6. Quo vadis, Kreislaufwirtschaft? Zukunftsperspektiven für den Einsatz von ressourcenschonendem Beton
Beton bleibt auch künftig ein unverzichtbarer Baustoff für Gebäude und Infrastruktur. Gleichzeitig steht die Branche vor der Aufgabe, ihren ökologischen Fußabdruck zu verringern. Bereits heute werden bei der Betonproduktion durch den Einsatz CO2-reduzierter Zemente und die Verwendung rezyklierter Gesteinskörnungen große Fortschritte im Hinblick auf CO2-Reduktion und Ressourcenschonung erzielt. Für die weitere Transformation sind die frühzeitige Integration von Sekundärbaustoffen in Planung und Ausschreibung sowie die Berücksichtigung regionaler Verfügbarkeiten entscheidend. Nur so lassen sich Zielkonflikte minimieren und Potenziale effizient nutzen. Die Beton- und Zementindustrie nimmt hierbei eine Schlüsselrolle ein. Doch nur das koordinierte Handeln aller Beteiligten entlang der gesamten Wertschöpfungskette, von Planung über Beschaffung bis hin zur Ausführung, kann den Wandel ermöglichen. Der abschließende Beitrag unserer sechsteiligen Reihe stellt die zentralen Handlungsstrategien und Zukunftsthemen für ressourcenschonenden Beton vor. Grundlage ist unter anderem eine Studie des Vereins Deutscher Zementwerke (VDZ) [1].
1 Nachhaltiges Stoffstrommanagement
Um die Potenziale einer ressourcenschonenden Herstellung und Anwendung von Zement und Beton auszuschöpfen, ist es notwendig, geeignete Stoffströme zu identifizieren, zu mobilisieren und idealerweise wieder in den Produktions- und Bauprozess einzubringen.
1.1 Urban Mining
Ein zentraler Ansatz ist das Urban Mining – die systematische Erfassung, Kartierung und Nutzung des anthropogenen Rohstofflagers, also die Wiederverwendung von Materialien aus bestehenden Bauwerken. Zur Umsetzung dienen digitale Werkzeuge wie Building Information Modeling (BIM) oder digitale Zwillinge sowie Bauwerksressourcenpässe und gezielte Rückbaukonzepte, die künftig konsequent eingesetzt werden müssen, um die Verfügbarkeit von Sekundärrohstoffen zu sichern.
1.2 Strategischer Rückbau, Aufbereitung und Logistik
Beim Abbruch eines Bauwerks erfolgt heute üblicherweise ein selektiver Rückbau. Dabei werden Schadstoffe identifiziert und entfernt, und das Bauwerk wird in verschiedene Abfallfraktionen getrennt. Ziel ist es, möglichst viele komplette Bauteile in einen weiteren Gebäudelebenszyklus zu überführen und auch die übrigen eingesetzten Baustoffe hochwertig wiederzuverwerten.
Mechanische Aufbereitungsverfahren zum Zerkleinern, Sortieren und Klassieren stoßen bei besonders heterogenen Werkstoffverbunden zum Teil an ihre Grenzen. Daher werden künftig auch innovative Ansätze wie elektrodynamische Fragmentierung oder sensorbasierte Sortierung von Massenströmen stärker zum Einsatz kommen müssen.

Kurze Transportwege sowie eine bedarfsgerechte, kontinuierliche Versorgung mit Recyclingmaterial sind entscheidend für die Wirtschaftlichkeit und die ökologische Effizienz der Kreislaufwirtschaft Bau. Um einen ökologischen Vorteil zu erzielen, dürfen die Transportentfernungen von Recycling-Gesteinskörnungen – vom Rückbau über die Aufbereitung bis zur Betonherstellung – in der Regel nicht erheblich größer sein als bei Primärmaterial. Hierfür werden zusätzlich stadtnahe, wirtschaftlich wettbewerbsfähige Flächen benötigt, auf denen Recyclingunternehmen Beton- und Mauerwerksbruch aufbereiten und lagern können.
2 Grüne Leitmärkte schaffen
Die Nachfrage nach ressourcenschonenden Baustoffen ist ein entscheidender Hebel für die Etablierung einer Kreislaufwirtschaft. Um die flächendeckende Nutzung von Recyclingmaterialien zu ermöglichen, müssen Hindernisse abgebaut und Anreize geschaffen werden.
2.1 Hemmnisse abbauen
Am Beispiel des Betonrecyclings lässt sich veranschaulichen, welche Hemmnisse einer flächendeckenden Verwendung von Recycling-Materialien bislang im Wege stehen. Diese wurden in Beitrag 5 dieser Reihe ausführlich thematisiert.
Trotz bestehender Regelwerke werden in Deutschland nur etwa 1 % der insgesamt eingesetzten Gesteinskörnung für Beton in Form von Recycling-Material abgedeckt. Ein häufig unterschätzter Engpass beim Einsatz von RC-Beton ist die tatsächlich zur Verfügung stehende Menge geeigneter rezyklierter Gesteinskörnungen. Die Menge an Gesteinskörnungen, die aus dem Rückbau von Gebäuden und dem Straßenaufbruch gewonnen werden können, liegt jährlich bei etwa 77 Mio. t, das entspricht gerade einmal 13 % des Gesamtbedarfs an Gesteinskörnungen (Bild 1). Von diesen 13 % fließen gut 50 % in den Straßenbau, mit einer sehr guten Verwertungsquote von 93 %. [2] Das ist ein nahezu geschlossener Kreislauf, der nicht durchbrochen werden sollte, denn alles, was aus diesem Stoffkreislauf entnommen wird, muss durch Primärrohstoff ausgeglichen werden und verursacht dann zusätzliche Transportemissionen.
In den verbleibenden 7 % liegt das Potenzial für RC-Gesteinskörnungen, die für die Herstellung von Recyclingbeton geeignet sind.
Zusätzlich zur generellen Mengenverfügbarkeit stellt sich vielerorts das Problem der regionalen Verteilung: Mineralische Bauabfälle fallen ungleich verteilt an, und hochwertige RC-Gesteinskörnungen stehen oft nicht dort zur Verfügung, wo sie als RC-Beton sinnvoll eingesetzt werden könnten.
Um ein ganzheitliches Baustoffrecycling zu ermöglichen, sind umfassende Anpassungen in den rechtlichen Rahmenbedingungen erforderlich. Entscheidend sind harmonisierte und praktikable Regelungen – und damit Planungssicherheit –, wie in den Beiträgen 2 und 3 dieser Reihe ausführlich dargestellt.
2.2 Recyclingmehl im Zement und rezyklierte Gesteinskörnungen
Beim Brechen von Beton fallen bis zu 30 M.-% als Feinfraktion an (≤ 2 mm), die nach der Betonnorm DIN 1045-2:2023 in begrenztem Umfang als Gesteinskörnung im Beton eingesetzt werden dürfen. Forschung und praktische Anwendung haben gezeigt, dass sich Betonrecyclingmehle auch in der Zement- bzw. Klinkerherstellung eignen.
Die europäische Zementnorm DIN EN 197-6 enthält Betonrecyclingmehl als neuen Zementbestandteil. Die Zementarten umfassen die Portland-Recyclingmehlzemente CEM II/A-F und CEM II/B-F, Portlandkompositzemente CEM II/A-M, CEM II/B-M und CEM II/C-M sowie Kompositzement CEM VI. Die Anteile an Betonrecyclingmehl liegen zwischen 6 und 35 % (Tab. 1). Für ihre Anwendung sind allgemeine bauaufsichtliche Anwendungszulassungen notwendig (Tab. 2).
Tab. 1 Normalzemente nach DIN EN 197-6
| Hauptarten | Bezeichnung der Produkte (Zementarten) | Zusammensetzung (Masseanteil in %)a | ||||||||||||
|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
| Hauptbestandteile | Nebenbestandteile | |||||||||||||
| Klinker | Betonrecyclingmehl | Hüttensand | Silicastaub | Puzzolan | Flugasche | gebrannter Schiefer | Kalkstein | |||||||
| natürlich | natürlich getempert | kieselsäurereich | kalkreich | |||||||||||
| Produktname | Produktbezeichnung | K | F | S | Db | P | Q | V | W | T | Lc | LLc | ||
| CEM II | Portland-Recyclingmehlzement | CEM II/A-F | 80–94 | 6–20 | — | — | — | — | — | — | — | — | — | 0–5 |
| CEM II/B-F | 65–79 | 21–35 | — | — | — | — | — | — | — | — | — | 0–5 | ||
| Portlandkompositzementd | CEM II/A-M | 80–88 | 6–14 | 6–14 | 0–5 | |||||||||
| CEM II/B-M | 65–79 | 6–29 | 6–29 | 0–5 | ||||||||||
| CEM II/C-M | 50–64 | 6–20 | 16–44 | 0–5 | ||||||||||
| CEM VI | Kompositzement | CEM VI | 35–49 | 6–20 | 31–59 | — | — | — | — | — | — | — | — | 0–5 |
| a) Die Werte in der Tabelle beziehen sich auf die Summe der Haupt- und Nebenbestandteile.b) Bei Verwendung von Silicastaub ist dessen Anteil auf 6 bis 10 % Masseanteil begrenzt.c) Bei Verwendung von Kalkstein ist die Summe von Kalkstein und Betonrecyclingmehl (L, LL und F) auf 35 % Masseanteil begrenzt.d) Die Anzahl der Hauptbestandteile (außer Klinker) ist auf 2 begrenzt; diese Hauptbestandteile müssen durch die Bezeichnung des Zements angegeben werden (Beispiele: siehe Abschnitt 6). Wird sowohl F als auch L oder LL in der Zusammensetzung verwendet, ist die Anzahl der Hauptbestandteile (außer Klinker) auf 3 begrenzt; auch diese sind durch die Bezeichnung des Zements anzugeben. | ||||||||||||||
Tab. 2 Allgemeine bauaufsichtliche Anwendungszulassungen für Portlandkompositzement, Stand August 2025: Zemente mit Recyclingmehl F, siehe auch [3]; (NB = Nebenbestandteil, HB = Hauptbestandteil)
| Zementart | Anzahl | Expositionsklassen | Min. K / max. LL in % | |
|---|---|---|---|---|
| CEM II/B-M | 29 | alle | 65/20 | |
| CEM II/C (ohne F als HB) | 12 | alle | 50/20 | |
| CEM II/C + FA | 2 | alle | ||
| CEM IV und CEM V | 4 | 1 × CEM IV alle, 1 × CEM V alle, 1 × CEM V ohne XF4, 1 × CEM V nur XC4/XF1 | 40/0 | Quelle: VDZ |
| Zemente mit F (NB) | 6 | alle | 95–35 / 0–20 | |
| Zemente mit F (HB) | 8 | alle | 80–50 / 20 | |
| Zemente mit F (HB) + FA | 6/8 | |||
| CEM II/C | 8 | alle außer XF2, XF3, XF4 | 50/20 | |
| CEM II/C + FA | 11/21 | |||
| CEM X | 2 | alle außer XF2, XF3, XF4, XA2/3, XM2/3 | 35/37 |
In den kommenden Jahren werden höhere Mengen an Betonbruch erwartet. Daher ist es wichtig, neben der derzeitigen Verwertungspraxis die Verwendung in der Zement- und Betonherstellung weiter zu etablieren.
Der Einsatz von aufbereitetem feinem Betonbruch (Recyclingmehl) im Zement trägt dazu bei, mineralische Stoffkreisläufe zu schließen, den Anteil des Portlandzementklinkers im Zement zu reduzieren und damit CO2-Emissionen zu verringern. In Deutschland sind erste Zemente mit Recyclingmehl als Neben- bzw. Hauptbestandteil bereits auf dem Markt. Für deren Anwendung ist eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung erforderlich (Tab. 2); auch die entsprechende Zementnorm ist vorhanden.
In Forschungsvorhaben wurde zudem bereits gezeigt, dass auch mit höheren bzw. anderen Anteilen als Hauptbestandteil im Zement leistungsfähige Betone hergestellt werden können. Zemente mit bis zu 30 M.-% ziegelhaltigem Recyclingmehl können mindestens in Innenbauteilbetonen eingesetzt werden. In Abhängigkeit von der Zusammensetzung kann durch aktive Carbonatisierung (Mineralisierung) des enthaltenen Zementsteins zudem die Festigkeitsentwicklung von Zementen begünstigt werden.
Gemäß der Ressourcen-Roadmap des VDZ [1] wird auch die Verwendung rezyklierter Gesteinskörnungen, zum Beispiel aus aufbereitetem Altbeton, in den nächsten Jahren weiter an Bedeutung gewinnen (Bild 2). Werden die ambitionierten Ziele der Roadmap umgesetzt, beträgt die kumulierte Einsparung von Primärressourcen durch rezyklierte Gesteinskörnung bis 2050 etwa 840 Mio. t.
2.3 Öffentliche Hand als Vorbild
Öffentliche Vergabestellen sollten ihre Vorbildfunktion wahrnehmen und RC-Materialien in ihren Projekten dort, wo sie zur Verfügung stehen, bevorzugt einsetzen. Dies würde erheblich zur Etablierung und Akzeptanz dieser Materialien auf dem Markt beitragen. Wenn regional kein Sekundärmaterial zur Verfügung steht, muss Primärmaterial verwendet werden.
Im Ende 2020 novellierten Kreislaufwirtschaftsgesetz hat Baden-Württemberg seine Vorbildfunktion betont: Ausschreibungen müssen „geeignete und gütegesicherte Recycling-Baustoffe gleichberechtigt mit Baustoffen aus Primärmaterial“ berücksichtigen (§ 2 Abs. 4 Nr. 1 LKreiWiG). Auch Berlin hat 2021 verbindliche Standards für ressourcenschonendes Bauen eingeführt. So ist beim Einsatz von Ortbeton der maximal zulässige Anteil an Recycling-Gesteinskörnungen nach DAfStb-Richtlinie vorzuschreiben. Entscheidend wird sein, diese Vorgaben konsequent umzusetzen und zugleich ein Diskriminierungsverbot für mineralische Rezyklate verbindlich zu verankern und anzuwenden.
2.4 Labeling und Zertifizierung
Um die Marktakzeptanz von Recycling-Materialien sukzessive zu erhöhen, ist eine klare Kennzeichnung durch Labeling oder externe Zertifizierung wichtig. So können öffentliche Ausschreibungen gezielt darauf Bezug nehmen. Ein etabliertes System bietet das Concrete Sustainability Council (CSC), das Qualitäts-, Umwelt-, Energie- und Arbeitsschutzmanagement abdeckt. Betonhersteller können ihre Werke und Betone zertifizieren lassen; zusätzlich erlaubt das R-Modul eine Ausweisung von Recycling-Anteilen, wenn mindestens 10 % der groben Gesteinskörnung ersetzt werden. CSC-Zertifikat und R-Modul sind in der DGNB-Gebäudezertifizierung, in der öffentlichen Beschaffung sowie bei BREEAM und LEED anerkannt.
3 Kommunikation und Qualifizierung
Die Umsetzung ressourcenschonender Bauweisen erfordert nicht nur neue Materialien, sondern auch veränderte Konstruktionsprinzipien, die eine entsprechende Wiederverwendung des Bauwerks oder einen späteren Einsatz als recyclinggerechte Baustoffe adressieren. Das schließt sowohl Konzepte für eine Umnutzung, den Rückbau und die Wiederverwendung von Betonbauteilen als auch ein mehrfaches Recycling von Materialien ein.
Zentrale Voraussetzung ist eine gute Kommunikation entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Die neue DIN 1045-1000 [4] schafft dafür erstmals einen schnittstellenübergreifenden Ansatz und ermöglicht es, gemeinsame Ziele für Ressourceneffizienz und Klimaschutz zu formulieren und umzusetzen.
4 Fazit und Ausblick
Recyclingbeton ist kein Nischenprodukt, sondern ein Schlüsselbaustoff der Zukunft. Die technischen Möglichkeiten sind vorhanden, die Regelwerke sind da, und die öffentliche Hand setzt wichtige Impulse. Entscheidend ist nun, dass alle Beteiligten entlang der Wertschöpfungskette konsequent handeln, um die Transformation zur Kreislaufwirtschaft im Bau zu beschleunigen. Im Mittelpunkt stehen die Harmonisierung rechtlicher Rahmenbedingungen, die Förderung technischer Innovationen sowie die Steigerung von Akzeptanz und Marktverfügbarkeit.
Gleichzeitig ist es wichtig, die tatsächliche Verfügbarkeit im Blick zu behalten. Von besonderer Bedeutung sind produktneutrale öffentliche Ausschreibungen, die den Einsatz von Recyclingmaterialien gezielt unterstützen. Nur durch ein solches Zusammenspiel lassen sich Primärrohstoffe und Deponieraum nachhaltig einsparen und die ambitionierten Ressourcenziele des Bausektors erreichen.
Literatur
- VDZ – Verein Deutscher Zementwerke (2022) Ressourcen der Zukunft für Zement und Beton – Potenziale und Handlungsstrategien. Düsseldorf: VDZ. https://www.vdz-online.de/ressourcenschonung
- Kreislaufwirtschaft Bau (2024) Mineralische Bau- und Abbruchabfälle, Monitoring. 14. Monitoring-Bericht (Daten 2022)[online]. Berlin: Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden e. V. https://www.kreislaufwirtschaft-bau.de/#Initiative
- Deutsches Institut für Bautechnik (2025) Verzeichnis der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen[online]. Berlin: DIBt, 07.10.2025. https://www.dibt.de/fileadmin/verzeichnisse/NAT_n/SVA_3.pdf
- DIN 1045-1000:2023-08 (2023) Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton – Teil 1000: Grundlagen und Betonbauqualitätsklassen (BBQ). Berlin: DIN Media.
Autor:innen
Kristine Hebenstreit, hebenstreit@solid-unit.de
solid UNIT e. V., Berlin
www.solid-unit.de
Dr. Christoph Müller, christoph.mueller@vdz-online.de
VDZ Technology gGmbH, Düsseldorf
www.vdz-online.de



