Energieeffizienz: Die ­Zitrone ist aus­gequetscht

Was steckt hinter der BEG-Förderung und dem QNG-Siegel?

Johannes Kreißig, Geschäftsführender Vorstand der DGNB
Quelle: DGNB

Die Bundesförderung für energieeffiziente Gebäude (BEG) sorgt für Unruhe und Verwirrung. Im Juli 2021 gestartet, dann ein plötzlicher Stopp Ende Januar 2022. Im April folgte ein neu gefüllter Topf mit 1 Mrd. Euro, der innerhalb weniger Stunden nach Öffnung schon wieder leer war. Seither werden nur noch Neubauvorhaben monetär unterstützt, die dem Nachhaltigkeitsverständnis des Bundes entsprechen. Und das ist gut so! Lassen wir die Verwirrung also hinter uns und ordnen, was das heißt.

Doch eins nach dem anderen. Deutschland hat Klimaziele und soll bis 2045 klimaneutral sein. Alle Sektoren müssen also radikal CO2-Emissionen einsparen. Der Bausektor ist einer der größten CO2-Emittenten. Als Lenkungsinstrument setzt die Bundesrepu­blik ­deshalb Förderungen ein. Sie sollten das Ziel haben, ambitioniertes nachhaltiges Bauen zum Standard zu machen.

In den letzten Jahren lag der Fokus jedoch darauf, Gebäude möglichst energieeffizient zu machen, um den Energiebedarf zu senken. So sind die sogenannten Effizienzklassen oder auch Effizienzhäuser entstanden. Ein Effizienzhaus 40 benötigt nur noch 40 % des Energiebedarfs eines Referenzgebäudes. Gerechnet wird mit dem Primärenergiebedarf. Damit ist man bis heute so weit gekommen, dass sogar sogenannte Null- oder Plusenergiegebäude errichtet werden. Sie erzeugen selbst so viel erneuerbare Energie, dass sie auf keine externen Energiequellen angewiesen sind, und exportieren sogar Energie ins Netz.

Ziel erreicht? Von wegen. Diese Betrachtungsweise hat zwei zen­trale Lücken. Zum einen erreichen wir das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 nur, wenn wir nicht mit Primärenergie, sondern mit CO2-Emissionen planen und rechnen. Zum anderen gehört in eine zielgerichtete Optimierung die Berücksichtigung aller mit dem Gebäude verbundenen CO2-Emissionen über den gesamten Lebenszyklus von mindestens 50 Jahren. Dazu zählen also auch die Emissionen der Herstellung der Baumaterialien und der Errichtung des Gebäudes. Bei einem Neubau nach dem Effizienzhaus-40-Standard machen diese etwa 50 % aller CO2-Emissionen aus. Die anderen 50 % entstehen in den folgenden 50 Jahren der Gebäudereferenznutzungsdauer.

Mit der BEG-Förderung im Juli 2021 wurde der einseitigen Energieeffizienz-Betrachtung durch Einführung einer Nachhaltigkeitsklasse ein Ende gesetzt. Dass so etwas wie die Lebenszyklusbetrachtung dafür Grundlage wurde, war natürlich ein wichtiger Meilenstein! Dazu später mehr. Kritisch zu sehen war allerdings nach wie vor, dass der Nachhaltigkeitsbonus nur eine von zwei alternativen Optionen war. Die gleiche Bonushöhe konnten Bauherren auch erhalten, wenn sie sich ausschließlich auf erneuerbare Energien (EE-Bonus) fokussierten – also bspw. eine PV-Anlage in­stallierten. Die Mehrheit entschied sich vermutlich aufgrund der einfacheren Handhabbarkeit für diese zweite Option. Das Ziel, die Berücksichtigung aller CO2-Emissionen im Lebenszyklus und eine Auseinandersetzung mit allen Aspekten der Nachhaltigkeit, blieb so meistens aus.

Zudem bekamen Bauherren auch einen Zuschuss für die Effizienzklasse 55 ohne Berücksichtigung der Nachhaltigkeit. EH 55 ist jedoch heute schon Stand der Technik und wird mit der Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes zum Neubaustandard in Deutschland. Bauherren profitierten also von Mitnahmeeffekten. Und die Förderung erfüllte nicht mehr ihre originäre Aufgabe als Lenkungsinstrument. Das erkannte auch Wirtschaftsminister Robert Habeck. Der Richtungswechsel, der im Zuge des vorläufigen Förderstopps aufgrund ausgeschöpfter Mittel im Januar 2022 kam, war also dringend nötig!

Beim neu gefüllten Topf vom 22. April 2022 blieben die beiden Bonusoptionen zwar bestehen, allerdings gab es nur noch Bares für die ambitioniertere Effizienzklasse 40. Nach wenigen Stunden war die zusätzliche 1 Mrd. Euro ausgeschöpft. Damit trat die nächste Stufe in Kraft, der EE-Bonus fiel weg: Seit dem 23. April ist bei Neubauten nur noch die Förderung der Effizienzklasse 40 mit verpflichtendem Nachhaltigkeitsbonus möglich. Gefördert werden können sowohl Wohn- als auch Nichtwohngebäude wie Büro und Verwaltungs- oder Bildungsbauten. Ergänzend zu sagen ist, dass auch Sanierungen gefördert werden. Sinnvollerweise bleiben hier Effizienzklassen wie Denkmalschutz oder 100, 70, 55 bestehen. Die Nachhaltigkeitsklasse ist hier keine Verpflichtung, aber bei der Sanierung von Nichtwohngebäuden optional möglich. Plötzlich ist an allen Ecken und Enden Nachhaltigkeitsexpertise beim Bauen gefragt. Und unsere Telefone klingeln im Minutentakt.

Was steckt hinter dieser Nachhaltigkeit?

Was die Bezuschussung jetzt zurecht bewirkt, ist, dass sich Bauherren, Planende, Energieberatende und Architekten mit den Themen der Nachhaltigkeit auseinandersetzen. Welche Themen dazu gehören, gibt das Qualitätssiegel Nachhaltiges Bauen (QNG) vor, das mit Einführung der Nachhaltigkeitsklasse im Juli 2021 vom damaligen Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat als Siegelgeber veröffentlicht wurde. In 17 Kriterien legt es fest, was im Planungs- und Bauprozess erfüllt und nachgewiesen werden muss. Dass der Begriff der Nachhaltigkeit hier passend ist, zeigt sich daran, dass die Kriterien der ökologischen, soziokulturellen und ökonomischen Dimension zugeschrieben werden können – die drei Säulen der Nachhaltigkeit.

Für vier bzw. sechs der Kriterien – je nach Gebäudetyp – gelten besondere Anforderungen, die zumeist als bestimmte einzuhaltende Grenzwerte zu verstehen sind. Dazu zählen Maximalwerte für die CO2-Emissionen und den Primärenergiebedarf über den Lebenszyklus. Hinzu kommen das Thema Barrierefreiheit und die Auswahl umweltfreundlicher und möglichst schadstofffreier Baustoffe; die Einhaltung der Schadstoffgrenzwerte wird über eine Innenraumluftmessung nachgewiesen. Darüber hinaus finden sich Aspekte der Behaglichkeit, ein nachhaltiger Ressourceneinsatz, Flächeneffizienz, die Berechnung der Betriebskosten über den gesamten Lebenszyklus und weitere Themen in den 17 Kriterien wieder.

Sicherlich leuchtet der Mehrheit der Leserinnen und Leser ein, dass eine CO2-Bilanzierung über den gesamten Lebenszyklus wichtig ist, um Klimaziele zu erreichen. Aber sie fragen sich vielleicht, warum betrachtet man auch das Thema Schadstoffe, Barrierefreiheit oder ob zertifiziertes Holz eingesetzt wurde? Das hat doch nichts mit Klimaschutz zu tun!

Zum Verständnis helfen ein paar Beispiele. Zunächst dürfen wir nicht vergessen, dass die Referenznutzungsdauer von 50 Jahren eine Annahme ist, die nicht automatisch erreicht wird, sondern von der Gebäudequalität und dem Nutzer abhängt. Eine lange Nutzungsdauer aber ist davon abhängig, dass keine Schadstoffe eingebaut werden, die zu Allergien der Bewohner führen oder die Recyclingfähigkeit des Baustoffs zu einem späteren Zeitpunkt unmöglich machen. Und wenn ein Gebäude nicht barrierefrei ist, wird der Nutzer dort nicht seinen Lebensabend verbringen können. Verlässt er das Gebäude bereits nach 20 Jahren und es steht ein großer Umbau an, ist die gute CO2-Bilanz vielleicht dahin. Unabhängig von der Nutzungsdauer steht das Holz. Was bringt ein Holzhaus, wenn dafür das Holz aus nicht nachhaltiger Forstwirtschaft den Klimawandel befördert? Die negative Klimawirkung überwiegt in diesem Fall womöglich die CO2-senkende Wirkung des Baustoffs.

Diese zusätzlichen Anforderungen wirken auf den ersten Blick für viele wie eine vom Bund auferlegte Hürde. Dabei dienen sie dem Guten! Man könnte fast sagen, Bauherren werden zu ihrem Glück gezwungen. Denn ein Gebäude mit gesunden Materialien, einer auf Langlebigkeit ausgerichteten Konstruktion, langfristig niedrigen Betriebskosten und Barrierefreiheit wird ihm in jeder Hinsicht zum Vorteil.

Was hat die DGNB damit zu tun?

Ins (BEG-)Spiel kam die DGNB bereits im Juli 2021 mit der Veröffentlichung des QNG. Denn das Ministerium entschied, die Nachweisführung der Anforderungen nicht selbst anzubieten. Stattdessen setzt es auf etablierte Systeme zur Nachhaltigkeitsbewertung wie das der DGNB. 2007 gegründet, veröffentlichte die DGNB bereits im Jahr 2008 ihr erstes, gemeinsam mit dem Bund entwickeltes Zertifizierungssystem für Neubauten mit dem Ziel, nachhaltiges Bauen plan- und messbar zu machen. Ihm zugrunde liegt ein ganzheitliches Nachhaltigkeitskonzept, das wie das QNG auf den drei Säulen der Nachhaltigkeit beruht. Zudem wird der gesamte Lebenszyklus betrachtet und die Gesamtperformance des Gebäudes wird als Ziel festgeschrieben – nicht einzelne Maßnahmen. Die Zertifizierungssysteme decken ab, was der Bund heute mit dem QNG fordert, und sind deshalb offiziell gelistet. Zudem lässt sich die DGNB als Zertifizierungsstelle über die nationale Akkreditierungsstelle der Bundesrepublik Deutschland (DAkkS) anerkennen.

Die Kriterien des QNG sind in den umfangreicheren DGNB-Zertifizierungssystemen inhaltlich abgedeckt. Für die Kriterien mit besonderer Anforderung gilt, dass die entsprechenden Grenzwerte im Rahmen der Zertifizierung eingehalten werden müssen. Für Bauherren heißt das konkret, dass sie die Fördersumme erhalten, wenn sie ein DGNB-Zertifikat in Silber, Gold oder Platin – je nach erreichter Punktzahl – und das QNG-Siegel überreicht bekommen haben.

Ein Projekt zur Zertifizierung kann bei der DGNB nur ein DGNB-Auditor einreichen. Er hat einen mehrstufigen Fortbildungsprozess durchlaufen und ist befähigt, den Planungs- und Bauprozess kompetent zu begleiten und in den nötigen Phasen auf die Nachhaltigkeitsaspekte hinzuweisen und im Audit geeignet zu dokumentieren. Die Vorstufe zum Auditor ist der DGNB-Consultant, der ebenfalls im Kontext der BEG-Themen beratend tätig sein kann. Für beide Ausbildungen bringen Architekten, Fachplanende und Energieberatende die besten Voraussetzungen mit. Da mit Bekanntgabe der Nachhaltigkeitsausrichtung des Bundes das Interesse an den Schulungen stark gestiegen ist, hat die DGNB ihr Schulungsangebot stark ausgeweitet. Eigentlich war es absehbar, dass die Nachhaltigkeitsbetrachtung kommen würde, aber zu wenige hatten das bisher ernst genommen. Jetzt kommt es geballt.

Bild 1 Handlungsfelder für eine klimaschonende Konstruktion

Bild 2 Handlungsfelder zum Erreichen eines klimaneutralen Gebäudebetriebs

Handlungsfelder und Ausblick: Nach EH-40-Nachhaltigkeit kommt die CO2-Förderung

In der Einleitung habe ich es bereits angeteasert. Um Klimaschutz zu betreiben, reicht es nicht, auf Energieeffizienz zu setzen und erneuerbare Energien zu installieren. Zudem müssen alle CO2-Emissionen im Lebenszyklus berücksichtigt werden. Die DGNB hat zum Thema Klimaschutz fünf Handlungsfelder für einen klimaneutralen Betrieb und für eine klimaschonende Konstruktion benannt (Bilder 1, 2). Im Prinzip geht es bei der Zielsetzung Klimaschutz darum, die richtige Balance zwischen diesen Handlungsfeldern zu finden – je nach Kontext, Nutzung und Situation unterscheidet sich diese, und das ist auch richtig so. Anstatt aus einem Handlungsfeld die letzte Kilowattstunde herauszuholen, findet sich vielleicht eine ganz anders ausbalancierte Lösung. Vielleicht ist die Betriebs-Zitrone in manchen Fällen bereits bei der Effizienzklasse 55 ausgequetscht, das Gebäude befindet sich jedoch in einem Quartier mit ausreichender Versorgung mit erneuerbaren Energien. Dann kann EH 55 die wirtschaftlichere Lösung sein, als mit großen Ressourcenaufwendungen eine Effizienzklasse 40 zu erreichen. Solche Szenarien lassen sich mit einer Ökobilanzierung ausbalancieren und abwägen.

Was ich damit sagen möchte: Ich glaube nicht, dass die Effizienzklasse 40 der einzige Weg zum Ziel ist. Ich erwarte, dass sich die Förderung in den nächsten Jahren von Effizienzklassen löst und alleinig auf die CO2-Emissionen und die Sicherstellung einer langen und intensiven Nutzung bezogen wird. Angekündigt ist ja bereits die dritte Stufe mit dem Titel klimafreundliches Bauen. Damit haben wir eine maßnahmenoffene Zielsetzung, die Raum für Innovationen lässt. So wie es auch schon immer bei der DGNB gehandhabt wird.


Autor

Johannes Kreißig, j.kreissig@dgnb.de
Geschäftsführender Vorstand der DGNB
www.dgnb.de

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