Nachhaltig bauen ohne Atmosphäre?

Ansätze für eine sensible Ergänzung professioneller Nachhaltigkeitsplanung

Mit einer gewissen Sorge beobachten wir, dass Nachhaltigkeit beim Bauen mehr und mehr auf Grundlage eines Punktesystems bewertet wurde. Es ging nur noch darum, umweltfreundliche Häuser aus entsprechenden Materialien zu bauen. Leider war das Ergebnis oft erschreckend banal und seelenlos. (Shilpa Gore-Shah, Architektin)

1 Die Debatte um Nachhaltigkeit und Baukultur

Das Zitat aus Indien weist auf ein Dilemma und dessen globale Dimension hin. Viele Green Buildings erfüllen Kriterienkataloge, wollen die Seele aber nicht so recht ansprechen. Seele wäre hier als Metapher für Sympathien mit einem Bauwerk zu verstehen, die sich in Staunen, Freude oder vertieftem Interesse an dessen Geschichte äußern. Die Metapher des nachhaltigen Wirtschaftens hingegen ist in der Geschichte der planerischen Krisenprävention zu verorten [1]. Das Konzept der Nachhaltigkeit hat in den vergangenen rd. 40 Jahren eine Definitionsgeschichte sondergleichen erfahren [2]. Ist es also nicht schon genug kompliziert, etwa durch die Kriterienkataloge von Bau-Nachhaltigkeitszertifizierern wie der DGNB? Sie umfassen ja bereits bis zu rd. 550 Seiten.

Dass der Status quo nicht genügt, sagt auch die Geschäftsführerin der DGNB. Sie beklagt, mit Thomas Auer, in der nbau. einerseits die Überfülle an Schlagworten und einseitigen Nachhaltigkeits-Ideologemen wie Holzbau, zirkuläres Bauen, Urban Mining. Andererseits kritisieren beide letztlich die Verwissenschaftlichung der Bau-Nachhaltigkeit selbst, insofern diese zur Überkomplexität führt. Dass ein Schleier der zunehmenden Komplexität über das Thema gelegt wird und die Umsetzungsdynamik verloren geht, schreiben Christine Lemaitre (DGNB) und Thomas Auer (TU München) wortwörtlich [3]. Zur Sache merken sie an, dass es in Tat und Wahrheit auf drei Faktoren ankomme:

  • Energieeinsparungen durch Passivbauweisen,
  • Energiewende und
  • Einbezug des praktischen (!) Nutzerverhaltens eines Gebäudes.

Und zudem, in diesem Sinne: auf die tatsächlichen (!) Lebensdauern der Gebäude. Denn: Allein die langen Nutzungsdauern und großen Materialmengen bedingen, dass wir im Sinne des Klimaschutzes für viel längere Nutzungsdauern von Materialien, Bauteilen und Bauprodukten und nicht zuletzt von Gebäuden sorgen müssen [3].

An diesen Punkt anknüpfend ist die Seele des Bauwerks einen vertieften Blick wert. Angesichts der hergebrachten Dichotomie von Natur- und Geisteswissenschaften [4] offenbart sich eine Barriere, die Seelen-Metapher ins Boot der Nachhaltigkeit zu holen. Es erscheint aus professioneller Sicht fast peinlich. Die Nachhaltigkeit ist von ihren Anfängen her – dem preußischen Forstwirt Carl von Carlowitz – bis in ihre akademisch spezialisierte Gegenwart ein quantitatives Anliegen. Seele, Gespür, Gemüt, Sympathie – Ansätze des kontextualen Verstehens der Geisteswissenschaften oder mancher Architekten und Architektinnen –, bedeuten, ein Bauwerk in Sinn- und Geschichtszusammenhängen wahrzunehmen.

Darum bemüht sich längst auch die DGNB. Nicht zufällig ist das 2015 ins Leben gerufene Baukultur-Nachhaltigkeitssiegel der DGNB (Diamant) das einzige, das die Kriterienkataloge durch eine architektonische Jury ergänzt und den Wert des persönlichen Urteils anerkennt. Hier lauten Kriterien Gestalt oder Anmutung [5]. Bis Ende 2023 waren allerdings laut dem Onlinearchiv der Institution gerade einmal 14 Projekte mit dieser Auszeichnung geführt.

Gesucht ist ein praxisnaher Weg, die Gemütswerte des Bauens in der hoch rationalisierten Bauwelt in deutlich größeren Zahlen aufs Feld zu bringen. Zu respektieren wäre: eine einfache, persönliche Wahrnehmung der Wirkung von Bauwerken. So einfach sich das Anliegen formulieren lässt, so wenig trivial ist der Schritt in die Handlung. Die AtmosphärenBlindheit – oder Charakterarmut – des Bauwesens berührt schließlich ein tiefgreifendes Dilemma. Die rationalisierten, arbeitsteiligen, stark technisch geprägten Arbeitskulturen der vielen Baupraktiker:innen stellen ja gerade Erfolgsstrategien dar – ökonomisch, aber auch hinsichtlich der mit ihnen einhergehenden sozialen und funktionalen Nachhaltigkeits-Benefits, die es ja auch gibt: normierte Verlässlichkeit, Massenverfügbarkeit, hohe Dämmwerte der Außenhülle. Armin Nassehi wies schon 2021 auf dem Bonner Zukunft Bau Kongress auf dieses ­Dilemma hin. Er prophezeite – trotz aller politisch-medialer Dringlichkeits- und Wichtigkeitskommunikation – eine Trägheit der ökologischen Transformation. Denn, wie er sinngemäß sagte: Die Probleme (v. a. CO2-Ausstoß, Rohstoffengpässe) und Lösungen (Technik, Arbeitsteilung, weitere akademische Spezialisierung) erscheinen als eng miteinander verknotet [6].

Die architektonische Kritik ist viel älter als der Klimafolgendiskurs. Das seit Jahrzehnten geäußerte Unbehagen am seelenlosen Bauen ist seit der Hochphase der städtebaulichen Moderne artikuliert worden: Jane Jacobs beschrieb in Tod und Leben großer amerikanischer Städte vor mehr als 60 Jahren, wie lebendige, gewachsene Stadtbilder von theorielastigen Planern vernichtet werden [7]. Dass gerade das Ungeordnete der Hinterhöfe, der gewachsenen Strukturen, der baugeschichtlich durchmischten Architekturen den Charme des Städtischen ausmache, wurde dem modernen Städtebau ähnlich früh entgegengehalten, etwa durch Wolf Jobst Siedler 1964 in Die gemordete Stadt [8]. Der Städtebau brauchte allerdings Jahrzehnte, um die Kritik für voll zu nehmen. War in der Hochphase des modernen Städtebaus Verkehrsgerechtigkeit eine erstrangige planerische Maßgabe, so wurde es die seit den 1990er-Jahren politisch priorisierte Nachhaltigkeit wohl erst nach dem Beschluss der SDG-Ziele durch die Vereinten Nationen im Jahr 2015. In dieser Entwicklung liegt vielleicht aber auch eine Chance für die sinnlichen Anliegen. Die Nachhaltigkeit verhält sich mit ihren vielen soziokulturellen Bezügen zumindest indirekt konstruktiv zu Anliegen der Baukultur.

2 Nachhaltigkeits-Management zwischen Zielgrößen und Bedeutungen

Baukulturforschung blickt auf die Bedeutungszuschreibungen, die Menschen der gebauten Umwelt machen. Charakter oder ­Atmosphären von Bauwerken lassen sich darin festmachen. Ehe in diesem Aufsatz die Frage vertieft werden wird, ob und wie entsprechende Feldforschung in den Planungsprozess zu integrieren wäre, bedarf es der Klärung von Begriffen. Einfacher als von Bedeutungszuschreibungen ließe sich vom Empfinden beim Anblick eines Gebäudes sprechen. Das ist vorrational.

Die Nachhaltigkeitswissenschaft benennt das Problem der Blindheit des Managements für Bedeutungen neuerdings selbst. Armin Grunwald fragt: Müsste Nachhaltigkeitsarbeit nicht auch Bedeutungsarbeit sein? [9]. Aber wie das möglich wäre, sagt die Wissenschaft noch nicht. Also wären ihr zunächst einige Begriffe vorzuschlagen, um Bedeutungszuschreibungen des Bauens zur Sprache zu bringen.

Atmosphärische Wirkungen der gebauten Umwelt lassen sich etwa in den Kategorien

  • Schönheit
  • Angemessenheit
  • Stimmigkeit
  • Charakterfülle
  • Geschichtsbezogenheit

eines Bauwerks und seines Umfelds beschreiben. In das, was Menschen als Atmosphären beschreiben, fließen diese Aspekte ein. Im Auge der gebildeten Öffentlichkeit und in den Fachdiskursen der Architektur ist es nicht gerade ungewöhnlich, das atmosphärische Empfinden in diesen Kategorien zu artikulieren. Von Gion Antoni Caminada bis Peter Zumthor gibt es Beispiele gegenwärtiger Architekten, die ihr Werk am Referenzpunkt des Atmosphärischen orientiert haben. Zugleich tun sich Baupraxis wie Bauingenieurwissenschaftler schwer mit der Umsetzung oder überhaupt damit, diese Anliegen als Defizite ernst zu nehmen [10]. Dies erscheint als umso bedauerlicher, da die atmosphärische Wirkung mit guten Gründen als nachhaltigkeitsrelevant angesehen werden kann. Ein Zusammenhang zur Erhaltenswürdigkeit und Langlebigkeit liegt intuitiv nahe. Er ist zwar nach Wissensstand des Verfassers nicht empirisch nachgewiesen, lässt sich aber vielfach bezeugen – etwa angesichts der mehr als 120-jährigen Persistenz von Gründerzeithäusern, auch wenn diese nicht unter die Regelungen des Denkmalschutzes fallen.

Wie aber lässt sich derart subjektives Empfinden des Charakteristischen messen? Wie ist es über Kennziffern oder Zielgrößen operationalisierbar? Gibt es einen Weg, der ähnlich der Ökobilanz das Messbare optimierbar macht [11]? Nein. So geht es in diesem Fall eben nicht. Messungen und Nutzwert-Semantiken führen gerade nicht in diese Richtung. Im ähnlich gelagerten Falle der Agrarkultur wurde wissenschaftlich überzeugend dargelegt, dass Ansätze, sog. kulturelle Ökosystemdienstleistungen wie landschaftliche Atmosphären in quantitative Nachhaltigkeitsbewertungen einzubeziehen, zum Scheitern verurteilt sind [12]. Es handle sich schlicht um eine ­unzulässige Kategorienvermischung: kulturell/Dienstleistung (Bild 1). Das eine wird, das andere wird gegen Geld für einen Zweck gemacht. Aber es gibt andere Wege der Verbindung beider Welten. Sie führen nicht vorbei an den Mühen, zu einem sensibel und reflektiert kommunizierenden Management zu finden.

3 Vage Bezüge zu Atmosphären in der quantitativen Nachhaltigkeitsbewertung

Ein Blick auf die Zertifizierungskriterien zeigt zuvor jedenfalls schwache Bezüge. Nachhaltigkeit im Bau ist mit den Staatszielen der Klimaschutzgesetze aufs Engste verbunden, die eine Klimaneutralität der Gesamtwirtschaft bis 2045 in Deutschland, bis 2050 in der EU vorsehen. Der Klimaschutz ist aber nur eine Zielgröße der ökologischen Nachhaltigkeitsziele (SDG) der Vereinten Nationen, die völkerrechtlich bindend sind. Die Staaten haben die 17 SDG in div. Teilindikatoren aufgeteilt und ihre Erreichungsgrade messbar gemacht. Neben den ökologischen zählen hierzu eine Fülle von sozialen und ökonomischen Zielen. Einige berühren soziokulturelle Kriterien, etwa die SDG 3, 8, 12 (Bild 2).

Die zunehmenden Pflichten der Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESG-Reporting) lassen Spielraum. Quantitative Werte wie Ökobilanzen sind darin ergänzbar durch Erwähnungen etwa von Biodiversitätsbezügen wie dem Aufhängen von Nistkästen für Singvögel. Allerdings sind die Erwähnungen solcher Details in ESG-Reports von Bauunternehmen zurecht des Greenwashings verdächtig. Das liegt nicht daran, dass Amseln und Meisen unerwünscht wären. Es liegt an der Vermischung der emotional lokalen und der quantitativ globalen Ebene der Klimafolgen-Ökobilanzen. Das Beispiel der Nistkästen soll zeigen, dass es gute Gründe gibt, die Ebenen der harten Fakten – wie der CO2-Minderung – und des Atmosphärischen nicht miteinander zu verquirlen, weil dies irgendwie doch aufstößt.

Die mit den SDG vielfach verbundenen Bewertungskataloge der DGNB, aber ebenso von BREAM oder LEED, umfassen auch eine Fülle von sozioökologischen Werten. Tab. 1 gibt einen kursorischen Überblick.

Ökonomische Qualität
ECO2.4 Wertstabilität und Anpassungsfähigkeit
Soziokulturelle und funktionale Qualität
SOC1.4 Visueller Komfort
SOC1.6 Aufenthaltsqualitäten innen und außen
Prozessqualität
PRO1.1 Qualität der Projektvorbereitung
PRO1.6 Verfahren zur städtebaulichen und gestalterischen Konzeption
Standortqualität
SITE1.1 Mikrostandort
Tab. 1 Bewertungskataloge der DGNB [13]

Es bieten sich hier indirekte Bezüge zum lokal Atmosphärischen. Visuellen Komfort mag man mit Schönheit verbinden, Wertstabilität mit hochwertiger Architektur, die Implementierung gestalterischer Konzeptionsverfahren mit deren Erfolgen. Aber im Ganzen wird deutlich, dass sich die notwendige Formalisierung und Kleinteiligkeit der Zertifizierung zum ganzheitlichen Atmosphären­empfinden eben doch widersinnig verhält. Ein Beispiel ist der ­Teilindikator 6 der SOC1.4 (Besonnung), dessen komplizierte Operationalisierung im Punktekatalog Bild 3 zeigt. Dieser Auszug offenbart komische Züge. Für die Schönheit des einfallenden Frühjahrslichts ist hier semantisch kein Raum. Auf 541 Seiten gibt es im DGNB-Prüfkatalog keine einzige Erwähnung der Begriffe Atmosphäre, Schönheit, Geschichtlichkeit. Übrigens anders als das privatwirtschaftliche Cradle-to-Cradle-Zertifikat, das in seinen Projektbeschreibungen ständig von beauty spricht.

Auch Bauwerke oder Bauprojekte, die mit dem Goldstandard DGNB Platin besiegelt sind, können durchaus als ästhetisches oder architektonisches Ärgernis wahrgenommen werden. Sie könnten gewissermaßen als die unbeliebten Streber der Nachhaltigkeit gelten. Ein Beispiel ist das Frankfurter Europaviertel. Hier wurden ein Gesamtkonzept (Europaviertel West) und mehrere Bauwerke DGNB-zertifiziert. Aber die Kritik der Architektur und des Städtebaus überwiegt die öffentliche Wahrnehmung [14].

4 Ökologisches Fühlen als notwendige Ergänzung

Der im Nachhaltigkeitsansatz enthaltene Ökologiebegriff ist, hinsichtlich der Vielschichtigkeit seiner historischen Gewordenheit, gerade nicht als ausschließlich naturwissenschaftlicher zu verstehen. Ökologie ist selbst eine Weise des ganzheitlichen Denkens; mit vielen Leitmetaphern des ökologischen Sprechens wie Kreislauf, Gleichgewicht oder Gesundheit klingen ästhetische und emotionale Qualitäten zumindest indirekt an [15]. In begrifflichen Weiterungen wie derjenigen des ökologischen Fühlens oder einer Biopoetik, von der der Philosoph Andreas Weber spricht [16], wird die innere Dimension der Wahrnehmung von etwa Landschaften oder Gebäuden noch deutlicher.

Wer diese Ebene nicht anerkennt, plant Nachhaltigkeit am Menschen vorbei. Wenn etwa der Phänomenologe Thomas Fuchs von einer Ökologie des Gehirns spricht, betont er mit dieser Metapher, dass die sinnliche, situative Wahrnehmung – nicht nur die visuelle – wesentlich für menschliche Kommunikation ist [17]. Das neuronale Netzwerk des Menschen, lernt man bei Fuchs, unterscheidet sich von einer Computerfestplatte durch die Verbindung von Gefühlserfahrungen und Erinnerungsfähigkeit. Informationen sind auch nach langer Zeit wieder abrufbar, wenn entsprechende sinnliche Erfahrungen die Netzwerke aktivieren: Ein Aufenthalt an einem vertrauten Ort oder die Betrachtung alter Fotos legt gewissermaßen Inhalte von Gesprächen, aber auch Erinnerungen an Düfte, Abenteuer, Gefühlszustände auch lang vergangener Begegnungen wieder frei. Und in diesen Tiefenschichten wären die Ankerpunkte zu suchen, die Menschen ein Haus als wirklich interessant empfinden lassen.

Im Zusammenhang mit der Demenz weist der Psychiatriearzt Fuchs z. B. auf eine Anekdote hin, wonach ein Patient imstande gewesen sei, wie ein junger Mann Fußball zu spielen und die Mitspieler anzuweisen wie ein Spielführer in besten Tagen. Es sei das leibliche Spüren der früheren Fußballsituationen gewesen und die Anwesenheit von Fußballplatz, Ball und Mitspielern, die die neuronalen Muster aktiviert hätten [18]. Das Beispiel illustriert, dass zur soziokulturellen Seite der Nachhaltigkeit nicht nur exakt messbare Werte wie Besonnungsdauern und Einfallwinkel des Lichts zu zählen wären. Auch persönliche Erinnerungswerte und Sinnbedeutungen sind wissenschaftlich ernst zu nehmen. Diese Phänomene lassen sich unmöglich binär codieren, wie es die Nachhaltigkeitszertifikate als vielfach nützliche kommunikative Vereinfachung leisten.

5 Belangloser Bau

Belanglosigkeit wird einer Architektur nachgesagt, die medial auch gelegentlich mit der Metapher der Investorenarchitektur verrissen wird. Synonyme für ohne Belang wären: uninteressant, langweilig, nicht ansprechend, kühl, leblos, lieblos, eigenschaftslos. Ein Beispiel für Belanglosigkeit stellen nach häufigem Befinden Neubausiedlungen am Feldrand dar (Bild 4).

Ein Einwand dahingehend, solche persönlich irritierenden Wirkungen von Bauwerken in der Baupraxis nicht ernst nehmen zu müssen, lautet, sie seien subjektiv und nicht messbar. Man schiebt sie gewissermaßen ins Feuilleton ab. Das entspricht allerdings nicht dem Stand der Wissenschaft. Eine einschlägige Wissenschaft ist die Phänomenologie. Sie beschreibt Gefühlsphänomene und stellt einen Sprachschatz für eine differenzierende Beschreibung zur Verfügung. Um die Wahrnehmung der Menschen, die Nachbarn des Neubaus werden oder in ihm zu leben haben, zumindest akademisch zu berücksichtigen, bieten sich mehrere Begriffe an:

  • Leibliches Spüren oder Leibempfinden
  • Atmosphären
  • Embodiment

5.1 Leibempfinden

Je mehr die Menschen ihre Körper optimieren und Erfolgsstrategien medial thematisiert werden, desto weniger ist offenbar noch vom Leib die Rede. Das sieht man etwa in den Social-Media-Welten der Influencer als Ernährungsratgeber oder Fitness-Role-­Models [19]. Während Körperlichkeit Konjunktur hat, scheint der Begriff des Leibs aus der Zeit gefallen. Dabei ist gerade er aufschlussreich, um sich dem Phänomen des Raumempfindens oder der Wahrnehmung von Bauwerken und ihren Orten zu nähern.

Gernot Böhme [20, S. 41] grenzt Körper und Leib wie folgt vonei­nander ab: Körper ist die Natur des Menschen in Fremderfahrung – Leib ist die Natur des Menschen in Selbsterfahrung.

Gesundheit gibt es als ärztliches Attest, oder als Leiberfahrung. Der Leib ist für Böhme überhaupt der Ort der Gefühle oder: Der Leib ist die Natur, die wir selbst sind [20, S. 40, S. 30]. Böhme verortet die Leibphilosophie in einer antiken Tradition, die den Menschen nicht als Erkenntnis-, sondern als Wahrnehmungswesen sehe, und das Wesen des Leiblichen als betroffenes Sich-Spüren. In der Berücksichtigung des Leibempfindens wäre somit ein Schlüssel zu sehen, der die Außensicht des Managements um eine bedeutende Innensicht ergänzt. Sie bedeutet z. B. auch ethische Verantwortung für die Gestaltung von Orten und Räumen (Bild 5).

5.2 Atmosphären als kleine Geschichten

In aktuellen Arbeiten betont der Architekturphilosoph Achim Hahn den Widerfahrnischarakter der Erfahrungen von Architektur und Landschaft [21]. Mit Hahn, Illies, Düchs [22] lässt sich über die Atmosphären Folgendes sagen. Sie

  • sind nicht eindeutig begrifflich fassbar,
  • erfassen die Betrachter leiblich,
  • sind ein Gesamteindruck,
  • verweisen auf Zusammenhänge von Erlebnissen (biografische, kulturelle, fiktionale),
  • sind nie ganz entschlüsselbar,
  • vergegenwärtigen sich in konkreten Situationen und
  • ihre Erfahrungen sind nicht nach Belieben reproduzierbar – hat mich in einem Sakralbau das Empfinden von Heiligkeit ergriffen, so ist nicht sicher zu sagen, dass sich dieses beim nächsten Besuch wiederholen wird.

Düchs und Illies weiten die Phänomen-Umkreisung, indem sie auf den narrativen Charakter von Atmosphären hinweisen. Für sie haben die Atmosphären der Architektur eine narrative Struktur. Sie sprechen von kleine[n] Narrative[n] [23, S. 329–337]. Man könnte das Erfahren architektonischer Atmosphären damit in dem Satz zusammenfassen:

Es ist so, als möchte mir das Haus etwas sagen.

Das kleine Narrativ ist eine persönliche Deutung der architektonischen Widerfahrnis: Das Haus erinnert mich an etwas Vergangenes, an etwas Gewohntes, oder es irritiert, es macht neugierig, es weckt eine Stimmung und ein Interesse. Der Unterschied zwischen einer Faktenaussage und einer Narration ist, dass Letztere Dinge, Orte, Geschehnisse in einen inneren Zusammenhang miteinander bringt. Ein Beispiel: „Der König starb, dann starb die Königin“ ist keine Geschichte, sondern nur ein Geschehnisbericht. Eine Geschichte hingegen ist: „Die Königin starb, und dann starb der König vor Trauer“ [24]. Erst die Sinndeutung macht auch aus wissenschaftlichen Aussagen im Stil der exakten Naturwissenschaften oder statistischen Empirie eine sinngebende Geschichte. Der Ort der Sinngebung ist erstpersönlich. Ein anderes Beispiel: Sprechen wir vom Sonnenaufgang, ist auch bereits das eine kleine Narration. Naturwissenschaftlich betrachtet geht die Sonne seit Kopernikus weder auf noch unter. Umgangssprachlich behaupten sich hier die Lebenserfahrung und der persönliche Eindruck gegenüber der astronomischen Erkenntnis [1].

Ein eher psychologisch verortbarer wissenschaftlicher Ansatz, der mit der Leibphilosophie verbunden ist, aber auch neurowissenschaftlich anschlussfähig scheint, ist derjenige des Embodiment. Er will den etablierten Dualismus von Leib und Seele oder Mentalem und Physischem auflösen und stellt den gesamten Organismus in ein dynamisches, ökologisches Wahrnehmungs-, also Austauschverhältnis mit der Umwelt [25]. Die Verbindungen von leiblicher Anwesenheit an einem Ort und ernährungsbezogener Nachhaltigkeit wurde am Beispiel des Gärtnerns wissenschaftlich als Embodiment beschrieben [26, 27].

6 Die Erfassung atmosphärischer Wahrnehmungen

Erfassbar sind atmosphärische Wahrnehmungen einfach und niederschwellig. Eine konzentrierte Anwesenheit an einem Ort ist die Voraussetzung. In der Feldforschung – etwa über Interviews, teilnehmende Beobachtungen von Reaktionen auf Atmosphären – können Wissenschaftler das Atmosphärenempfinden anderer Menschen abfragen, etwa

  • im narrativen Interview (Küsters [28]) oder
  • in standardisierten Fragebögen.

Das Protokoll, ein Erlebnisbericht oder aber auch Textquellen, Briefe, Bilddokumente, die das atmosphärische Erleben zum Ausdruck bringen, können Gegenstand einer Analyse sein. Sie wäre wissenschaftlich Hermeneutik zu nennen, also die Deutungskunst, die Sinnstrukturen entschlüsselt und einordnet. Der Untersuchungsgegenstand ist dabei ausdrücklich weder das Gebäude noch der Ort, sondern das atmosphärische Erleben selbst.

Oder man wird selbst Autor einer Atmosphärenbeschreibung. Christian Illies schlägt ein dreistufiges Verfahren vor [29, S. 60–62]:

  1. Genaue Wahrnehmung des konkreten Bauwerks vollziehen
  2. Reflexion des Wahrgenommenen/adäquate Kategorisierung, Einordnung in Zusammenhänge
  3. Gesamtverständnis, Beurteilung

Konkret bietet sich für Planerinnen und Planer des Bauens ein langer, vielleicht stundenlanger Aufenthalt am (späteren) Bauort an, oder ein mehrmaliger – bei unterschiedlicher Witterung, Tageszeit, vielleicht Jahreszeit. Eindrücke werden schriftlich notiert oder als Audiodokument aufgezeichnet. Fällt dies Akteuren aus dem Bau schwer, kann eine professionelle Begleitung und Vorbereitung helfen.

Sprachlich ist eine bildliche, möglichst konkrete, assoziative Artikulation angemessen. Termini technici sind höchst hinderlich. Man beobachtet nicht Gebäude, sondern Häuser. Man plant nicht, prüft und errichtet, sondern baut Orte, in denen andere leben werden. Eine Ortsbegehung der in Bild 6 abgebildeten Bauwerke könnte bspw. Atmosphären-Protokolle ergeben, die Adjektive enthalten wie (1) kühl, befremdlich, grau, erdrückend, aufdringlich, leer, (2) interessant, tüftlerisch, nerdig, ingenieursmäßig, blechern, spielerisch, spannungsvoll, irritierend, schrottig, (3) angenehm, einladend, warm, kontrastreich, wüstenartig.

7 Atmosphären sind nicht machbar, aber beachtenswert

Atmosphären sind wegen der Vielschichtigkeit ihrer Gründe weder planbar noch machbar; sie werden, so ist beim Architekturphilosophen Christian Illies zu lesen, von der Architektur nicht gemacht, sondern geweckt [22, S. XIII]. Versuche, sie zu machen – von der faschistischen Architektur bis zum Legoland oder dem Erlebnis-Kaufhaus – führen im harmlosesten Fall zu atmosphärischen Karikaturen, Kitsch. Im Ernstfall sind sie übergriffig. Gleichwohl kann sich das kapitalistische Unternehmen der Versuchung der ästhetischen Garnierung seiner Produkte schwer entziehen, wie Gernot Böhme beschrieben hat [30]. Die Wohnbauprojekten übergestülpten Marketing-Narrationen gehören längst fast standardmäßig zum Projektmanagement (Seaside, Kapuzinerhöfe, Europa-Arkaden, Quartier Alte Mühle).

Die Feststellung der prinzipiellen Nichtsteuerbarkeit muss unbefriedigend bleiben; eine Implementierung in linearen Management- und Planungsmethoden ist unmöglich. Diese haben ihre Stärken in ihrer technischen, ökonomischen Effizienz. Atmosphärische Anliegen wirken aus dieser Praxis betrachtet wie Fremdkörper. In der Denkform der Machbarkeit gibt es nichts Leib-Räumliches, sondern allein Dinglich-Bauliches [21, S. 294]. Management rechnet mit Machbarkeit und braucht Messbarkeit – und muss es, um effektiv, effizient und handlungsfähig zu bleiben. Management ist auf Problemdefinition, Zielfestlegung und Lösbarkeit gebunden [9, S. 264]. Zu viel und gar ein letztlich zielloses Spüren, ­Denken, Reflektieren kann für das Management geradezu handlungshemmend wirken und nervig, störend, unproduktiv. Nachhaltigkeitshandeln als Management funktioniert, solange die Bedeutung nachhaltiger Entwicklung festgeschrieben, sozusagen eingefroren werden kann, letztlich also unter Ausblendung von Bedeutungsfragen, schreibt der Technikphilosoph Armin Grunwald [9, S. 273].

Die Atmosphäre als Qualität des Wohnens, des Wo-Seins, ist trotzdem relevant, lebensweltlich betrachtet sogar hervorragend relevant, Identität stiftend, anbietend und ausdrückend. Ist der tiefe, unüberwindbare Kulturgraben einfach hinzunehmen? Erreichbar sind immerhin Wege, die kritische Reflexion des Mangels zu institutionalisieren. Über die lässt sich etwas aussagen. So sollte es bezüglich der projektbezogenen oder betrieblichen Kultivierung des Atmosphärenempfindens keine herausgehobene Hierarchie geben, die diese Kompetenzen den üblichen Rangfolgen nach ausrichtet [31]. Etablierte Kommunikations- und Evaluationsstrukturen des Machens können gerade ein Stoppschild sein, der diesen Weg versperrt. Der Typus des erfolgreichen Machers, dem ein operativer und agiler Apparat untersteht, muss im Grunde bereit sein, von den gewohnten Rollenstrukturen zu abstrahieren. Adäquat scheinen kommunikative Aus- oder Anders-Zeiten, die im Grunde die Hierarchien umkehren. Das erfordert eine gewisse Größe der Verantwortlichen: Einsicht in den Mangel. Es bedeutet eine Interruption des üblichen Machthabens. Vielleicht liegt darin die größte Barriere. Ganz einfache Laien können größere Experten für ein Empfinden des Besonderen sein.

7.1 Unternehmenskultur

Mit diesen Gedanken ist angedeutet, dass das Ernstnehmen des Atmosphärischen Wünsche nach tiefgreifendem Kulturwandel wecken kann. Diesbezüglich bieten sich einige Anmerkungen an:

Absolute Formulierungen bezogen auf Nachhaltigkeit wären auch deshalb zu vermeiden, weil jedes Messverfahren in diesem weiten Rahmen betrachtet defizitär ist. Wenn eine Zertifizierung erreicht wurde, wurde eben eine bestimmte Prüfung bestanden (eine, die Durchschnittswerte und nicht das Besondere auszeichnet), aber damit ist nichts final bewiesen. Auch Baustoffe sind niemals identisch mit Wertzuschreibungen wie ökologisch oder nachhaltig, aber ihr Einsatz kann intelligent in die damit gemeinten Bezugsrahmen eingebettet sein.

Ein Unternehmen, das das atmosphärische Leibempfinden seiner Mitarbeiter nicht unterdrücken will, kultiviert Räume der offenen Aussprache. Man sollte sagen dürfen, wenn man ein Ergebnis eigentlich misslungen findet, langweilig, unerheblich. Die Organisation, die Berufswelt, muss oft eben auch ertragen werden. Das gilt für zur betrieblichen Norm verhärtetes Rollenverhalten („Welchen Hut habe ich gerade auf?), für äußerliche Bewertungskriterien (nicht nur ökologisch, sondern auch menschlich betrachtet schlimmstenfalls die einseitige Erfolgsmessung an kurzfristigen Umsatz- und Renditezielen, Quartalszahlen), für das Leiden unter den sozialpsychologisch vielfach nachgewiesenen menschlichen Neigungen zu Konformismus, Gerücht, übler Nachrede usw.

Moderierte Gespräche im kleinen Kreis – im besten Sinne als regelmäßiges, begleitendes Kulturprogramm – können diese unvermeidlichen Sachzwänge nicht aus der Welt schaffen, aber in einen weiten menschlichen und in diesem Sinne auch ökologisch orientierten Bezugsrahmen einordnen. Besonders reizvoll scheinen Gespräche über Kontext und Atmosphären im kleinen und kleinsten Kreis unter Mitarbeitern verschiedener Hierarchiestufen, Funktionsbereiche, akademischer Hintergründe. Die Ergebnisse sollten, auf Wunsch der Mitarbeitenden auch anonymisiert, dem Management (Projekte, CEO, Personal) geordnet und gebündelt vorgelegt werden und können technologische, ökonomische, sozialkulturelle Innovationen anregen. Eine professionelle Begleitung und Moderation, etwa durch narrative Beratung, scheint empfehlenswert. Eine kulturelle Öffnung für das Atmosphärische kann womöglich nur im Rahmen eines Kulturwandels des Unternehmens gelingen, der sich nicht in der Verwendung dekorativer Schlagwörter wie Agilität, flache Hierarchen oder dergleichen erschöpft, sondern in dem emotionale Wörter willkommen sind.

7.2 Stakeholder- und CSR-Management

Eine Verwirklichungsmöglichkeit stellt der Einbezug von Laien in die Vorplanung und Planung dar. Einfache Bürger, Nachbarn etwa oder engagierte Persönlichkeiten für den ansprechenden Bau, können als Experten für Atmosphären betrachtet werden [32]. Im Rahmen des institutionalisierten Stakeholdermanagements von Projekten können sie auf die oben vorgeschlagene Weise an Ort und Stelle nach Atmosphären der Umfelder der Bauplätze befragt werden. Das gilt gewiss auch bezogen auf die architektonischen Entwürfe, wobei diese dann aus einer realistischen Perspektive – nicht der beliebten digital visualisierten Draufsicht, sondern auch auf einer menschlichen Augenhöhe – gezeichnet sein sollten. Die Feldforschung lässt sich, ggf. in Kooperation mit wissenschaftlichen Institutionen, auch mit Projektmitarbeitern selbst machen. Neben dem eigentlichen Ort des Bauens können vergleichbare Bauwerke in vergleichbaren Lagen atmosphärisch erfasst werden. Brichetti und Mechner, die von heilsamer Architektur sprechen, bieten dafür einen umfassenden Fragebogen an, der atmosphärische Belange enthält [32].

Auch der Ansatz der Corporate Social Responsibility (CSR) ist Anfang der 2020er-Jahre in Unternehmen weitverbreitet und verpflichtet das Unternehmen zu einer weiteren sozialökologischen Verantwortung als die reinen Shareholder-Ansätze [33]. Atmosphärenbezogenes Stakeholdermanagement hieße v. a.: Gespräche darüber vor Ort und projektbezogen organisieren, zuhören. Das Ziel wäre ein hörendes Unternehmen, in dem flankierend zum professionellen Management auch eine Kultur der Akzeptanz und des Respekts vor der Individualität aller Menschen besteht, ob draußen oder drinnen, und ein reflektiertes Bewusstsein über die Mängel des professionellen Modus. Die Individualität gründet in einer Würde, die darin wurzelt, dass sie sich auch den Übergriffen des Machbarkeitsstrebens verwehren darf (Bild 7). Dass Baukultur und Nachhaltigkeit etwas miteinander gemeinsam haben, müsste so gesehen common sense sein.

8 Fazit und Ausblick

Erstmals versuchte dieser Beitrag, die Nachhaltigkeitsbewertung (Dauerhaftigkeit von Bauwerken) auf Leibphänomene des Spürens von baulichen Atmosphären zu beziehen. Dabei prallen Welten aufeinander: die formalisierte, mathematisierte der Nachhaltigkeitskataloge und die semantische, bedeutungsbezogene des einfachen menschlichen Blicks. Es wurde erstens argumentiert, dass eine Integration atmosphärischer Qualitäten in den Bewertungsrahmen der Gebäudenachhaltigkeit von Zertifizierern wesentlich unpassend wäre. Zweitens wurde empfohlen, dass sie jedoch als ergänzende Begleitforschung oder Kommunikationspraxis in der Planungsphase große Relevanz haben müsste.

Die Sensibilisierung für Atmosphären der Bauplaner oder des Managements wäre einfach, kostengünstig und machbar. Es bieten sich Anknüpfungspunkte, sie im Rahmen von CSR- oder Stakeholdermanagement zu institutionalisieren. Damit verbunden ist jedoch ein – je nach Startpunkt – tiefgreifender Wandel der Unternehmenskultur, indem Experten und Führungspersonen ihre Rolle als Macher immer wieder temporär aufgeben und zu staunenden Zuhörern werden. Jeder sensible Mensch ist Experte für Atmosphären, und Sensibilität ist nicht unbedingt eine angeborene Eigenschaft, sondern ein Modus der Wahrnehmung, der aus verschiedenen Gründen ins Schneckenhaus gezwungen wird.

Ein Bau, in ökonomischen und institutionellen Grenzen, führt meist zu atmosphärisch nicht voll befriedigenden Ergebnissen, bleibt bestenfalls Versuch. Als hohe Hürde erscheint insbesondere die Motivation der industriell geprägten Führungspersönlichkeiten, sich vom gewohnten wie praktikablen Terrain der Zielvereinbarungen und der Machbarkeit zu verabschieden. Das Atmosphärische ist nicht machbar. Missachtet das Nachhaltigkeitsmanagement diese Ebene deshalb aber weiterhin, würde damit auch weiterhin der semantische und hermeneutische Reichtum des Nachhaltigkeitsbegriffs ignoriert und verfehlt [9, S. 276]. Das kann einen Akzeptanz- und Relevanzverlust der Nachhaltigkeitsmessungen in der Öffentlichkeit bedingen. Zirkulär müsste also nicht nur der Bau werden, sondern auch die Feedbackschleifen von Beobachten, Entwerfen, Bauen und Spüren.


Literatur

  1. Blumenberg, H. (2007) Theorie der Unbegrifflichkeit. Frankfurt: Suhrkamp
  2. Grunwald, A.; Kopfmüller, J. (2022) Nachhaltigkeit. Frankfurt a. M., New York: Campus.
  3. Auer, T.; Lemaitre, C. (2022) Bauwende: Jetzt mal ehrlich! nbau. Nachhaltig bauen 1, H. 3, S. 10–12. https://www.nbau.org/2022/10/12/bauwende-jetzt-mal-ehrlich
  4. Snow, C. P. (1959) Two cultures. Science 130, pp. 419–419.
  5. DGNB (2023) DGNB Diamant [online]. Stuttgart: DGNB. https://www.dgnb.de/de/zertifizierung/spezifische-anwendungen/dgnb-diamant
  6. Nassehi, A. (2021) Das Medium der Veränderung. Wie lässt sich die Bauwende gestalten? (Vortrag) [online]. Zukunft Bau Kongress, Bonn, 18./19. Nov. 2021. https://www.zukunftbau.de/veranstaltungen/zukunft-bau-kongresse/zukunft-bau-kongress-2021/videodokumentation
  7. Jacobs, J. (1961) The Death and Life of Great American Cities. New York: Random House, pp. 13–25.
  8. Siedler, W. J. et al. (1964) Die gemordete Stadt: Abgesang auf Putte und Straße, Platz und Baum. Berlin: Berlin Verlag.
  9. Grunwald, A. (2023) Nachhaltigkeit zwischen Bedeutungsarbeit und Management in: Henjel, A. et al. [Hrsg.] Dilemmata der Nachhaltigkeit. Bielefeld: Nomos, S. 261–278.
  10. Grossarth, J. (2024) Was sollten wir unter zirkulärer Bioökonomie im Bauwesen verstehen, und warum? Eine Annäherung durch fünfzehn Interviews in: Grossarth, J. [Hrsg.] Bioökonomie und Zirkulärwirtschaft im Bauwesen. Eine Einführung. Wiesbaden: Springer (i. E.).
  11. Pischetsrieder, E. (2023) Ökobilanzierung als Entwurfskriterium. nbau. Nachhaltig bauen 2, H. 5, S. 33–37. https://www.nbau.org/2023/10/18/oekobilanzierung-als-entwurfskriterium
  12. Kirchhoff, T. (2019) Kulturelle Ökosystemdienstleistungen. Freiburg, München: Karl Alber.
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Autor:in

Prof. Dr. Jan Grossarth, grossarth@hochschule-bc.de
Professor für Bioökonomie und Ressourcen, Hochschule Biberach
www.hochschule-biberach.de

Dieser Aufsatz wurde in einem Peer-Review-Verfahren begutachtet.
Eingereicht: 16. November 2023; angenommen: 21. Januar 2024.

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