Nachhaltig planen und bauen aus einer Hand – das Innovation Center am ZÜBLIN-Campus

Als viertes Bürogebäude auf dem ZÜBLIN-Campus in Stuttgart hat Deutschlands führendes Hoch- und Ingenieurbauunternehmen das neue Innovation Center mit dem Fokus auf Nachhaltigkeit über den gesamten Lebenszyklus geplant und errichtet. Der sechsgeschossige Neubau wurde im bewährten Partnering-Verfahren TEAMCONCEPT von der STRABAG Real Estate (SRE) mit ZÜBLIN als Generalunternehmen und dem STRABAG-Zentralbereich Zentrale Technik als Generalplanerin realisiert.

1 Architektur

Das Innovation Center der STRABAG-Gruppe wurde auf dem südlich an den Albstadtweg und nördlich an die Vaihinger Straße grenzenden Grundstück Albstadtweg 10 errichtet (Bild 1). Ein offen gestaltetes, flexibel nutzbares Gebäude, das ganz auf kollaboratives Arbeiten ausgerichtet ist. In jeder der vier Regeletagen gibt es u. a. 72 Shared-Desk-Arbeitsplätze, neun sog. Hide-outs als Rückzugsorte für ungestörtes Arbeiten, neun Thinktanks für den Austausch in Kleingruppen, zwei Besprechungsräume für größere Teams, zwei Teeküchen und einen von der Belegschaft selbst konzipierten Staff Room. Das Herzstück des Gebäudes ist das gesondert gestaltete dritte Obergeschoss mit unterschiedlichen Arbeitszonen, einem Bereich für AR-/VR-Anwendungen sowie Projektgaragen, die von interdisziplinären Teams längerfristig gebucht und genutzt werden können. Schulungs- und Besprechungsräume, Fahrradraum, Duschen/Umkleide und ein Bistro im Erdgeschoss ergänzen das Angebot im barrierefrei konzipierten Neubau.

Im Untergeschoss befinden sich eine Tiefgarage sowie Technik- und Lagerräume. Der Baukörper mit einer Gesamtkubatur von 54.000 m³ und einer Bruttogeschossfläche von ca. 15.000 m² ist klar gegliedert. Ein begrünter Innenhof verbindet den südlichen Haupteingang und den nördlichen Eingang.

2 Wie umweltfreundlich und materialschonend modernes Bauen sein kann

Beim Neubau des Innovation Centers wurde der Fokus auf das Thema Nachhaltigkeit gelegt – von der Planung über den Bau bis hin zum Betrieb. Folgende ressourcenschonende Baustoffe und energieeffiziente Technologien wurden eingesetzt:

2.1 CO2-reduzierter Beton und recyceltes Aluminium

Die Ortbetonbauteile des Tragwerks oberhalb der Gründung wurden klimafreundlich aus CO2-reduziertem Beton errichtet (Bild 2). CO2-reduzierter Beton verfügt über einen geringeren Anteil von prozessbedingt CO2-intensivem Zementklinker. Auf diese Weise lassen sich ohne Planungsänderungen ca. 30–50 % der CO2-Emissionen im Rohbau einsparen. Allerdings ist dieser noch nicht flächendeckend verfügbar, weist deutlich verzögerte Früherhärtungszeiten auf und erfordert daher besondere Maßnahmen in der Schalungstechnik und Betonnachbehandlung: Für die termingerechte Fertigstellung des Rohbaus mussten höhere Schalungs- und Rüstungsvorhaltungen eingesetzt werden. Sämtliche Betonfertigteile wie Filigrandecken, Stützen, Unterzüge, Treppenläufe etc. konnten aufgrund der deutlich verzögerten Früherhärtung nicht mit CO2-reduziertem Beton hergestellt werden.

Um den CO2-Fußabdruck weiter zu reduzieren und CO2-Neutralität für den eingesetzten Ortbeton und Bewehrungsstahl zu erreichen, wurde der unvermeidbare Ausstoß an CO2 bei der Herstellung durch den Kauf von Zertifikaten geeigneter zertifizierter Umweltschutzprojekte kompensiert.

Über klimafreundlichen Beton und Stahl hinaus haben SRE und ZÜBLIN für den Neubau auch bei anderen Baustoffen auf Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft gesetzt: Das in der Pfosten-Riegel-Konstruktion der Fassade und den Fensterrahmen verbaute Aluminium zeichnet sich durch einen hohen Recyclinganteil von rd. 65 % aus und ist vollständig wiederverwertbar.

2.2 Klimafreundliche Dämmung

Statt aufgeschäumter Dämmstoffe aus EPS oder PUR (Styropor, Styrodur) wurde zur Dämmung von Dach und Fassade umweltfreundliche Steinwolle eingesetzt. Diese wird aus nahezu unbegrenzt vorkommenden Gesteinsarten wie bspw. Basalt und Diabas gewonnen und ist fast komplett recycelbar.

2.3 Cradle-to-Cradle (C2C)

Im gesamten Gebäude wurden Cradle-to-Cradle-zertifizierte Teppichfliesen verlegt, die vollständig aus recyceltem Material bestehen und zu 100 % wiederverwertbar sind. C2C (aus dem Englischen: von der Wiege zur Wiege) ist ein Ansatz für eine durchgängige und konsequente Kreislaufwirtschaft. C2C-Produkte können entweder als biologische Nährstoffe in biologische Kreisläufe zurückgeführt oder als technische Nährstoffe kontinuierlich in technischen Kreisläufen gehalten werden.

2.4 Regenerative Energieversorgung

Die zentrale Komponente des Energiekonzepts bildet eine 4-Leiter-Wärmepumpe, die gleichzeitig heizen und kühlen kann und so die Wärmeverteilung innerhalb des Gebäudes regelt. Die sehr hohe Gesamtenergieeffizienz des Gebäudes ist v. a. das Ergebnis einer stringenten Vermeidung von Wärmeverlusten. Durch die hervorragenden Dämmwerte von Wänden, Dach und Fenstern wurden die größten Effekte erzielt. Außerdem leisten die effiziente Lüftungsanlage, die neben der Wärme auch die Raumluftfeuchte zurückgewinnen kann, sowie der windstabile Sonnenschutz einen signifikanten Beitrag. Die Photovoltaikanlage, die die gesamte Dachfläche des Gebäudes bedeckt, sorgt in Kombination mit einem Batterie-Pufferspeicher für eine teilautarke regenerative Stromversorgung und rundet das Energiekonzept ab (Bild 3).

Darüber hinaus sorgen weitere Komponenten für einen stabilen, zukunftssicheren Betrieb: Der erforderliche Spitzenlastkessel, welcher mit Biogas betrieben werden kann, schaltet sich erst außerhalb der Einsatzgrenzen der Wärmepumpe bei sehr niedrigen Außentemperaturen ab –10 °C zu. In den zurückliegenden fast vier Jahren (2019 bis Herbst 2022) wären das in Summe lediglich 27 h gewesen. Die Lüftungsanlagen können nicht nur über Rotationstauscher Wärme und Feuchte zurückgewinnen, sondern auch mit belegungsabhängig und bereichsweise angepassten Luftmengen betrieben werden. So können energiesparend für jeden Bereich getrennt der CO2-Gehalt und die relative Raumluftfeuchte bestimmt und eingestellt werden.

2.5 Modulares Bauen

Für mehr Effizienz bei der Montage der technischen Gebäudeausrüstung haben ZÜBLIN und SIEGLE + EPPLE gemeinsam vorgefertigte TGA-Deckenmodule entwickelt. Dies ermöglicht eine deutlich beschleunigte, wirtschaftliche und qualitätsoptimierte Installation der Lüftungs-, Heiz- und Kühltechnik. Die Qualität der 4 m langen Module ist aufgrund der Vormontage unter optimalen Bedingungen in einer Werkhalle signifikant höher als bei einer üblichen TGA-Installation auf der Baustelle. Zudem konnte so die Montagezeit auf der Baustelle deutlich von drei Wochen pro Etage auf zwei Tage verkürzt werden – und das bei gleichzeitig geringerem Personalaufwand. Zukünftig sollen die Module weiter optimiert und einzelne Komponenten z. B. als BIM-Bausteine entwickelt und angewandt werden, sodass mithilfe von generativem Design automatisch passende Module erstellt werden können. Die TGA-Deckenmodule werden im Innovation Center zu Demonstrationszwecken offen präsentiert und in Kombination mit entsprechender Beleuchtung als Innovation in den Vordergrund gestellt (Bild 4).

2.6 Durchdachte Begrünung

Biologische Vielfalt und die Verbesserung des urbanen Klimas beginnen direkt an den Gebäuden und anliegenden Außenflächen. Zur Verbesserung des Mikroklimas ist das Innovation Center von grünen Inseln umgeben, die das gesamte Gelände inkl. Vorplatz und Innenhof prägen. Zusätzlich wurden zwei verschiedene Fassadenbegrünungssysteme installiert. Diese übernehmen eine zusätzliche Dämmfunktion, verbessern die Luftqualität, erzeugen Sauerstoff, filtern Staub und reduzieren Lärm.

Zum einen wurde eine bodengebundene Rankbepflanzung aus wildem Wein an verschiedenen Fassadenseiten kultiviert – eine Reminiszenz an den ursprünglichen ZÜBLIN-Hauptsitz am Fuße der Weinberge in der Stadtmitte. Zum anderen wurden heimische, vorkultivierte Pflanzmodule über eine Unterkonstruktion als Intensivbegrünung an einer Fassade installiert. Aufgrund der hohen Vielfalt an Bäumen, Sträuchern, Gräsern und Stauden können unterschiedliche Tiere und Insekten Nahrungsquellen und Brutplätze finden.

Für die Klimaresilienz spielt u. a. die grüne Infrastruktur eine große Rolle. Grüne Maßnahmen sind auch mit der Verwendung von Wasser verbunden: Ziel ist der vollständige Rückhalt des Regenwassers am Grundstück und eine direkte Zuführung zu den Sub­straten bzw. Pflanzen. Zur Bewässerung der Fassadenbegrünung am Innovation Center sowie der grünen Inseln im Innenhof und auf dem Vorplatz dient eine rd. 60.000 l fassende Retentions­zisterne (Regenwasservorratsspeicher).

2.7 Elektromobilität

Eine großzügige E-Mobilitätsinfrastruktur rundet das Nachhaltigkeitskonzept des neuen Konzernhauses ab. Insgesamt stehen den Mitarbeiter:innen 24 E-Ladestationen in der Tiefgarage und an den Außenstellplätzen zur Verfügung (Bild 5). Weitere E-Ladeanschlüsse gibt es in der großzügigen Fahrradgarage mit 116 Plätzen.

3 Zertifizierung

Wie bereits bei den drei bestehenden Bürogebäuden auf dem Campus – ZÜBLIN-Haus (Z1), Z2 und Z3 – wird auch für das Innovation Center eine Zertifizierung der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) angestrebt. Die integrale Planung und das ausgeklügelte Energiekonzept leisten einen großen Beitrag zur Erreichung des angestrebten Zertifizierungsniveaus. Die nachhaltige Bauausführung hat das Projektteam bei regelmäßigen Begehungen über eine konzerneigene mobile App digital protokolliert. Die materialökologisch geprüften und freigegebenen Bauprodukte wurden ebenfalls per App auf dem Mobilgerät direkt vor Ort digital überprüft. Mobile Anwendungen wie diese sind eine wesentliche Arbeitserleichterung für die Bauleitung; die ­Aktualität der verwendeten Daten ist dabei jederzeit durch den Zugriff auf eine zentrale Datenbasis sichergestellt.

4 Neues Raum- und Arbeitsplatzkonzept

Immer mehr Firmen in der Baubranche arbeiten an Modellen, die im weitesten Sinn etwas mit dem Schlagwort New Work zu tun haben. Die Grenzen zwischen Leben und Arbeiten sollen damit im Alltag auf produktive Weise verschwimmen. Ziel bei der Planung des neuen Standorts war es, den Mitarbeiter:innen ein gutes Gefühl zu geben und dynamisches Arbeiten zu ermöglichen.

Die Bürozonen in den Regelgeschossen sind als moderne Open-Space-Bereiche mit einheitlich ausgestatteten Wechselarbeitsplätzen (zwei Bildschirme und höhenverstellbare Arbeitsflächen) ausgestattet. Verschiedene kleinere Räume fungieren ergänzend als Rückzugsmöglichkeit zum konzentrierten Arbeiten. Dabei herrscht freie Platzwahl. Man setzt sich einfach an einen freien Platz und beginnt zu arbeiten (Desksharing). Am Abend heißt es Clean Desk – der Schreibtisch muss wieder von allen Gegenständen freigeräumt werden. Zur Aufbewahrung persönlicher Gegenstände stehen abschließbare Fächer zur Verfügung.

Neben agilem Arbeiten und einem erhöhten Nutzungskomfort durch verschiedene Arbeitsmöglichkeiten verringert diese Konzeption den Flächenverbrauch im Gebäude. Im weiteren Zusammenspiel mit Homeoffice-Regelungen wird so ein Beitrag zur Verringerung des CO2-Ausstoßes am Standort und im Konzern geleistet.

Durch einen Farbwechsel im textilen Bodenbelag grenzen sich die ruhigen Arbeitsplatzflächen von der Flurzone sowie den kommunikativeren Lounge- und Besprechungsbereichen ab. Der Innovation Campus im 3. OG ist als offene Kommunikationszone für interdisziplinäre Zusammenarbeit gestaltet (Bild 6). Mit einem abwechslungsreichen Raumangebot soll er Neugierde wecken und zu Austausch und Entdeckung einladen. Um den Anforderungen an verschiedene Tätigkeiten und Arbeitsweisen gerecht zu werden, gliedert sich der Campus in vier unterschiedliche Bereiche, deren Aktivitäten sich auf einem Spektrum von laut + aktiv hin zu leise + kontemplativ bewegen. Dieser Verlauf wird durch das Farb- und Materialkonzept abgebildet, das die verschiedenen Räume intuitiv ablesbar macht. Nachhaltige und natürliche Materialien wie z. B. Kork und Holz unterstützen den informellen Charakter des Geschosses.

5 Fazit

Mit dem Innovation Center setzt die STRABAG-Gruppe Maßstäbe – und das nicht nur in Sachen nachhaltige Bauweise. Durch den Einsatz von BIM 5D und LEAN-Prinzipien sorgt die STRABAG-Tochter ZÜBLIN für nachhaltig effiziente Prozesse. Die Erfahrungen des Entwicklungs-, Planungs- und Ausführungsteams können zukünftig bei der Realisierung weiterer nachhaltiger Bauwerke genutzt und eingesetzt werden. Der größte Hebel für die Nachhaltigkeit liegt hierbei in einer konsequenten Prüfung aller Planungs- und Ausführungsentscheidungen hinsichtlich der definierten Nachhaltigkeitsziele, im Optimalfall ab der Leistungsphase 0. Das Bewertungssystem der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e. V. (DGNB) bietet ein hervorragendes Werkzeug für eine strukturierte Projektabwicklung unter Berücksichtigung aller Dimensionen der Nachhaltigkeit. Mit ihrem Kompetenzzentrum für nachhaltige Planung, der Zentralen Technik und ihren leistungsstarken operativen Direktionen bietet die Ed. Züblin AG ihren Auftraggeber:innen nachhaltiges Planen und Bauen aus einer Hand an.


Autor:innen

Axel Möhrle
STRABAG Real Estate GmbH, Stuttgart
sre.stuttgart@strabag.com
www.strabag-real-estate.com

Dr.-Ing. Karoline Fath

Dipl.-Ing. (FH) Markus Genswein

Dipl.-Ing. Architektin Annette Richter

Dipl.-Ing. (FH) Michael Reichardt

Dipl.-Wirt.-Ing. Moritz Reininger

Dipl.-Ing. (FH) Architekt Mark Schepurek

Dipl.-Ing. Architekt Manfred Werner

Joachim Zabel
Ed. Züblin AG, Stuttgart
info@zueblin.de
www.zueblin.de

Oliver Schirp
STRABAG BRVZ GmbH & Co. KG
info.de@strabag.com
www.strabag.com

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