Luftdichtheit in Bestandsgebäuden: So können Energieverluste vermieden werden

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Eine Information für Gebäudeeigentümer:innen

Die Stadt Karlsruhe hat mit den EnergieQuartieren ein beispiel­haftes Projekt als Maßnahme des Karlsruher Klimaschutzkonzepts 2030 realisiert: Für jedes Quartier wird ein Konzept entwickelt, das den Istzustand der Gebäude erfasst sowie Maßnahmen zur energetischen Sanierung und den Einsatz erneuerbarer Energien beinhaltet. Das Besondere: Die Stadt bietet allen interessierten Bewohner:innen der EnergieQuartiere kostenfreie Basis-Energie­beratungen sowie Thermografie- und Luftdichtigkeitsmessungen durch zertifizierte Energieberater:innen an. Jede Beratung wird individuell durchgeführt und baut auf dem aktuellen energetischen Zustand des jeweiligen Gebäudes auf. Im Auftrag der Stadt Karlsruhe leitet die Karlsruher Energie- und Klimaschutzagentur (KEK) dieses Projekt in Kooperation mit dem Stadtplanungsamt, den Stadtwerken und den jeweiligen Ortsverwaltungen.

Lüften ist wichtig. Pro Person sind 30 m³ Frischluft/h angemessen. Eine kontrollierte Lüftung kann durch manuelles Fensteröffnen oder mittels Lüftungsanlage erfolgen. Die Gebäudehülle ist in einem gewissen Maße auch durch vorhandene Fugen und Ritzen luftdurchlässig. Sind jedoch zu viele Undichtheiten in der Gebäudehülle vorhanden, entstehen ungewollte zusätzliche Lüftungswärme- bzw. Energieverluste.

Luftdichtheitsqualitäten in Bestandsgebäuden stehen im Zuge der Klimakrise und Verteuerung von Energiepreisen heute deutlich stärker im Fokus. Die luftdichte Gebäudehülle wird mit dem Blower­Door-Test geprüft. Für die Messung wird ein BlowerDoor-Ventilator in eine Außentür des Gebäudes eingesetzt. Alle weiteren Außentüren und Fenster werden geschlossen, alle Innentüren des Gebäudes bleiben geöffnet. Für die BlowerDoor-Messungen in den Karlsruher EnergieQuartieren wurde das 1-Punkt-Messverfahren bei Überdruck gewählt. Dazu wird mithilfe des BlowerDoor-Ventilators kontinuierlich so viel Luft in das Gebäude geblasen, dass ein nicht spürbarer Überdruck von 50 Pa im Gebäude erzeugt wird. Während des Gebäuderundgangs wird geprüft, ob alle Öffnungen auch bei Überdruck geschlossen bleiben. Stichpunktartig werden ggf. einige Leckagen lokalisiert. Die Luftwechselrate n50 gibt Aufschluss darüber, wie oft die Luft im gesamten Gebäude unter Prüfbedingungen ausgetauscht wird.

Die Luftdichtheit im Gebäudebestand wurde in Deutschland bislang kaum untersucht. Einen Anfang mit einer ersten größeren Untersuchungsreihe hat die Karlsruher Energie- und Klimaschutzagentur (KEK) in den letzten Monaten unter Leitung von Dr. Bernd Gewiese gemacht. Bei 23 Bestandsgebäuden wurde der Dichtheitskennwert bzw. die Luftwechselrate n50 mittels BlowerDoor-Messung bestimmt. Ein niedriger n50-Wert (z. B. n50 = 0,6/h) bedeutet, das Gebäude verfügt über eine sehr gute Luftdichtheit. Ein hoher n50-Wert (z. B. n50 = 9/h) bedeutet, dass das Gebäude sehr luftdurchlässig ist und dadurch einen erhöhten Energieverbrauch sowie Mängel beim Wohnkomfort aufweist.

Bild 3 zeigt die 23 Messergebnisse jeweils als blauen Punkt. Der jeweilige n50-Wert wird links abgelesen, die zusätzlichen unnötigen bzw. vermeidbaren Lüftungsenergieverluste unten. Die Spannbreite der gemessenen n50-Werte beträgt 1,0–11,4 Luftwechsel/h. Bei zehn der 23 Gebäude beträgt die Luftwechselrate n50 ≤ 3,0/h, der normgerechte Grenzwert für Gebäude mit Fensterlüftung (n50 ≤ 3,0/h) wurde erreicht. Dieser ist im Diagramm in Bild 3 rot markiert, ebenfalls der dazugehörige zusätzliche Lüftungswärmeverlust von 12 kWh/m² Wohnfläche im Jahr.

Werden Messwerte n50 > 3,0/h ermittelt, sollten die Ursachen für die vorhandenen Undichtheiten genauer untersucht und behoben werden.

Die ungefähre rechnerische Energieeinsparung kann aus dem Diagramm in Bild 3 abgeschätzt werden, indem die Differenz zwischen Messwert und geschätztem Zielwert gebildet wird. Beträgt der Messwert n50 bspw. 8,1/h, ergibt sich daraus ein zusätzlicher vermeidbarer Lüftungswärmeverlust von 32 kWh/m²a. Wird die Luftwechselrate verbessert und der Zielwert von n50 ≤ 3 Luftwechsel/h erreicht, verringert sich der geschätzte Energieverlust auf 32 – 12 = 20 kWh/m²a.

Hinzu kommt, dass nach einer Abdichtungsmaßnahme von einer verbesserten Behaglichkeit im Gebäude ausgegangen werden kann. Angemerkt sei, dass Luftdichtheit nur eine Komponente bei den Heizwärmeverbräuchen darstellt. Die Effektivität der Heizungsanlage und der Zustand der Dämmung spielen ggf. eine noch bedeutendere Rolle bei den Heizenergieverbräuchen.

Bei den Messungen in den Karlsruher EnergieQuartieren wurde festgestellt, dass die meisten und auch größten Leckagen aus Undichtheiten in den oberen Geschossdecken resultierten. Bei einem der geprüften und bereits sanierten Altbauten konnten Risse in Holzbrettern und Balken für die erhöhte Luftwechselrate verantwortlich gemacht werden. Bei einem gemessenen Luftwechsel von 10/h folgt aus dem Diagramm ein zusätzlicher Luftwärmeverlust von 40 – 12 = 28 kWh/m²a. Beträgt die Wohnungsgröße 100 m² Wohnfläche, ergeben sich daraus 2800 kWh/a. Bei einem Gaspreis von 0,24 €/kWh entstehen durch das undichte Gebäude zusätzliche Heizkosten in Höhe von 672 €/Jahr. Dies macht deutlich, warum insbesondere auch im Bestandsbau eine Abdichtung des Gebäudes lohnend ist und sich im Geldbeutel positiv bemerkbar macht.

Auch wenn der Grenzwert für Neubauten n50 ≤ 3,0/h eingehalten wird, kann es sinnvoll sein, unerwünschte Undichtheiten in der Gebäudehülle zu verschließen, um bspw. die Behaglichkeit oder den Schallschutz zu verbessern. Oft reicht schon ein geringer Aufwand, um die Luftdichtheit zu optimieren. Als Beispiel seien Zugerscheinungen an Fenstern genannt, die möglicherweise mit einer verbesserten Einstellung der Fensterflügel oder dem Austausch von Dichtungen abgestellt werden können.

Vor Sanierungen ist die Prüfung der Gebäudeluftdichtheit unbedingt zu empfehlen, um für die Sanierung eine funktionale Luftdichtheitsebene besser planen und ausführen zu können.


Glossar

n50 Luftwechsel/h bei 50 Pa Prüfdruck (= norm­gerech­ter Prüfdruck bei BlowerDoor-Messungen)
50 Pa entspricht einem Differenzdruck von 5 kg/m², das ist ein geringer Differenzdruck. Zum Vergleich: Bei einem starken Sturm werden häufig 100 Pa und mehr erreicht.

n50 = 0,6/h Gebäudeluftvolumen wird unter Prüfbedingungen pro Stunde 0,6-mal ausgetauscht

Normgrenzwert der Luftdichtheit für

  • Neubauten mit Fensterlüftung: n50 ≤ 3,0/h
  • Gebäude mit Lüftungsanlage: n50 ≤ 1,5/h
  • Passivhäuser: n50 ≤ 0,6/h
    Für bestehende Altbauten gibt es noch keine normativen Anforderungen. Im Falle einer umfassenden Gebäudesanierung wird empfohlen, den Grenzwert für Neubauten einzuhalten (WTA Merkblatt 6-9).

www.luftdicht.info

www.kek-karlsruhe.de/projekte/karlsruher-energiequartiere

www.blowerdoor.de


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