Verantwortung für Deutschland 

Wieviel nachhaltiges Bauen und Klimaschutz stecken im Koalitionsvertrag? 

Mit ihrem Koalitionsvertrag haben CDU/CSU und SPD die politische Richtung für die kommenden vier Jahre skizziert. Das 144-seitige Dokument skizziert einen Umbau von Verwaltung und Wirtschaft und nennt sich Verantwortung für Deutschland. Was aber genau bedeutet hier Verantwortung? Geht es dabei um die Modernisierung von Wirtschaft, Verwaltung und Infrastruktur oder bedeutet Verantwortung auch Klima- und Naturschutz?  

Industrie 

Bei Wirtschaftswachstum wird unter ferner liefen angeführt, dass die Dekarbonisierung unterstützt, Leichtbau-Technologie, additive Fertigung und 3D-Druck gefördert werden sollen. Auch sollen der Aufbau der Wasserstoffwirtschaft beschleunigt und die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (CCS) für schwer vermeidbare Emissionen des Industriesektors ermöglicht werden. Ebenso Ziele der koalierenden Parteien sind es, die Abwanderung energieintensiver Industrien aufgrund unterschiedlicher Klimaschutzstandards (Carbon Leakage) zu verhindern und das Europäische CO2-Grenzausgleichssystem unbürokratischer und effizienter zu machen 

Verkehr und Infrastruktur, Bauen und Wohnen 

Zuerst werden einer Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung das Wort geredet und nachfolgend auch der Beschleunigung des Wohnungsbaus durch serielles, modulares und systemisches Bauen. Baustandards sollen vereinfacht und der Gebäudetyp E abgesichert werde, so dass Abweichen von den anerkannten Regeln der Technik künftig keinen Mangel mehr darstellt. Die Förderungen der KfW werden zu zwei Programmen für Neubau und Modernisierung zusammengefasst und Anreize für einfaches, klimafreundliches und kostenreduziertes Bauen gesetzt. Der EH55-Standard soll befristet wieder förderfähig werden. 

Das Heizungsgesetz wird abgeschafft, das neue Gebäudeenergiegesetz (GEG) soll hingegen technologieoffener, flexibler und einfacher werden. Dabei soll die erreichbare CO2-Vermeidung zur zentralen Steuerungsgröße werden, also hierbei die Energieeffizienz ablösen. Der Quartiersansatz soll gestärkt und die Spielräume bei der Umsetzung der Europäischen Gebäuderichtlinie (EPBD) ausgeschöpft werden. Letzteres ist eine vage Formulierung, die hoffen wie bangen lässt.  
Wichtig für die mineralischen Recycling-Baustoffe ist eine angedachte Abfallende-Regelung in der Ersatzbaustoffverordnung. Es soll auch einen Aktionsplan für biobasierte Baustoffe geben. Die Errichtung eines Bundesforschungszentrums für klimaneutrales und ressourceneffizientes Bauen soll zusammen mit Sachsen und Thüringen sowie weiteren Ländern begonnen werden.   

Bei der Bahn gilt nun, dass Elektrifizierung Klimaschutz sei. Der Rad- und Fußverkehr sollen als Bestandteil nachhaltiger Mobilität gestärkt werden. Beim Bundesverkehrswegeplan gilt weiterhin Erhalt vor Neubau.  

Klima und Energie 

Die Koalition will, dass Deutschland sowohl das Pariser Klimaabkommen einhält, also (bis 2045) klimaneutral wird, als auch Industrieland bleibt.  Der European Green Deal und der Clean Industrial Deal sollen dazu weiterentwickelt werden. Dabei sollen Emissionshandel und CO2-Bepreisung international ausgeweitet werden, Wettbewerbsfähigkeit und soziale Akzeptanz aber im Auge behalten werden. Bei der Energiewende sollen Wirtschaft und Verbraucher:innen stärker mitgestalten und die Potenziale der Erneuerbaren Energien weiter genutzt werden. Ziel sind dabei dauerhaft wettbewerbsfähige Energiekosten. Die Energieeffizienz als tragende Säule beim Erreichen der Klimaziele soll insbesondere durch steuerliche Anreize und Marktsignale gestärkt werden – aber beim GEG zukünftig eine zumindest untergeordnete Rolle spielen. Zur Wärmeversorgung soll ein Fahrplan für defossilisierte Energieträger erarbeitet werden. Das Gasnetz soll erhalten bleiben, der Ausbau von Wärmenetzen gefördert werden.  

Ländlicher Raum und Umwelt 

Zur Anpassung an den Klimawandel soll ein Sonderrahmenplan Naturschutz und Klimaanpassung eingerichtet und die Einführung einer solchen Gemeinschaftsaufgabe geprüft werden. Auf Grundlage der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie sollen kurzfristig Maßnahmen umgesetzt, Abfallvermeidung, Rezyklateinsatz und Shared Economy gefördert werden. Das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz mit der Moorschutzstrategie wird verstetigt. Kooperative Modelle für Landwirtschaft, Kommunen und Naturschutz werden unterstützt. In einem Naturflächenbedarfsgesetz soll die Ausweisung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen und die Vernetzung von Ausgleichsmaßnahmen (Biotopverbund) erleichtert werden. Blau-grüne Infrastruktur, Wasserrückhalt in der Fläche und die Grundwasserneubildung werden gefördert. Die Förderprogramme im Klima- und Transformationsfond sollen zur Haushaltskonsolidierung auf die zentralen Aufgaben der Klimaneutralität konzentriert und gekürzt sowie die Mittelvergabe an den Zielen der CO2-Vermeidung und des sozialen Ausgleichs ausgerichtet werden. Die Bundesinitiative Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) soll auch zukünftig unterstützt werden. 

Ausblick 

Der Koalitionsvertrag benennt Klimaziele, lässt aber zentrale Werkzeuge zur Umsetzung vermissen. Ohne Lebenszyklusansatz, rechtssichere Rückbaupflichten und eine verbindliche Klimaanpassung als Gemeinschaftsaufgabe wird die Bauwende kaum zu schaffen sein.  Bei der Beschleunigung des Wohnungsbaues wird die Gemeinwohlorientierung schmerzlich vermisst. Die vermutliche Rückabwicklung der GEG-Novelle mit verpflichtender 65%-Regel für erneuerbare Wärmeversorgung stellt ein wirksames Klimaschutzinstrumente im Gebäudebereich infrage und untergräbt die langfristige Planungssicherheit für Industrie, Bauherren und Planende. Die viel geforderte CO₂-Vermeidung als Steuerungsgröße im Gebäudebereich ist grundsätzlich richtig. Diese greift aber ohne begleitende Energieeffizienz und degressive Emissionsgrenzwerte zu kurz. Gute Nachrichten gibt es für die CO2-intensive Baustoffe wie Zement, Stahl oder Kalk; erneuerbare und Naturbaustoffe kommen eher recht kurz. 


Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD 

21. Legislaturperiode
Verantwortung für Deutschland  
https://www.koalitionsvertrag2025.de/sites/www.koalitionsvertrag2025.de/files/koav_2025.pdf

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