Vom Recycling zur Umbaukultur

Portrait Dr. Bernhard Hauke
Dr. Bernhard Hauke
Quelle: Renate Schildheuer

Recycling ist ein alter Hut. Das machen alle irgendwie schon ewig. Ja, gut, die Betonung liegt auf irgendwie. Die durchaus relevanten Unterschiede zwischen Wiederverwendung, Verwertung, Downcycling oder Upcycling lassen sich umgangssprachlich gut in einen Topf schmeißen. Das Glossar der nbau ist für genau diese beliebte Sprachklitterei da – mit je einem Begriff im Heft und sehr viel mehr online. Aber zurück zum Recycling. Wenn wir das wirklich alle schon so lange ganz toll machen würden, dann wären wir nicht da, wo wir heute sind. Hans Joachim Schellnhuber, Gründungspräsident des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, hat es beim Konvent der Baukultur in Potsdam auf den Punkt gebracht: Dem Bausektor sind heute mindestens 40 % der klimaschädlichen Emissionen zuzurechnen, weshalb dieser maßgebend beim Klimaschutz ist. Werner Sobek kommt einschließlich der Logistik auf über 50 % und sagt, ebenfalls in Potsdam, dass wir Häuser nicht mehr bauen können, wie wir es bisher getan haben. Und er fordert einen neuen Nachhaltigkeitsbegriff, bei dem ob der Dringlichkeit die Ökologie über der Ökonomie und dem Sozialen steht. Das ist radikal und, wenn man die Zusammenhänge und Folgen für die Menschheit betrachtet, konsequent.

Gebraucht
ist sowieso auf dem Weg zum Mainstream-Cool.

Die nbau wird noch auf Papier gedruckt, aber es ist Recyclingpapier. Das gibt keinen Hochglanz und Fotos erscheinen nicht ganz so brillant. Vielleicht geht das irgendwann, aber gebraucht ist sowieso auf dem Weg zum Mainstream-Cool. Die bei dickeren Zeitschriften übliche Klebebindung hat die nbau nicht. Natürlich würde umweltfreundlicher Kleber verwendet werden – aber es geht besser. Nach den Ideen des Design for Deconstruction wird Kleben durch lösbare Klammern ersetzt. Das Papier kann so einfach sortenrein getrennt und (mindestens) wieder recycelt werden.

Bleiben wir beim Bauen und beim Konvent der Baukultur 2022. Dort stellte Reiner Nagel, Vorsitzender der Bundesstiftung Baukultur, fest, dass Abriss und Neubau dem Klimaschutz weit weniger hilft als Erhalt und Umnutzung des Bestehenden. Durch Umbau wird die graue Energie des Bestands zur goldenen Energie. Das ist leicht nachvollziehbar. Aber, das war Mehrheitsmeinung des Konvents, der gesamte Bausektor sei von der Ausbildung bis zur Bauausführung noch weitgehend auf Neubau ausgerichtet. Umbau ist technisch anspruchsvoller, gestalterisch mit anderen Freiräumen, in der Planung und Ausführung regionaler. Cansel Kiziltepe, die neue Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesbauministerium, sprach von einer Umbruchphase und auch von Bestandsbau und Umwidmung. Beim abschließenden Podium mit den Bundestagsabgeordneten Daniel Föst (FDP), Michael Kießling (CSU), Caren Lay (Linke), Kassem Taher Saleh (Grüne) und Claudia Tausend (SPD) klang es eingangs noch nach bauen, ­bauenbauen und 400.000 Neubauwohnungen pro Jahr. Am Ende waren sich zumindest in Potsdam Parlamentarier und Konvent einig, dass Umbau und Umwidmung der nachhaltigere Weg ist. Wie weit mag diese Einigkeit auch für die konkrete Berliner Bundesbaupolitik herrschen? Wenn sie es täte, was zu hoffen ist, würde der Konvent der Baukultur 2022 in Potsdam einen der Ausgangspunkte für eine neue Umbaukultur markieren und damit ein erhebliches Umdenken der Bau- und Immobilienbranche erfordern.

Dr. Bernhard Hauke
nbau Chefredakteur

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