Gebäudesektor verfehlt erneut Klimaziele

Die Energiewende in Deutschland: Stand der Dinge 2023

Der Thinktank Agora Energiewende hat für 2023 wieder einen Bericht zum Stand der Energiewende in Deutschland vorgelegt. Auf den ersten Blick hält das Jahr 2023 positive Botschaften bereit: die Emissionen fallen überraschend deutlich und erneuerbare Energien erzeugen mehr Strom als je zuvor. Doch die Emissionsminderung ist überwiegend auf die geringere Industrieproduktion infolge der fossilen Energiekrise zurückzuführen. Die Problemsektoren Gebäude und Verkehr liefern weiterhin keine signifikanten Emissionsminderungen. Damit scheint sich abzuzeichnen, dass nur eine klimaneutrale Industrie langfristig in Europa bestehen kann; auch in Gebäuden und im Verkehr verteuern sich fossile Technologien ab 2027.

Ergebnisse auf einen Blick

Deutschlands Treibhausgasemission fallen 2023 auf 673 Mio. t CO2-Äq und damit auf den tiefsten Stand seit 70 Jahren. Das entspricht einem Rückgang um 73 Mio. t CO2-Äq gegen über 2022 bzw. 46 % im Vergleich zu 1990. Ein Großteil der Minderung gegenüber 2022 ist auf einen unerwartet starken Rückgang des Kohleverbrauchs sowie krisen- und konjunkturbedingte Produktionsrückgänge der energieintensiven Industrie zurückzuführen. Nur rd. 15 % der Emissionsminderungen sind langfristig gesichert.

Erneuerbare Energien decken 2023 erstmals über 50 % des Stromverbrauchs, die Kohleverstromung fällt mit 132 TWh auf einen historischen Tiefstand. Mit einem Zubau von 14,4 GW übertrifft die Photovoltaik den bisherigen Rekord aus 2012 um 6,2 GW. Der Ausbau der Windkraft an Land bleibt mit 2,9 GW deutlich zu schwach, es wurden aber 7,7 GW und damit 74 % mehr Leistung genehmigt als im Vorjahr. Deutschland ist 2023 Nettoimporteur von knapp 12 TWh Strom, das entspricht 2,3 % des Stromverbrauchs. Rund die Hälfte der Importe kam aus Erneuerbaren.

Die Sektoren Gebäude und Verkehr verfehlen erneut ihr Klimaziel; ihre Emissionen stagnieren. Statt der gesetzlich geregelten Maximalmenge von 101 Mio. t CO2 verursachten Gebäude 109 Mio. t CO2. Im Vergleich zum Vorjahr sanken die Emissionen um 3 Mio. t CO2. Dies sei überwiegend darauf zurückzuführen, dass Haushalte mit Gasheizungen besonders im ersten Quartal weiter Energie gespart hätten und der Heizbedarf wegen milder Temperaturen niedriger ausgefallen sei. Insgesamt verbrauchten Haushalte im Vergleich zum Energiekrisenjahr 2022 im Jahr 2023 4 % weniger Erdgas. Im vierten Quartal zeichnete sich jedoch ein leichter Anstieg beim Heizverbrauch der Haushalte ab, heißt es weiter. 2023 war ein Rekordjahr für Wärmepumpen, aber auch für Gasheizungen; es wurden etwa 2,5-mal mehr fossile als klimaneutrale Heizungen verkauft.

Mit dem Karlsruher Haushaltsurteil wird die Finanzierung von Klimaschutzinvestitionen zum zentralen Thema für 2024. Nach dem mit Abstand heißesten Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen und dem Beschluss der COP 28 zum Übergang weg von fossilen Energien sind Investitionen in Klimaneutralität dringender denn je. Um das 2030-Klimaziel zu erreichen, sind 2024 weitere Instrumente zur Absicherung dieser Investitionen und der Finanzierung sozialer Ausgleichsmaßnahmen notwendig.

Schlussfolgerungen

Zur Sicherung des Industriestandorts und bezahlbarer Energie ist eine wirksame Energie- und Klimapolitik wichtiger denn je. Nach dem Karlsruher Haushaltsurteil steht die Bundesregierung 2024 nun vor der Aufgabe, die Klima- und Energiepolitik neu aufzustellen und finanziell nachhaltig abzusichern. Nur dann wird Deutschland seine Emissionen dauerhaft und wohlstandsfördernd senken können.


Die Energiewende in Deutschland: Stand der Dinge 2023
Rückblick auf die wesentlichen Entwicklungen sowie Ausblick auf 2024
Agora Energiewende 2024
www.agora-energiewende.de/fileadmin/Projekte/2023/2023-35_DE_JAW23/A-EW_317_JAW23_WEB.pdf

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