Lebenszyklusanalyse und parametrischer ­Raumentwurf

Stand der Technik und Ausblick

Für die Erstellung von Ökobilanzen im Hinblick auf das Global Warming Potential (CO2-Emissionen) stehen Architekten und Ingenieuren verschiedene Möglichkeiten zur Auswahl. Die einfachste Methode ist die Verknüpfung der Massen der Bauteile mit ihren spezifischen Kohlenstofffaktoren aus der Herstellung. Zur Flexibilisierung des Entwurfsprozesses, der Ermöglichung einer hohen Diversität der Baukonstruktion und einer kreislaufgerechten Entwicklung eines Gebäudeentwurfs erweist sich der Einsatz von parametrisch gesteuerten Datenmodellen als notwendig. Dabei kann es sich um Bauteilkataloge, Geometriemodelle von Regelgeschossen oder Gesamtbaukörper handeln. Eine weitere Option ist der Einsatz von Vordimensionierungswerkzeugen, die das GWP einer Struktur allein über die Angabe weniger globaler Eigenschaften wie Kubatur, Nutzungsklasse, Bauweise etc. ermitteln. Der Beitrag stellt die einzelnen Ansätze vor und gibt einen Ausblick zu Möglichkeiten und Herausforderungen einer kontinuierlichen GWP-Evaluierung im gesamten Prozess eines Gebäudeentwurfs.

1 Einführung

Für das Erreichen eines neuen planetaren Gleichgewichts spielt das Bauen eine entscheidende Rolle. Die drei wesentlichen Parameter sind dabei die umfassende Reduktion des Materialverbrauchs, des Müllaufkommens und der Energie, die Herstellung und Betrieb von Gebäuden und Infrastrukturen verursachen. Die mit dem Bau und Betrieb von Gebäuden verbundene Energie wird grundsätzlich in zwei Komponenten unterschieden: graue Energie (embodied energy) und Betriebsenergie (operational energy). Bei einem energieeffizienten Neubau beträgt der Anteil der grauen Energie etwa 50 % des Energieverbrauchs im Lebenszyklus eines Gebäudes (Bild 1).

Bild 1 Anteil des embodied carbon, also der CO2-Äquivalente, die die Herstellung eines Gebäudes beinhaltet, gegenüber den CO2-Äquivalenten, die der Betrieb des Gebäudes verursacht – Grundlage der Abbildung sind die Analysen von sechs Neubauten energieeffizienter Gebäude [1]

Aufgrund des aktuell sehr hohen Anteils fossiler Brennstoffe in der Energieerzeugung stehen graue Energie und Betriebsenergie im direkten Zusammenhang mit den für den Klimanotstand maßgeblich verantwortlichen CO2-Emissionen. Hinzu kommen Kohlenstoffemissionen, die durch chemische Prozesse in der Herstellung von Baumaterialien wie Zement verursacht werden.

Um die exponentielle Entwicklung der Klimakrise im Bauwesen zu beeinflussen, hat die schnelle Reduktion der Treibhausgasemissionen in Herstellung und Betrieb von Infrastrukturen und Gebäuden höchste Priorität. Treibhausgase verfügen über ein unterschiedliches Erderwärmungspotenzial oder Treibhauspotenzial, das sog. Global Warming Potential (GWP). Das GWP wird in CO2-Äquivalenten angegeben. Es ist eine Maßzahl für den relativen Beitrag von Treibhausgasen zur globalen Erwärmung über einen bestimmten Zeitraum (i. d. R. 100 Jahre). Es gibt also an, wie viel eine bestimmte Masse eines Treibhausgases im Vergleich zur gleichen Masse CO2 zum Treibhauseffekt beiträgt.

Entsprechend der Differenzierung zwischen grauer Energie und Betriebsenergie werden auch die Treibhausgasemissionen in zwei Gruppen unterteilt. Unter dem Begriff verkörperter Kohlenstoff (embodied carbon) werden alle Emissionen, die bei der Materialgewinnung, der Herstellung, dem Transport zur Baustelle, dem Bau etc. freigesetzt werden, zusammengefasst und unter dem Begriff operativer Kohlenstoff (operational carbon) alle Emissionen, die durch den Betrieb von Gebäuden und Infrastrukturen anfallen.

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