzt, wenn man bedenkt, dass Gebäude – und hier v. a. Wohngebäude – für weitaus längere Zeiträume und für mehrere Generationen errichtet werden. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass Bauweisen, welche v. a. in der Herstellung der Materialien für die tragenden Konstruktionen hohe Treibhausgasemissionen sowie eine lange technische Nutzungsdauer aufweisen, den Vorteil ihrer Langlebigkeit ökologisch nicht ausspielen können. Die festgelegte Berechnungsmethode schneidet nach Ablauf der 50 Jahre ab und geht von einem anschließenden Abriss des Gebäudes aus. Dies hat zur Folge, dass die verwendeten Ressourcen, die im Gebäude bzw. in dessen Konstruktionen gebunden sind, nicht gleichmäßig auf die Anzahl der tatsächlichen Nutzungsjahre, sondern gemäß Vorschrift lediglich auf die Gebäudenutzungsdauer von 50 Jahren verteilt werden. Man könnte hier also von einem ökologischen Restwert sprechen.
Die politische Ausrichtung favorisiert die effiziente und nachhaltige Nutzung von vorhandenen Ressourcen und die Kreislauffähigkeit von Gebäuden bzw. der verbauten (Bau-)Produkte. Im Fachjargon wird dies mit dem Prinzip Cradle to Cradle bezeichnet. Die aktuelle Berechnungsmethode für eine LCA von Gebäuden impliziert jedoch vielmehr eine Cradle-to-Grave-Systematik. Somit wird vielmehr eine Lenkungswirkung hin zu kurzlebigen, rückbaufähigen Bauweisen entfaltet.
2 Zielsetzung der Kurzstudie zum Anteil der Ziegelgebäude über die Baualtersklassen des deutschen Gebäudebestands
Die in der Einleitung beschriebene Problematik betrifft v. a. massive, mineralische Bauweisen wie die Ziegelbauweise, welche sich nachweislich über Jahrhunderte bewährt hat. Um den wissenschaftlichen Grundstein für eine angemessene Berücksichtigung langlebiger Bauweisen zu schaffen, wurde im Auftrag des Bundesverbands der Deutschen Ziegelindustrie e. V. im Sommer 2023 durch das Forschungsinstitut für Wärmeschutz e. V. (FIW) eine Studie erarbeitet [6] . Ziel dieser Studie war es, den Anteil der Ziegelbauweise für den Gebäudebestand in Deutschland für einen möglichst langen Zeitraum zu ermitteln. Zusätzlich sollte dieser Anteil möglichst nach Baualtersklassen ähnlich den bereits existierenden Klassen für die energetische Gebäudequalität [7] dargestellt werden.