Lichthof Farm – Vertical Farming in urbanen Strukturen

Ein Dachgewächshaus in Köln Ehrenfeld

Auf einem bestehenden Wohngebäude in Köln Ehrenfeld wird ein ca. 80 m2 großes Gewächshaus entstehen, in dem Anwohnende zur Selbstversorgung Vertical-Farming-Anlagen betreiben wollen (Bild 1). Das gemeinschaftliche Projekt zwischen der Technischen Hochschule Köln und dem Eigentümer und Architekten Thomas Michael soll einen Ansatz liefern, wie eine klimafreundliche, innovative Nahrungsmittelproduktion der Zukunft aussehen könnte und welche Rolle bestehende urbane Räume hierbei einnehmen.

1 Ausgangslage

1.1 Ausdehnung urbaner Räume

In den letzten Jahrzehnten hat die Urbanisierung zu einer stetigen Ausdehnung der Städte geführt, während gleichzeitig landwirtschaftliche Flächen schrumpfen [1]. Infolge zunehmender Bebauung werden Bodenflächen versiegelt, was den Verlust von Ackerland und natürlichen Ressourcen bedeutet. Dies hat direkte Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Produktion und die Verfügbarkeit von lokal produzierten Lebensmitteln.

Darüber hinaus werden viele urbane Räume ineffizient genutzt. Es gibt zahlreiche Beispiele für ungenutzte oder vernachlässigte Flächen in Städten, die ein Potenzial für landwirtschaftliche Nutzung oder Grünflächen bieten könnten.

Die Folgen dieser Entwicklungen sind vielfältig. Die Abhängigkeit von importierten Lebensmitteln und die hiermit verbundenen Emissionen für Transport und Lagerung steigen. Zusätzlich wird die Lebensmittelversorgungssicherheit durch lange Lieferketten gefährdet.

Um die Herausforderungen anzugehen, gewinnt die Förderung regionaler und saisonaler Lebensmittelerzeugung an Bedeutung. Lösungsansätze bieten Raum- und Städteplanungen, welche eine effiziente und nachhaltige Nutzung urbaner Räume bereits in frühen Planungsphasen berücksichtigen. Als Beispiel dient die Inte­gration von urbaner Landwirtschaft, vertikalem Anbau und Gemeinschaftsgärten.

1.2 Urbane Lebensmittelversorgung – Vertical Farming

Vertical Farming ist eine Methode der landwirtschaftlichen Produktion, bei der Pflanzen in vertikalen Schichten in einem kontrollierten Umfeld wachsen. Vertical Farming stellt eine innovative Lösung für die Herausforderungen der konventionellen Landwirtschaft dar. Aspekte wie die schwindenden Ackerflächen, die Notwendigkeit für eine nachhaltige Pflanzenzucht oder sich ändernde klimatische Bedingungen können mit der Methode effektiv bewältigt werden. Durch eine vertikale Anordnung der Pflanzen können auf begrenztem Raum mehr Nahrungsmittel produziert und Transportwege reduziert werden. Besonders vor dem Hintergrund des stetig steigenden Bedarfs an lokalen Lebensmitteln bietet die Methode einen reizvollen Lösungsansatz. Der Anbau in überdachten Gewächshäusern ermöglicht zudem die ganzjährige Produktion von Gemüse und Obst, spart Wasser und verringert den Einsatz von Pestiziden.

Hydroponik – Anzucht ohne Erde

Hydroponik bezeichnet eine Technik im Pflanzenanbau, bei der Pflanzen in einer wasserbasierten Nährstofflösung ohne Erde wachsen. Durch präzise abgestimmte Steuerung der Wasser- und Nährstoffzufuhr wird für ein optimales Wachstum der Pflanzen gesorgt. Da sich das Wasser bei hydroponischen Systemen in einem geschlossenen Kreislauf befindet, können bis zu 90 % Wasser eingespart werden [2]. Besonders in Gebieten mit begrenzten Wasserressourcen und in Anbetracht der stetig schwindenden weltweiten Süßwasservorräte bietet die Methode hier große Vorteile. Durch die optimalen Wachstumsbedingungen sind die Pflanzen weniger anfällig gegen Schädlinge und Krankheiten, der Einsatz von Herbiziden und Pestiziden wird reduziert.

2 Lichthof Farm

2.1 Konzept

Der Kölner Stadtteil Ehrenfeld ist seit Jahren vom Strukturwandel geprägt. Durch die hohe Nachfrage nach Wohnraum wurden in der jüngeren Vergangenheit viele ehemals gewerblich genutzte Flächen für Wohnnutzungen umgewidmet.

Das entstehende Gewächshaus ist als Teil eines übergeordneten Projekts mit dem Titel Lichthof zu verstehen. Das Lichthof-Projekt umfasst neben dem Bau des Gewächshauses auch eine kürzlich fertiggestellte Mehrgeschossbebauung an der Lichtstraße sowie die Neugestaltung und Renaturierung des offenen Innenhofs (Bild 2).

Initiator des Projekts ist der Architekt Thomas Michael. Er fungiert als Auftraggeber und Bauherr und ist mit seiner Planungsgesellschaft hauptverantwortlich für die Gestaltung des Areals. Mit dem Projekt verfolgt er seine Idee einer „bunt gemischten Wohn- und Lebensgemeinschaft, die sich durch warmherziges Für- und Miteinander auszeichnet“. Die Planung ist geprägt von der Philosophie, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Privatsphäre und Raum für soziale Interaktion zu schaffen. „Alle Menschen sollen sich in ihren Lebensentwürfen frei entfalten und auf eigene Weise in die Gemeinschaft des Lichthofs einbringen“, so Michael.

In diesen Kontext ist auch das geplante Gewächshaus einzuordnen. Es soll als besondere Begegnungsstätte genutzt werden und die Anwohnenden für gemeinschaftliche Projekte begeistern. „Im Fokus stehen nicht der kommerzielle Nutzen und der maximale Ertrag. Vielmehr geht es darum, Gefallen an der Eigenerzeugung und -verwertung von Nahrungsmitteln zu finden und als positives Beispiel für nachhaltige, innovative Nahrungsmittelproduktion in urbanen Räumen voranzugehen.“

Unter regelmäßiger Anleitung sollen die Anwohnenden die Vertical-Farming-Anlagen bedienen und sämtliche Schritte der Pflanzenanzucht bis hin zur Ernte umsetzen (Bild 3). Zudem soll die Lichthof Farm als Pionierprojekt für Forschungszwecke und Besichtigungen dienen.

2.2 Umsetzung

Planung der Gewächshauskonstruktion

Bei dem ca. 87 m2 großen Gewächshaus handelt es sich um eine Aufstockung eines Bestandsgebäudes (Bild 4), das ursprünglich als Industriegebäude genutzt wurde. Mittlerweile wurde das Gebäude in eine Wohnnutzung überführt. Eine statische Untersuchung des Gebäudebestands hat ergeben, dass für den Bau des Gewächshauses auf der Dachfläche keinerlei zusätzliche Ertüchtigungen vonnöten sind. Der bereits vorhandene Ringbalken auf dem Dach des Bestandsgebäudes dient als Grundlage für die ­Errichtung des Gewächshauses. Geplant ist eine tragende Struktur aus Konstruktionsvollholz als Skelettbauweise mit einem feuchtebeständigen, weißen Anstrich. Die hellen Oberflächen sollen zu einer optimalen Tageslichtverteilung beitragen.

Bei sämtlichen Materialien und Verbindungen wurde ein besonderes Augenmerk auf die Rückbau- und Recycelbarkeit gelegt. So sollen kraftschlüssige Verbindungen nahezu ausschließlich durch Verschrauben, Stecken oder Klemmen erfolgen und die verbauten Produkte eine hohe Materialhomogenität aufweisen. Eine ausführliche Material- und Produktdokumentation soll zudem die Demontage und Entsorgung erleichtern. 

Bei der Wahl des Konstruktionsmaterials hat sich das Planungsteam für Holz entschieden, da es als nachwachsender Rohstoff mit guten Recyclingeigenschaften eine bessere Klimabilanz aufweist als alternative Materialien wie Stahl. Zudem verfügt es über ein geringeres Eigengewicht und ist leichter verarbeitbar. 

Um das Gewächshaus ganzjährig nutzen zu können, werden für die Außenfassade wärmeisolierende und recycelbare Polycarbonat-Doppelstegplatten mit Einfassungen aus Aluminiumprofilen verwendet. 

Sämtliche Versorgungsleitungen verlaufen im Bodenzwischenbereich zwischen dem Bestandsdach und dem Gewächshaus. Um bei technischen Problemen eine schnelle Fehlerbehebung zu gewährleisten, wird ein Systemboden mit revisionierbaren Platten für das Gewächshaus vorgesehen. 

Das Gewächshaus ist durch eine nichttragende Trennwand in zwei Nutzungsbereiche unterteilt (Bilder 5, 6). Der 24 m² große Eingangsbereich dient der Voranzucht der Pflanzen. Im hinteren Teil findet sich der Hauptanzuchtbereich mit den Vertical-Farming-Systemen wieder. Auf ca. 63 m² Fläche sind vier Vertical-Farming-Systeme geplant. Zur Steigerung der Ertragszahlen besteht die Möglichkeit, den bestehenden Anzuchtbereich um eine zweite Ebene zu erweitern. Da diese zweite Ebene tendenziell im Widerspruch zur gleichmäßigen Tageslichtverteilung stünde und mit einem erhöhten Energiebedarf für zusätzliche Beleuchtung einhergehen würde, wurde sie zunächst für die Planung verworfen. 

Planung der hydroponischen Anlagen

Das wesentliche Gerüst der Vertical-Farming-Systeme bilden Vierkant-Aluprofile. Realisiert in Form eines einfachen Stecksystems ergeben sich somit vier in den Maßen identische Rahmen. Aufgrund ihres Aufbaus werden die Systeme auch als A-Frames bezeichnet. Der Flächenbedarf eines A-Frames beträgt rd. 5 m². In der Höhe misst die Konstruktion ca. 2 m. Jeder A-Frame ist mit jeweils zehn Pflanzrinnen versehen, wobei immer fünf Ebenen pro Seite angeordnet sind. Innerhalb der Rinnen der Rahmenkon­struktion findet die Nährstofffilmtechnik (NFT) Anwendung (Bild 7). Hierbei wachsen die Pflanzen in flachen Kanälen. Ein Nährstoff-Wassergemisch wird zyklisch durch die Kanäle gepumpt und gelangt über die Wurzeln zu den Pflanzen. Die Technik eignet sich ideal für schnell wachsende und flachwurzelnde Pflanzen mit kurzer Lebensdauer, bspw. Salate, Blattgemüse und Kräuter.

An der Unterkante jeder Pflanzrinne sind LED-Leuchtmittel angebracht, welche bei Bedarf für eine ausreichende Beleuchtung der Pflanzen sorgen. Die oberste Ebene wird durch die am First angebrachte Deckenbeleuchtung versorgt. Durch die Abstände von 0,75 m zwischen den A-Frames ist eine ausreichende Begehbarkeit und Bedienbarkeit der Systeme gegeben (Bild 8).

Gebäudetechnik

Anfallendes Regenwasser wird über das Gewächshausdach und umliegende Dachflächen in einer unterirdischen Regenzisterne aufgefangen und für die Bewässerung im Gewächshaus genutzt. Das gefilterte Regenwasser eignet sich durch den neutralen PH-Wert und geringen Kalkgehalt optimal für hydroponische Systeme. Das periodisch auszuwechselnde Wasser der Hydroponiksysteme mit noch enthaltenen Düngerresten wird zentral gesammelt und für umliegende Bepflanzung im Außenbereich verwendet. Für ideale Wachstumsbedingungen im Gewächshaus sorgt ein Klimacomputer.

Durch kontinuierliche Messung der Innen- und Außentemperatur, Luftfeuchte und Lichteinstrahlung werden motorgesteuerte Lüftungsklappen, ein Umluftventilator und die LED-Beleuchtung nach Bedarf angesteuert (Bilder 9, 10). Mithilfe der am First angeordneten Lüftungsklappen werden Temperatur und Luftfeuchtigkeit angepasst, während der Umluftventilator für eine gleichmäßige Luftverteilung sorgt und angestaute Hitze und Feuchtigkeit verhindert.

Um ganzjährig Pflanzen anziehen zu können, wird im Winter eine Innentemperatur von mindestens 5 °C angestrebt. Das Gewächshaus nutzt dabei die Abwärme der darunterliegenden Wohnungen, um einen Teil der benötigten Wärmelast abzudecken, und reduziert gleichzeitig die Wärmeverluste der Dachflächen. Der restliche Wärmebedarf wird durch Abwärme der LED-Pflanzbeleuchtung und bei Bedarf mit einer zuschaltbaren Fernwärmeheizung bereitgestellt. Um den Pflanzen selbst in der kalten Jahreszeit optimale Wachstumsbedingungen zu ermöglichen, kann die LED-Beleuchtung hinzugeschaltet werden.

Dank des hohen Wirkungsgrads und der Langlebigkeit sind LED-Lampen die nachhaltigste Form der künstlichen Beleuchtung. Das Licht wird bei kleiner Sonneneinstrahlung bedarfsgerecht durch die Klimasteuerung angeschaltet und verlängert den Wachstumszyklus der Pflanzen. Hierdurch können ein höherer Ernteertrag und eine saisonübergreifende Ernte gewährleistet werden.

Photovoltaik

Das Projekt setzt auf klimaneutrale Stromversorgung, indem es semitransparente, bauwerksintegrierte Photovoltaikmodule mit einem Transparenzgrad von 51 % auf dem Dach des Gewächshauses vorsieht (Bild 11). Diese BiPV-Module ermöglichen es, den Strombedarf des Betriebs durch die Sonnenenergie bilanziell zu decken. Der wesentliche Vorteil der semitransparenten Module liegt darin, dass natürliches Tageslicht weiterhin ins Innere des Gewächshauses gelangt. Die Südausrichtung der Photovoltaikmodule gewährleistet eine optimale Nutzung der Sonneneinstrahlung. Mit dieser innovativen Lösung wird nicht nur der Strombedarf des Gewächshauses nahezu vollständig klimaneutral gedeckt, sondern auch ein Beitrag zur Energiewende geleistet. Recherchen und Simulationen haben gezeigt, dass die Belegung der nach Süden ausgerichteten Dachfläche die sinnvollste Kon­stellation aus Ertrag, Verschattung, Lichteinfall und nicht zuletzt auch Wirtschaftlichkeit darstellt.

3 Ergebnisse im Überblick

Einen Überblick über die Ergebnisse zeigt Bild 12.

4 Ausblick

Die Fertigstellung des Gewächshauses mit seinen hydroponischen Systemen soll bis Mitte 2024 erfolgen. Inwiefern die Anzucht der Pflanzen in einer gemeinschaftlichen Initiative gelingt und welche Anpassungen an dem Konzept gemacht werden müssen, wird sich im Laufe der nächsten Jahre zeigen.

Der Umgang der Bewohnenden mit den hydroponischen Systemen und dem Anbau von lokalen Lebensmitteln soll in Zukunft weiterhin in enger Zusammenarbeit mit der Technischen Hochschule Köln erforscht und stetig optimiert werden.

Durch den Bau des Dachgewächshauses ergibt sich hinsichtlich der Skalierbarkeit ein weiterer Forschungsschwerpunkt. So könnten Forschungsprojekte in Zukunft u.a. die Frage thematisieren, ob und in welchem Ausmaß weitere ungenutzte Dachflächen in Stadtgebieten vorhanden sind und inwiefern sie sich aufgrund ihrer Statik für die lokale Lebensmittelversorgung eignen.


Literatur

  1. Bundesamt für Umwelt (2022) Die wichtigsten Flächennutzungen [online]. Dessau-Roßlau: Umweltbundesamt. [Stand: 14. ­Dezember 2022] https://www.umweltbundesamt.de/daten/flaeche-boden-land-oekosysteme/flaeche/struktur-der-flaechennutzung#die-wichtigsten-flachennutzungen [Zugriff am: 30. Mai 2023]
  2. Benke, K.; Tomkins, B. (2017) Sustainability: Science, Practice and Policy: Future food-production systems: vertical farming and controlled-environment agriculture. London: Informa UK Limited, trading as Taylor & Francis Group.

Autor:innen

Thorsten Marco Conrad, B.Eng.
thorsten_marco.conrad@smail.th-koeln.de

Till Eulenberg, B.Eng.
till.eulenberg@smail.th-koeln.de

Giuliano Martorana, B.Eng.
giuliano.martorana@smail.thkoeln.de

Technische Hochschule Köln
www.th-koeln.de

Thomas Michael, tm@mpmbh.de
MICHAEL Planungsgesellschaft
www.mpmbh.de

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