Biodiversität in der Bau- und Immobilienbranche

Ein Überblick

Die Immobilienbranche ist im Wandel. Einerseits bedingt durch die Auswirkungen geopolitischer Entwicklungen und ein Ende der Phase des billigen Geldes, andererseits durch die fortschreitende Regula­torik zur Umsetzung des Green Deal und aufgrund des Willens zur notwendigen Bauwende. Aktuell liegt der Fokus auf den CO2e-Emissionen, von CRREM-Tool bis zu Fördermitteln für Sanierungen sind viele Aspekte in der Breite angekommen. Auch über die Bedeutung von Klimawandelrisiken und Zirkularität wird diskutiert, nicht nur im Kontext der EU-Taxonomie. Was dabei aber für das ganze Bild fehlt, ist eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Biodiversität in deren thematischer Breite. Dieser Beitrag soll ein Grundverständnis und eine erste Orientierung geben, als Basis für eine qualifizierte Debatte.

1 Einführung

Das Thema Biodiversität ist für viele in der Bau- und Immobilienbranche noch Neuland. Daher sollte man zunächst die wesentlichsten Aspekte verstehen – wohlwissend, dass wir uns zwar ein Verständnis aneignen können, das hinreichend für grundlegende Überlegungen sein kann, aber nicht ausreichend für die Umsetzung. Hierfür braucht es Experten, die dieses Fachgebiet der Biologie verstehen.

1.1 Definition und aktuelle Entwicklungen

Unter Biodiversität versteht man, laut Definition der Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES) und des Umweltbundesamts (UBA), die Vielfalt an Ökosystemen, Arten und Genen. In neueren Definitionen wird zuweilen die Vielfalt durch Verhaltensmuster/-weisen ergänzt.

Wichtig ist zu verstehen, dass diese Elemente miteinander verbunden sind und aus sehr komplexen, dynamischen und zuweilen spezialisierten Abläufen ihre Stabilität und Anpassungsfähigkeit ableiten. Je vielfältiger der Genpool ist und je größer die Populationen von Arten sind, desto mehr evolutionäre Resilienz besitzen diese – und damit auch die Ökosysteme. Jedes Individuum zählt, jede Art ist wichtig.

Die Evolution kennt eine natürliche Aussterberate. Die derzeitige liegt jedoch, je nach Ökosystem, 100- bis 1000-mal höher. Es handelt sich hier nicht mehr um die Effekte von Fortentwicklungen oder eine Anpassung an Veränderungen der Habitate, z. B. durch Dürren oder Erwärmung, sondern um ein Massensterben mit der Gefahr, dass ganze Ökosysteme kollabieren. Der letzte Living Planet Report des WWF zeigte einen Verlust von fast 70 % der wild lebenden Wirbeltiere. Eine aktuelle Studie zeichnet ein noch dramatischeres Bild und sieht von geschätzten 8 Mio. Arten schon 2 Mio. vom Aussterben bedroht, in Europa ist jede fünfte Art gefährdet [1].

Die Treiber hinter diesem Biodiversitätsverlust sind klar bekannt:

  • Flächenveränderung
  • Klimawandel
  • Invasive Arten
  • Umweltverschmutzung
  • Übernutzung

Bei all diesen Treibern sehen wir eine Zunahme; der Druck auf die Biodiversität wächst. Die Treiber sind untereinander wechselwirkend und befeuern sich zum Teil gegenseitig, was das Risiko einer weiteren Verschärfung der ökologischen Krisen und resultierender Schäden zusätzlich erhöht.

1.2 Ökosystemleistungen allgemein

Die Biodiversität ist für unsere Gesellschaft und Wirtschaft von zentraler Bedeutung, da sie unseren Lebensraum erhält und Ressourcen bereitstellt. Dies bezeichnet man als Ökosystemleistungen (ÖSL) (Bild 1). Wir unterscheiden hier 18 Kategorien, die sich in regulierend, materiell und nicht materiell gruppieren.

Jede wirtschaftliche Tätigkeit hängt direkt oder indirekt von einer oder mehreren dieser Leistungen ab. Beispielhaft seien hier zwei Ökosystemleistungen genannt: sauberes Trinkwasser und saubere Luft hängen beide von verschiedenen Filterleistungen der Ökosysteme ab. Klingt trivial, ist aber nicht mehr überall hinreichend gesichert.

Die menschliche Gesundheit und das Wohlbefinden sind elementar mit den ÖSL und damit der Biodiversität verknüpft. Nicht zuletzt spielt auch die Vielfalt des menschlichen Mikrobioms eine wichtige Rolle für unsere individuelle Gesundheit, die wir erst langsam verstehen lernen [3, 4].

1.3 Bedeutung für Klimaschutz und -anpassung

Von besonderer Bedeutung sind die Ökosysteme aufgrund der Fähigkeit zur Bindung von CO2 und des Schutzes vor Extremwetter. Der natürliche Kohlenstoffkreislauf ist in wesentlichen Teilen, neben geologischen Vorgängen, ein biologischer Mechanismus. Unsere Klimaschutzziele werden wir ohne die natürliche Bindung von emittiertem CO2, das vormals aus dem System entfernt und fossil gespeichert wurde, nicht erreichen können. Und man weiß aus aktueller Forschung, dass biologische CO2-Senken (z. B. tropische Wälder) ab bestimmten Temperaturen zu CO2-Quellen werden, was die Wechselwirkung von Klima- und Biodiversitätsschutz nochmals unterstreicht. Zudem können bestimmte Spezies ihre Funktionen bei der CO2-Bindung nicht mehr voll erfüllen, wenn sich deren Lebensbedingungen ändern. Hier seien allen voran die Temperaturerhöhung und die Versauerung der Meere genannt, womit jene Lebewesen unter Druck geraten, welche Sauerstoff produzieren, die Grundlage von Nahrungsnetzen sind und eine wesentliche Rolle im natürlichen Kohlenstoffkreislauf spielen: Plankton.

Wir riskieren also, dass div. natürliche CO2-Senken verloren gehen infolge der negativen Auswirkungen des Klimawandels auf die Systeme. Diese können sich auch nur bedingt anpassen, und die entstehenden Lücken werden zuweilen von Arten besetzt, die anders „funktionieren“ – meist nicht zu unserem Vorteil [5–7].

1.4 Risikopotenzial Biodiversitätsverlust

Damit einher gehen Risiken, die auch immer klarer erkannt, benannt und erfasst werden können. Sowohl im Klimarisiko für die Bundesrepublik [8] wie auch schon 2020 in einem Papier der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und in einer aktuellen Veröffentlichung bei der EZB sind Risiken für die Wirtschaft durch Biodiversitätsverlust – allen voran den Kapitalmarkt – benannt [9].

Ein wichtiger Aspekt des Risikoprofils ist die Unumkehrbarkeit des Artenverlusts. Im Gegensatz zum Klimaschutz, den man mit Kapital beschleunigen und die Abscheidung von Emissionen (CCS/DAC) in bestimmtem Umfang realisieren kann, ist so etwas bei Biodiversität nicht möglich (Bild 2). Wir können keine Arten, keinen Boden, keine Ökosysteme erschaffen. Beim Klimaschutz geht es daher vorrangig um ein quantitatives Problem (Emissionsmengen), bei der Biodiversität indes auch ganz klar um ein qualitatives Risiko (Vielfalt). Der Vorteil ist, dass die Natur sich oftmals sehr gut regeneriert, wenn der Mensch sich zurückzieht.

Im Kern ist aber das Risiko nicht eindeutig zu erfassen, da wir nur ca. 2 Mio. von geschätzten 8 Mio. existierenden Arten überhaupt kennen. Man muss daher annehmen, dass jeden Tag ca. 150 Arten aussterben, von denen wir die meisten nicht kannten – darunter ggf. wertvolle Quellen für Heilmittel und vieles mehr, deren wirtschaftliches Potenzial so nie genutzt werden kann. Wir sind somit aktuell hoch riskant unterwegs, denn wir wissen, dass wir Ökosystemen massiven Schaden zufügen, aber nicht im Detail, wie schwer die Schädigung auf Ebene der Arten und Funktionsweisen von Ökosystemen genau ist und wie diese darauf reagieren.

Die Kosten von Pandemien, deren Auftreten durch den Verlust von Biodiversität wahrscheinlicher wird [10], ebenso wie stärkere Schäden bei Flut, Sturm, Starkregen et al. sind dabei noch nicht einmal mit einkalkuliert.

Auch für die Bau- und Immobilienbranche sind die resultierenden Risiken vielfältiger Natur – von der direkten Abhängigkeit (Rohstoffe, Wasser etc.) bis zu den Anforderungen von Investoren und Mietern, deren Geschäftsmodell und wirtschaftlicher Erfolg auf dem Erhalt von Biodiversität gründet.

Die Risiken und Abhängigkeiten sind hinreichend verstanden, dokumentiert und Lösungen bekannt [11–13]. Sie nicht anzugehen, wäre grob fahrlässig und hoch riskant.

1.5 Relevante Institutionen (IPBES)

Auch für den Bereich der Biodiversität gibt es etablierte Stakeholder in Form von internationalen und nationalen NGOs, Interessenvertretern, Forschungseinrichtungen und politischen Institutionen. Besonders hervorzuheben sind hier auf internationaler Ebene das IPBES, das Gegenstück zum IPCC, und auf nationaler Ebene das Bundesamt für Naturschutz (BfN). Mit den Arbeiten von International Union for Conservation of Nature (IUCN), Umweltbundesamt (UBA), World Wildlife Fund (WWF), Naturschutzbund Deutschland e. V. (NABU), Helmholtz-Forschung und vielen Weiteren können wir auf eine Fülle von Erfahrungen, Ideen, Rahmenwerken und Projekten zugreifen.

2 Politische und regulatorische Entwicklungen

Der Schutz der Biodiversität wird aktuell in verschiedenen politischen Zielen als ein Teilaspekt diskutiert und verankert. Die Dynamik ist hoch, weil viele Programme, Gesetze und Fördermittel zeitversetzt, aber parallel entwickelt werden. Damit fehlt zuweilen eine exakte Abstimmung, welche dann in der laufenden Anwendung stattfinden muss. Dies ist nicht der Idealprozess, aber in Anbetracht der knappen Zeit für die Transformation allemal sinnvoll.

2.1 Kunming-Montreal-Abkommen

Wie beim Klimaschutz, gibt es auch für Biodiversität und Öko­systeme internationale Schutzabkommen unter der Schirmherrschaft der United Nations (UN). In 2022 fand – im Anschluss an das letzte Treffen vor Corona in Kunming (China) – in Montreal (Kanada) die 15. Weltnaturkonferenz (Convention on Biological ­Diversity – CBD COP 15) statt, bei der ein internationales Abkommen zum Schutz der Biodiversität mit 23 Zielen bis 2030 verabschiedet wurde.

Das Kunming-Montreal-Abkommen ist der übergeordnete Rahmen für die Ziele der EU zu Biodiversität, analog zum Pariser Klimaabkommen für den Klimaschutz. Es dient als Referenzrahmen und Bezugspunkt für die neuen Reportingpflichten der EU.

Langfristig wird von der UN bis 2050 global ein Leben in Harmonie mit der Natur angestrebt.

2.2 Green Deal

Die Übersetzung des Kunming-Montreal-Abkommens für Biodiversität und des Pariser Abkommens für Klimaschutz in europäisches Recht und die notwendigen Transformationen sind im Green Deal der EU gebündelt. Dieser ist in unserer Branche v. a. bekannt für Elemente des zum Green Deal gehörenden Sustain­able Finance Action Plans. Zu diesem gehören die EU-Taxonomie (Klassifikation), die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR – Offenlegungsverordnung) und die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD – EU-Pflicht zum Nachhaltigkeitsreporting). Aber auch die Energy Performance Building Directive (EPBD), die sektorspezifischen Einsparziele und weitere Vorgaben kommen aus dem Green Deal.

In den Elementen des Green Deal ist das Thema Biodiversität, immer eingebettet in die durchgängig zugrunde liegende ESG-Logik, in unterschiedlicher Ausprägung und Ausrichtung verankert.

2.3 EU-Biodiversitätsstrategie

Von der EU wurde 2020 eine eigene Biodiversitätsstrategie verabschiedet. Diese gilt für alle Mitgliedstaaten und hat folgende Ziele bis 2030:

  • gesetzlicher Schutz von mindestens 30 % der Landfläche und 30 % der Meeresgebiete der EU, davon ein Drittel streng geschützt,
  • Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme, auch durch rechtlich verbindliche Ziele zur Wiederherstellung der Natur,
  • Umkehr des Rückgangs an Bestäubern,
  • Reduzierung des Einsatzes und des Risikos von Pestiziden um 50 %,
  • Landschaftselemente mit großer biologischer Vielfalt auf mindestens 10 % der landwirtschaftlichen Fläche,
  • ökologische Landwirtschaft auf mindestens 25 % der landwirtschaftlichen Fläche,
  • Wiederherstellung von mindestens 25.000 Flusskilometern in der EU als frei fließende Flüsse,
  • Bekämpfung von Beifängen und Schädigungen des Meeresbodens.

Der Hintergrund für diese Strategie sind das Verständnis der Abhängigkeiten unserer Wirtschaft von den ÖSL, die Bedeutung der Natur für den Kampf gegen die Klimakrise, die wirtschaftliche Prosperität und die Gesundheit der Bevölkerung.

Zur Umsetzung der Biodiversitätsstrategie werden eigene EU-Programme aufgelegt. Allerdings bestehen weiterhin Zielkonflikte mit sonstigen Aktivitäten, d. h., eine Harmonisierung mit z. B. den technischen Kriterien für eine nachhaltige Immobilie laut EU-Taxonomie ist nicht gegeben.

Die nationale Biodiversitätsstrategie der Bundesrepublik Deutschland ist aktuell in der Überarbeitung und soll dann konform zur EU-Biodiversitätsstrategie und dem Kunming-Montreal-Abkommen sein.

2.4 EU-Taxonomie

In der sog. EU-Taxonomie (Verordnung (EU) 2020/852), also dem System zur Klassifikation nachhaltiger Wirtschaftstätigkeiten, findet sich die Biodiversität als eines von sechs Schutzzielen. Für den Bau- und Immobiliensektor ist hier keine significant contribution möglich, es kann also kein Schutzziel sein, womit es immer nur als Do-no-significant-harm- (DNSH-) Kriterium zu betrachten ist.

Der Fokus liegt hier auf der Einhaltung von EU-Verordnungen zum Schutz von Arten und Habitaten (Natura 2000) sowie Böden und Wäldern. Die Auslegung des DNSH-Kriteriums erfolgt national aber sehr unterschiedlich. In Deutschland ist für Böden aktuell kein effektiver Schutz gegeben, da hier davon ausgegangen wird, dass, wenn ein B-Plan vorliegt, die entsprechende Sachprüfung bereits erfolgt ist.

2.5 CSRD

Die CSRD löst sukzessive die Non-Financial Reporting Directive (NFRD; für große Unternehmen) und das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG) ab, also bisherige Reportingpflichten zur Nachhaltigkeit. In der BRD müssen dann ca. 15.000 Unternehmen, viele schon 2026 für das Geschäftsjahr 2025, nach diesem Standard in ihrem Geschäftsbericht zu ESG-Kriterien berichten – gleichwertig zu finanziellen Kennzahlen. Die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) definieren hier die Themen, Unterthemen und Unter-Unterthemen für E, S und G (Tab. 1). Im Gegensatz zur EU-Taxonomie ist hier für E, S und G ein breites Spektrum abzudecken und vom jeweiligen Unternehmen um branchenspezifische Aspekte zu ergänzen. Das Ziel der CSRD ist eine höhere Transparenz, welche Unternehmen schon nachhaltig wirtschaften bzw. wie sie den Übergang dorthin gestalten und damit ihre ökonomischen Risiken minimieren. Dies gilt auch für die Biodiversität, wo u. a. Übergangspläne für das Erreichen und Einhalten der Ziele des Kunming-Montreal-Abkommens gefordert werden.

Themenbezogener ESRSIn themenbezogenen ESRS behandelte Nachhaltigkeitsaspekte
ESRS E4ThemaUnterthemaUnter-Unterthema
Biologische Vielfalt und ÖkosystemeDirekte Ursachen des BiodiversitätsverlustsKlimawandelLandnutzungsänderungen, Süßwasser- und Meeresnutzungsänderungendirekte Ausbeutunginvasive gebietsfremde ArtenUmweltverschmutzungSonstige
Auswirkungen auf den Zustand der ArtenBeispiele:Populationsgröße von Artenglobales Ausrottungsrisiko von Arten
Auswirkungen auf den Umfang und den Zustand von ÖkosystemenBeispiele:LanddegradationWüstenbildungBodenversiegelung
Auswirkungen und Abhängigkeiten von Ökosystemdienstleistungen 
Tab. 1 Überblick Thema, Unterthema und Unter-Unterthema für ESRS E4 [14]

Ohne die CSRD im Detail erklären zu wollen, ist sie für Biodiversität aus zwei Gründen bedeutsam: Zum einen, weil Unternehmen bei der Bewertung ihrer eigenen Geschäftsaktivitäten durch den Double-Materiality-Ansatz auch die Auswirkungen auf Biodiver­sität und Ökosysteme bewerten müssen. Zum anderen, weil Bio­diversität und die Folgen deren Verlusts für die eigene Wirtschaftstätigkeit breit angelegt zu betrachten sind, basierend auf den Ökosystemleistungen, womit z. B. Erdrutsche hier ein Risiko sind. Und das nicht nur für das direkte Kerngeschäft, sondern auch für die vor- und nachgelagerten Teile der Wertschöpfungskette. Als Referenzrahmen dienen das Kunming-Montreal-Abkommen, die EU-Biodiversitätsstrategie und relevante Richtlinien der EU (2009/147/EG, 92/43/EWG, 2008/56/EG).

Im Detail gilt es bei der CSRD drei Risikokategorien zu betrachten: transitorische, physische und systemische Risiken. Das setzt vo­raus, dass man sowohl seine eigene Wertschöpfung gut kennt als auch Wissen über Ökosystemleistungen hat. Für die physischen Risiken gibt es mit ENCORE (Exploring Natural Capital Opportunities, Risks and Exposure) und anderen Tools erste Unterstützung bei der Erfassung, wobei i. d. R. nur grobe Einschätzungen für grundsätzliche Risiken möglich sind, wie z. B. die Gefahr von Erdrutschen an den eigenen Standorten infolge der Veränderung von Ökosystemen. Eine hinreichend detaillierte, lokal basierte Betrachtung geht nur mit Unterstützung von Experten. Bei den systemischen Risiken, also dem Verlust ganzer Ökosysteme, sind der Impact auf die Verfügbarkeit von Rohstoffen, die Nutzbarkeit von Standorten bzw. Assets und die wirtschaftliche Situation der eigenen Kunden (z. B. Agrar- und Lebensmittelproduzenten) relevant. Die transitorischen Risiken, also mögliche Kosten und Verluste an Aufträgen etc., hängen stark vom jeweiligen Geschäftsmodell ab. Klar ist aber, dass auch Biodiversität mittelfristig bei Finanzierung (Kredite), Ankauf und Anmietung von Objekten einen Preis bekommen wird, schlichtweg weil deren Verlust für die Gesamtwirtschaft und insbesondere den Finanzmarkt ein hohes Risiko der Destabilisierung birgt. Eine detailliertere Beschreibung zum Verständnis der Biodiversität gemäß ESRS und der drei Risikoarten findet sich im Annex I der Ergänzung der Richtlinie 2013/34/EU vom 31. Juli 2023 ab S. 142 [14].

Somit sprechen wir aber nicht mehr nur von lokalem Schutz, sondern auch von Fragen zur Lieferkette: Wo kommt das Material für unsere Bauaktivitäten her und wie wird es gewonnen, verarbeitet und transportiert?

Die ESRS E4 ist auch immer im Zusammenhang mit ESRS E1 Klimaschutz, E3 Wasser und den anderen Themen von E zu lesen. Im Gegensatz zum ursprünglichen Draft ist E4 aber nicht mehr für alle Unternehmen von Beginn an verpflichtend. Wer nicht direkt dazu berichtet, muss allerdings darlegen, wieso es als Thema nicht wesentlich ist und wie bis 2027 damit umgegangen wird.

Für 2026 sind von der EFRAG die sektorspezifischen Anforderungen angekündigt, d. h., die aktuell allgemein gehaltenen Themen werden für unsere Branche detailliert. Bis dahin gilt es mit den allgemeinen Datenpunkten (119 für Biodiversität) und passenden Key Performance Indicators (KPI) für die eigenen Risiken im Geschäftsmodell bzw. den Auswirkungen zu arbeiten. Was solche KPI sein können, hierzu liefert oftmals die Praxis (Abschn. 3) mögliche Antworten, z. B. der Versiegelungsgrad.

2.6 Rahmenwerke für die Bewertung

Für die Bewertung von Biodiversität gibt es noch keine einheitliche Methode oder Metrik, die im Finanzmarkt zur Anwendung kommt. Es gibt mit dem WWF Riskfilter und dem ENCORE-Tool sowie weiteren Ansätzen – inkl. vieler Start-ups – eine Menge unterschiedlicher Optionen. Viele davon sind aber noch nicht granular genug und decken nicht alle Bereiche ab. Für die Auswahl eines Bewertungsverfahrens sollten die wesentlichen Anforderungen sein: wissenschaftliche Fundierung und die Möglichkeit zur Validierung durch unabhängige Dritte, also z. B. den Wirtschaftsprüfer, sowie für den Immobilienbereich eine Berücksichtigung des tatsächlichen Standorts.

Da Biodiversität immer auch stark lokal geprägt ist, sind Ansätze via reiner Fernerkundung (z. B. Satellitendaten), also die Bestimmung von ökologischen Gegebenheiten und Sensitivitäten sowie die Ableitung sinnvoller Maßnahmen auf Basis von rein allgemeinen Informationen zum Standort, immer mit Vorsicht zu betrachten.

Aktuell wird das neue Rahmenwerk der Taskforce for Nature-related Financial Disclosure (TNFD) oftmals als Referenz genannt, so u. a. in der CSRD, aber auch bei der Global Reporting Initiative (GRI), der Partnership for Biodiversity Accounting Financials (PBAF) und dem Science Based Target Network (SBTN). Welcher Standard sich am Ende durchsetzen wird, ist noch offen.

Die EU selbst bietet zu den verschiedenen Frameworks und ihren Aktivitäten eine Übersicht auf https://green-business.ec.europa.eu/business-and-biodiversity/about_en.

Für die angestrebte Transformation der Finanzwirtschaft ist es wichtig (s. Green Deal), dass Risiken durch und Auswirkungen auf Biodiversitätsverluste von Firmen transparent dargelegt werden. Nur so können Gelder langfristig sicher angelegt werden.

Elementar ist am Ende aber nicht das Reporting, sondern der Erfolg in der Praxis, von der Lieferkette über den Standort und Betrieb des Gebäudes (Facility-Management) bis hin zur Kantine. Nur wenn diese glaubhaft dargestellt und ihre Umsetzung dokumentiert wird, sind z. B. die für ein CSRD-Reporting erforderlichen sog. Übergangspläne glaubhaft.

3 Praxis

In der Praxis bieten sich zu verschiedenen Zeitpunkten und in unterschiedlichen Bereichen immer Möglichkeiten, etwas für die Biodiversität zu tun. Für die Details z. B. einer Grünfassade gibt es hinreichend Planungshilfen, Experten und Fachfirmen zur Unterstützung. Für den Erfolg unabdingbar ist eine integrale Planung, die frühzeitig die einzelnen Disziplinen, von Baustellenlogistik über Statik bis hin zum späteren Facility-Management, möglichst gut einbindet.

3.1 Biodiversität über den Gebäudelebenszyklus

Will man Biodiversität in der Immobilienbranche verankern, bietet es sich an, die Betrachtung anhand des Lebenszyklus zugrunde zu legen. Einerseits ist diese zunehmend etabliert und bietet den einzig zukunftsfähigen Ansatz, sowohl unter ökologischer (Life Cycle Assessment) wie auch unter ökonomischer Betrachtung (Life Cycle Costs), zumal die Kosten vermehrt aus ökologischen Aspekten resultieren, wie z. B. CO2-Abgaben. Andererseits aufgrund der Wechselwirkungen von Maßnahmen zur Biodiversitätssicherung mit anderen Parametern, wie z. B. der Fassadengestaltung und Klimaanpassung, um so Zielkonflikte zu vermeiden und Synergien zu nutzen (Niederschlag/Hitze).

Die Orientierung am Lebenszyklus hilft, die Ansatzpunkte zu sortieren und Zuständigkeiten je Zyklusphase daran auszurichten: von der Flächenumwidmung über die Errichtung des Gebäudes und seinen Betrieb bis zum Rückbau. Und gerade auch bei der Sanierung spielt Biodiversität eine wesentliche Rolle. Denn der Klimakomfort im Bestand und die Erholungs- und Erlebnisräume hängen u. a. von biodiversen, weil damit klimastabilen Grünelementen im städtischen Raum ab.

Außerdem ist es ratsam, dass wir mittelfristig möglichst alle Themen des Bauens und Betreibens anhand des Lebenszyklus gebündelt betrachten, um Wechselwirkungen der Einzelthemen sichtbar zu haben. Damit können wir Mehrwerte schaffen, wenn es z. B. um Maßnahmen zu Biodiversität, Klimaanpassung, CO2-Einsparung, Zirkularität und auch Komfort für Nutzer:innen geht.

3.2 Standort

Der erste Einflussbereich auf Biodiversität und Ökosysteme ist der Flächenverbrauch. Dieser liegt aktuell bei über 50 ha/d und damit deutlich über dem Ziel von 30 ha/d, das von der nationalen Biodiversitätsstrategie vorgegeben war – für das Jahr 2020 [15].
Die Zersiedelung von Habitaten, die Veränderung von Mikroklima und Wassersystemen, der Verlust von Böden und viele weitere Faktoren des klassischen Neubaus tragen zum Verlust von Biodiversität bei.

Daher hat eine Prüfung der Notwendigkeit eines neuen Bauvorhabens immer erste Priorität. Wenn dieses unvermeidbar ist, gilt es bei der Standortwahl sehr sensibel vorzugehen und idealerweise ein Brownfield oder den Bestand zu aktivieren. Als weiteren Schritt gilt es, sowohl die Bauzeiten als auch die Baulogistik möglichst unter Rücksicht der bestehenden natürlichen Strukturen auszulegen, also z. B. Wanderungsrouten und Ruhezeiten von Tieren sowie die Blühzeiten von wichtigen Nahrungsquellen zu berücksichtigen und zu prüfen, inwiefern Bewuchs erhalten und Boden unberührt bleiben kann. Gerade die Baustellenlogistik ist auch aufgrund lokaler Emissionen, allen voran Lärm, aber auch der Risiken bei der Lagerung von Schad- und Risikostoffen sowie der Verdichtung durch Maschinenbewegungen usw. nicht zu unterschätzen.

Dies alles zu prüfen, ist in der CSRD angelegt – plus die eigenen Standorte und jene der vor-/nachgelagerten Wertschöpfung bzw. Lieferketten sowie Landnutzungsänderungen [14].

Wenn eine ökologische Fläche in ihrer Nutzung verändert wird, gilt es demnach, die Versiegelung auf ein Minimum zu reduzieren, möglichst alle Flächen am Standort und am Gebäude für neue Habitate zu nutzen und dafür ein Biodiversitätskonzept zu entwickeln. Im besten Fall kann so der Verlust des Ausgangszustands teilweise kompensiert werden, was kein Argument pro Neubau sein darf. Wie bei allen ökologischen Themen ist scheinbare Kompensation immer die allerletzte Wahl und verweist auf zentrale Schwächen einer Wirtschaftstätigkeit mit Blick auf die ökologischen Notwendigkeiten unserer Zeit.

Idealerweise wird bei jeder Maßnahme die übergeordnete Biotopstruktur des Standorts berücksichtigt und in dichten Räumen ein Konzept für das Quartier entwickelt. Schließlich machen Arten nicht an der Grundstücksgrenze halt, brauchen unterschiedliche Situationen und nicht nur Nisthilfen. Ein durchgängiges Nahrungsangebot, vielfältige und aufeinander abgestimmte Arten sowie die Möglichkeit für Wildwuchs bieten der Natur die Chance, sich in Nischen zu stabilisieren und wie ein Netz über die gebauten Strukturen zu legen, also eine Summe aus vielen (Trittstein-)Biotopen, die sich miteinander verbinden.

Beim Standort mit zu berücksichtigen sind (übergeordnet) bestehende Konzepte für Klimaschutz, Klimafolgenanpassung und Biodiversitätsschutz, um nicht durch eigene Maßnahmen negative Folgeeffekte zu generieren. Das einfachste Beispiel ist hier die Verschattung von Solarpaneelen angrenzender Gebäude oder von Ladeinfrastruktur durch neue Bäume.

Außer Frage steht, dass es div. Möglichkeiten an jedem Standort gibt, und bei vielen wird eine Anpassung an den Klimawandel, insbesondere was Mikroklima und Wassermanagement angeht, über Entsiegelung und Grünelemente stattfinden. Hier gilt es, die geplanten Investitionen mit cleverer Planung auch für die Biodiversität aufzuwenden und somit in einen Mehrfachnutzen zu generieren.

Nicht zu vernachlässigen ist dabei auch die Abklärung potenzieller Risiken, wie die verstärkte Bildung von bodennahmen Ozon infolge fotochemischer Reaktionen von Pflanzenemissionen sowie mögliche Allergene, allen voran eine Pollenbelastung (Heuschnupfen).

Maximalen Effekt erzielt man, wenn man nicht nur auf das Einzelgebäude und den eigenen Standort schaut. Das Quartier bringt viele der Themen als Planungsebene zusammen. Es wird an Bedeutung weiter gewinnen und es ist zu hoffen, dass Kommunen und Eigentümer hier Kompetenzen aufbauen und in Zukunft bei Biodiversität sinnvoll zusammenarbeiten.

3.3 Material und Konstruktion

Geht man vom Standort weiter in den Gebäudeentwurf, tauchen viele bekannte Aspekte auf: Vogelschlagschutz, Vermeidung von Neophyten und sonstigen invasiven Arten, Begrünung von Dächern und Fassaden, Bewahrung von nährstoffarmen Flächen (Magerwiesen) und Reduktion der Versiegelungen im Außenbereich, Erhalt von Totholzstrukturen, angepasste Beleuchtung und mehr.

Diese Punkte sind alle in div. Leitfäden beschrieben, z. B. zum Biodiversitätsgründach [16], dem Ratgeber zum Vogelschlagschutz [17] oder dem Leitfaden für die Beleuchtung vom BfN [18].

Oftmals werden diese Themen aber additiv oder zu spät in den Entwurfsprozess integriert, sodass die Gestaltung von Gebäude und Umfeld nicht mehr darauf reagieren kann. Eine bautechnisch saubere und ästhetisch ansprechende Integration der div. räumlichen Anforderungen von Flora und Fauna ist dann schwer möglich. Dabei ist es insbesondere für die geplante Ansiedelung von Tierarten wichtig, deren verschiedene Verhaltensweisen und dafür notwendige Raumkonfigurationen zu berücksichtigen. Denn natürlich sitzt die Kohlmeise nicht den ganzen Tag im Nistkasten.

Und selbst bei einem Insektenhotel kann man durch falsche Holzauswahl und Verarbeitung (Kanten) oder Platzierung an einer Stelle, die im Umfeld zu wenig Nahrung bietet, vermeidbare Fehler machen. Auch gut gemeinte Initiativen wie ein eigenes Bienenvolk können für bestehende Ökosysteme negative Folgen haben, wenn es hierdurch zur Nahrungskonkurrenz mit Wildbienen kommt. Diese können deutlich geringere Flugdistanzen bewältigen und sind oftmals auf eine oder wenige Pflanzenarten spezialisiert (oligolektisch), welche ausreichend im nahen Umfeld vorhanden sein müssen.

Neben diesen offensichtlichen Themen wird die Versorgung mit Wasser, gerade auch in Dürreperioden, ein entscheidender Faktor sein – nicht zuletzt was die Pflegekosten angeht. Das Gebäude sollte also in der Lage sein, Regen- und Grauwasser hierfür einzusetzen, was bei der Planung mit berücksichtigt werden muss.

Ebenso ist die Auswaschung von Bioziden und anderen schädigenden Stoffen, oftmals aus der Fassade, sowohl für die lokale Flora als auch durch den Eintrag in Oberflächengewässer ein Problem. Selbst wenn dabei einzelne Substanzen unter dem Grenzwert bleiben, ergeben sich in der Kombination aufgrund kumulativer Effekte plötzlich große Schadenspotenziale [19]. Oftmals ist hier mit gezielter Materialauswahl und bewusster Gestaltung (Dachüberstand) schon Abhilfe geschaffen.

Wer das Thema Biodiversität also in seiner Relevanz wirklich ernst nimmt, wird frühzeitig Experten mit an den Tisch holen, um diese Aspekte aufeinander abgestimmt und koordiniert bearbeiten zu können.

Die CSRD geht nun aber noch einen Schritt weiter und denkt Biodiversität umfänglicher, indem es auch die Materialien und deren Lieferketten mit adressiert. Hier ist gefordert, für die verwendeten Produkte und deren Bestandteil abzuklären, inwiefern deren Gewinnung und Verarbeitung (inkl. Lage der Standorte) unbedenklich für die Biodiversität sind. Wie dies in der Praxis genau erfolgen kann, gilt es nun für sich herauszuarbeiten.

Denkt man diese Anforderung für die Baustoffe mit großen Massen und mit sensiblen Stoffen zu Ende, so wird klar: die Zirkularität ist der Schlüssel für die Entlastung der Biodiversität, indem wir die Lieferketten in Kreisläufe umbauen. Auch hier ist die Wiederaufbereitung von Materialien in den Werken, was Standorte, Emissionen und sonstige mögliche Impacts angeht, nochmals genauer zu betrachten. Grundsätzlich ist aber für unsere Branche das zirkuläre Bauen einer der größten Hebel für den Biodiversitätsschutz. Außerdem gilt es hier auch bei scheinbar unbedenklichen, weil naturbasierten Stoffen wie Holz genau hinzuschauen. Die Waldbewirtschaftung und auch die weitere Verarbeitung inkl. Transport sind nicht per se ökologisch unbedenklich, und aktuelle Zertifikate wie FSC sind kein Garant für eine höhere Biodiversität [20]. Zumal der Versuch einer Substitution konventioneller, öl- oder mineralisch basierter Primärrohstoffe durch naturbasierte Stoffe zur weiteren Überlastung von Ökosystemen führen dürfte. Hier gilt analog zu Energiethemen: Am besten sparen.

An den Beispielen Biozide und Bewässerung wird klar, wieso E4 immer mit den anderen ESRS gemeinsam zu betrachten ist, hier ESRS E5 Umweltverschmutzung und ESRS E2 Wasser. Dabei ergeben sich noch weitere Möglichkeiten der positiven Wechselwirkungen mit Themen zur Klimaanpassung (ESRS E1). Hier schließt sich dann der Kreis, wenn man z. B. bei verwendeten Erdsubstraten auf torffreie Produkte achtet, damit die Moore dem Klimaschutz an der richtigen Stelle direkt dienen und nicht indirekt durch Grundlage für Bewuchs an einem unserer Gebäude.

Wichtig zu verstehen ist, dass – selbst wenn man als Unternehmen nicht nach CSRD berichten muss – ein Kunde oftmals seine eigenen CSRD-Anforderungen weiterreichen wird bzw. Daten für das eigene Reporting anfordert. Hierauf gilt es sich vorzubereiten, sodass die ganze Wertschöpfungskette der Bau- und Immobilienbranche sich gleichmäßig transformiert.

3.4 Liegenschaften und Betrieb

Wie bei den sonstigen Themen der geregelten Inbetriebnahmen und des Monitorings im FM ist auch bei der Biodiversität die Pflege im laufenden Betrieb erfolgsentscheidend. Auch hier sind die Ansatzpunkte direkt an Gebäude und Standort klar:

  • kein Einsatz von Pestiziden,
  • Pflegekonzepte abgestimmt auf Blühzeiten und Bewuchs,
  • Auswahl qualifizierter Dienstleister für Pflege von Bäumen und Gehölzen,
  • Verbot von Laubbläsern,
  • Einsatz torffreier Erde,
  • Vermeidung von Neophyten,
  • Flächen zur Verwilderung ausweisen,
  • Überprüfung der Beleuchtung,
  • Anpassung von Verträgen zu Grün-/Außenanlagenpflege,
  • Entsiegelung von Flächen,
  • Einrichtung neuer Habitate (z. B. Hummelburg, Sandarium),
  • Monitoringkonzept,
  • Anpassung von Mietverträgen,
  • Erlebnisräume für die Mitarbeiter:innen,
  • freiwillige Einbindung von Bewohner:innen und Mitarbeiter:innen in die Grünpflege,
  • Prüfung von Reinigungsmitteln für Fassadenreinigung,
  • Prüfung Reinigungskonzept generell,
  • Kombination von Solar- und Gründach,

Dies ist keine vollständige Aufzählung, gibt aber schon einmal einen guten Eindruck, wie vielseitig die Möglichkeiten sind. Nicht zuletzt ergeben sich aus naturnahen, erlebbaren Außenräumen eine Aufwertung des Standorts (Image) und eine Steigerung des Wohlbefindens der Nutzer:innen, was zu höherer Produktivität beitragen kann. Für jedes Unternehmen sind die Personalkosten im Verhältnis zu den Mietkosten pro FTE um ein Vielfaches höher, ein für die Mitarbeiter:innen positiver Standort ist somit eine gute Investition.

Alle Maßnahmen sind von einem guten Monitoring abhängig. So trivial das klingt, so oft scheitert es an mangelnder Kontrolle der vereinbarten Leistungen und dem Aufbau von Fachwissen bei verantwortlichen Personen bzw. der Vermittlung von Ansprechpartnern.

3.5 Komfort, Klimaschutz und Kosten

Bei vielen Maßnahmen taucht die Frage nach dem Verhältnis von Kosten zu Effekten auf. Diese sind nicht immer einfach zu berechnen, oftmals aber klar zu benennen und anhand von dokumentierten Projekten nachweisbar. Dass z. B. ein technisch richtig ausgeführtes Gründach die Lebensdauer der Bauteile erhöht, da diese weniger thermischen Spannungen und UV-Strahlung ausgesetzt sind, ist klar belegt [21]. Auch die Einsparung durch die Reduktion von Abwassermengen ist relativ einfach kalkulierbar [22].

Zudem gibt es verschiedene Forschungen zur Reduktion von Kühllasten und Wärmebedarf durch Grünfassaden. Daraus ergeben sich enorme Potenziale, gerade mit Hinblick auf die klimawandelbedingt steigenden Kühllasten. Allerdings kann die aktuelle Normenlandschaft und Nachweisführung dies noch nicht abbilden, hier besteht dringender Anpassungsbedarf.

Alle Maßnahmen tragen am Ende zu einem besseren Mikroklima, klimaresilienteren Standorten und somit auch reduzierten Kosten bei.

Die Simulation des Mikroklimas in BIM/GIS ist schon heute brauchbar, die Klimadaten für Klimarisikoanalysen erlauben sehr präzise Szenarien und zum Teil auch Prognosen. In Zukunft werden somit eine A-Lage und eine Top-Immobilie u. a. durch Qualitäten bei all diesen Aspekten mit definiert.

3.6 Zertifizierungen und Fördermittel

Für viele der o. g. Aspekte gibt es div. Leitfäden, Hilfestellungen und praktische Ratgeber. Sei es für Biodiversitätsgründächer vom BuGG [16] oder Animal-Aided-Design-Leitfäden [23] vom BfN. Zum Start kann man aber einfach das DGNB-System heranziehen, welches sowohl im System für Gebäude 2023 mit dem Kriterium ENV2.3 viele wichtige Punkte adressiert als auch mit dem neuen Zertifikat für biodiversitätsfördernde Außenräume den Bogen noch weiter spannt. Das Kriterium ENV2.4 Biodiversität am Standort ist mit 3,1 % (Büro) bis 4,0 % (Verbrauchermarkt und Shoppingcenter) hoch gewichtet und das drittstärkste Kriterium im Themenfeld Ökologie (ENV).

Wie jedes Zertifikat, so ist auch das der DGNB immer nur das Ergebnis einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Planung. Idealerweise taucht man mit einem Experten tiefer ein und erarbeitet ein funktional umfassendes Biodiversitätskonzept, das nebenbei die Nachweise mitliefert.

Erfreulicherweise stehen für Maßnahmen im Kontext der Biodiversität div. Fördermittel bereit, meistens für Begrünung. Hier fördern Bund, Länder und Kommunen gleichermaßen. Einen hervorragenden Überblick bietet der BUGG mit seiner jährlichen Publikation BuGG-Marktreport Gebäudegrün 2023 [22]. Es lohnt sich, zu Projektbeginn die Möglichkeiten abzuklären und die Anforderungen des jeweiligen Mittelgebers dann ins Pflichtenheft zu übernehmen, damit am Ende z. B. nicht der notwendige Substrataufbau nicht möglich ist, weil die Statik nicht passend ausgelegt wurde.

4 Ausblick

Nach diesem Überblick zum Themenfeld Biodiversität mit seinen verschiedenen Facetten wird klar: Das Thema nimmt Fahrt auf.

Zum einen, weil der CSRD Roll-out, das neue Nature Restoration Law und absehbar die nationale Biodiversitätsstrategie hier Druck durch Transparenzforderungen aufbauen, welche die EZB, ESMA und BaFin wohl genau im Auge behalten und auch prüfen werden. So wie es einen Klimastresstest für Banken gibt, wird es voraussichtlich ähnliche Verfahren auch für Biodiversität geben, sobald dafür geeignete Methoden verfügbar und etabliert sind. Darauf wird dann der Kapitalmarkt reagieren.

Zum anderen, weil Natur als Anlageklasse attraktiv wird und es div. Aktivitäten zu Biodiversity Credits gibt. Es braucht massive Investitionen in die Wiederherstellung und für die Bewahrung von Ökosystemen. Diese Gelder sollten natürlich aber nicht mit Wirtschaftstätigkeiten verdient werden, die zugleich die Biodiversität schädigen.

So gibt es auch an den aktuellen Entwicklungen, wie dem bereits erwähnten TNFD-Framework zur Bewertung von Biodiversität, div. Kritik. Es besteht die berechtigte Sorge, dass hier eine Art von Greenwashing stattfinden wird, weil Daten nicht kleinteilig genug betrachtet und die Wertschöpfungsketten nicht detailliert genug transparent werden. So bleiben manche Risiken entweder außen vor oder die Folgen werden in finanzielle Kosten übersetzt, welche für Unternehmen bezahlbar sind, sodass der Druck zur Transformation fehlt.

Was bleibt nun? Die Empfehlung, zum Thema Wissen aufzubauen [24].

Entscheidend ist aber, die Biodiversität von der Praxis her zu denken. Alle Zertifikate, jegliche Regulatorik und jegliches Reporting bilden immer nur ab, was bei Lieferkette, Bau und Betrieb tatsächlich besser gemacht wird. Und nur die Erfolge in der realen Welt zählen. Also sollten wir das schon heute Mögliche umsetzen, die Biodiversität zum Teil einer jeden Unternehmensstrategie machen und Investitionen in die Natur als Rückabsicherung mit in die CapEx- und OpEx-Planungen aufnehmen. Wer all dies beherzigt, ist für das Reporting schon gut aufgestellt.


Literatur

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  2. Fischer, M.; Fromhold-Eisebith, M.; Grote, U.; Matthies, E.; Messner, D.; Pittel, K.; Schellnhuber, H. J.; Schieferdecker, I.; Schlacke, S.; Schneidewind, U. (2020) Landwende im Anthropozän: Von der Konkurrenz zur Integration. Berlin: WBGU – Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen.
  3. LMU (2023) Mikrobiom: Die Gemeinschaft in uns [online]. München: Ludwig-Maximilians-Universität. https://www.lmu.de/de/newsroom/newsuebersicht/news/mikrobiom-die-gemeinschaft-in-uns.html [Zugriff am: 18. Dezember 2023]
  4. Deutschlandfunk (2023) Der Mensch in bester Gesellschaft [online]. Köln: Deutschlandradio. https://www.deutschlandfunk.de/mikrobiom-bakterien-pilze-stoffwechsel-gesundheit-100.html [Zugriff am: 18. Dezember 2023]
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  13. Díaz, S.; Settele, J.; Brondízio, E. S.; Ngo, H.; Ngo, T.; Guèze, M.; Agard, J.; Arneth, A.; Balvanera, P.; Brauman, K. A.; Butchart, S. H. M.; Chan, K. M. A.; Garibaldi, L. A.; Ichii, K.; Liu, J.; Subramanian, S. M.; Midgley, G. F.; Miloslavich, P.; Molnár, Z.; Obura, D.; Pfaff, A.; Polasky, S.; Purvis, A.; Razzaque, J.; Reyers, B.; Roy Chowdhury, R.; Shin, Y. J.; Visseren-Hamakers, I. J.; Willis, K. J.; Zayas, C. N. [Hrsg.] (2019) Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger des globalen Assessments der biologischen Vielfalt und Ökosystemleistungen der Zwischenstaatlichen Plattform für Biodiversität und Ökosystemleistungen. Bonn: IPBES-Sekretariat.
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Autor:in

Jürgen Utz, juergen.utz@list-ag.de
Leiter Nachhaltigkeitsentwicklung
LIST AG, Nordhorn
www.list-gruppe.de

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