Campus Rosenheim – nachhaltige Qualität durch partnerschaftliche Kooperation

Die wenigen neuen Gebäude, die wir uns vor dem Hintergrund des Klimawandels überhaupt noch leisten können, müssen ihre Umweltbelastung, die grundsätzlich im heutigen Kontext nicht verhindert werden kann, zumindest auf ein absolutes Minimum reduzieren. Daneben sind aufgrund der verbleibenden Belastungen die gesellschaftlichen Mehrwerte zu optimieren. Die Gebäude müssen eine auf Dauer ausgerichtete höchste Aufenthaltsqualität bieten. Die hierfür erforderlichen Werkzeuge und Methoden sind bekannt. Eine erfolgreiche Anwendung setzt aber v. a. den gemeinsamen Willen aller Beteiligten voraus. Hierbei ist ein gemeinsames Engagement oft hilfreicher als vertragliche Vereinbarungen. So lassen sich die inhärenten Zielkonflikte deutlich effizienter lösen. Höchste Ansprüche in der Nachhaltigkeit erfordern ein Miteinander und kein Gegeneinander. Die für das Projekt CampusRO (Bild 1) angestrebte Platin-Zertifizierung ist erst durch diesen Ansatz ermöglicht worden.

1 Zum Hintergrund

Nachhaltigkeit ist eine dringend notwendige, aber auch sehr komplexe Aufgabenstellung. Sie kann nicht auf einzelne Aspekte reduziert werden. Da dies aber in den letzten Jahren immer wieder geschehen ist, kann der teils einsetzende Verdruss vieler Akteure gegenüber dem Begriff nachvollzogen werden. Außerdem belasten selbst nachhaltige Gebäude – egal, mit welchem Zertifikat sie ausgestattet werden – die Umwelt. Sie tun dies aber in erheblich reduziertem Maße. Und ebendiese weitestgehende Reduktion von Umweltbelastungen ist insbesondere für die Gebäude, die noch neu errichtet werden, von großer Bedeutung. Dass die Menge solcher Neubauten gegenüber der Bestandsnutzung massiv zu reduzieren ist, sollte selbstverständlich sein.

Für die Bewertung, aber v. a. für die Erreichung hoher Nachhaltigkeitsqualitäten stehen entsprechende Zertifizierungssysteme zur Verfügung. Deren großer Nutzen liegt hier v. a. in der kontinuierlichen Planungsbegleitung als Planungstool. Die hier vorgegebene Bewertungsmatrix ist auch bei einer individuellen Anpassung der Gewichtungsschwerpunkte hilfreich. Statt den Fokus überwiegend auf eine gleichgewichtete Ausrichtung der drei wesentlichen inhaltlichen Säulen Ökonomie, Ökologie und Soziales zu richten, können durchaus auch im Sinne eines Vorrangmodells z. B. die ökologischen Themen stärker gewichtet werden (Bild 2).

Hier wird konkret aus der Projektpraxis berichtet, wie im Planungs- und Ausführungsablauf eine Umsetzung ermöglicht werden kann. Wesentlicher Initiator für diesen Ansatz im Projekt war Prof. Peter Astner als Bauherr. Der aus Sicht der Autoren bestimmende Erfolgsfaktor ist eine partnerschaftliche Kooperation aller Beteiligten. Nachhaltigkeit und hohe Qualität können nur im Dialog entstehen. Und eine Nachhaltigkeitszertifizierung steht auch hoher architektonischer, gestalterischer Qualität nicht im Wege. Aus Sicht der Verfasser bedingen sich diese Aspekte gegenseitig: Wir bauen Gebäude für den Aufenthalt von Menschen – aber das müssen wir mit deutlich weniger Umweltbelastung erreichen.

Bild 2 Modelle der Nachhaltigkeit
Quelle: ACMS Architekten GmbH, Wuppertal
Bild 2 Modelle der Nachhaltigkeit
Quelle: ACMS Architekten GmbH, Wuppertal

2 Das Projekt

Die Stadt Rosenheim liegt im Alpenvorland und gehört zur Metropolregion München. Der Siedlungsdruck in der Region ist hoch, es besteht v. a. Bedarf an bezahlbarem Wohnraum. Die Schaffung von hochwertigem studentischem Wohnraum in direkter Nähe zum Campus wird von den Hochschulen zunehmend als wesentlicher Faktor im globalen Kampf um die besten Talente erkannt. In diesem städtebaulichen Entwicklungsprozess im Umfeld der Hochschule Rosenheim fallen privatwirtschaftliches, örtliches Engagement und öffentliche Interessen der Stadtgesellschaft auf idealtypische Weise zusammen. Auf einer ca. 1,4 ha großen Gewerbefläche wurde eine vorhandene Nutzung eines Metall verarbeitenden Betriebs aufgegeben. Zur Umwidmung des Gebiets gab es im Rahmen des sog. Rosenheimer Modells eine Vereinbarung zwischen der Stadt und einem Investor, dass – nach Kauf der Gesamtfläche durch den privaten Investor – eine Teilfläche von ca. 5000 m2 zu einem festgelegten Preis an die Stadt Rosenheim veräußert wird.

Zur planungsrechtlichen Ermöglichung der Wohnnutzung wurde im Anschluss an die weiter bestehenden und auch zu erhaltenden, nicht störenden Gewerbeflächen ein Mischgebiet angeschlossen, das durch die Aufnahme eines Boardinghouse in den Nutzungsmix ermöglicht wurde. Auf den städtischen Flächen im Nordteil wurden neben einem stark kostengedämpften Wohnungsangebot für Familien ebenso kostengedämpfte Wohnangebote für dringend benötigtes Pflegepersonal der städtischen Kliniken vorgesehen.

Als wesentliches qualitätssicherndes Verfahren wurde ein gemeinschaftlicher internationaler Wettbewerb mit internationaler Jury unter Beteiligung von studentischen Vertretern ausgelobt. Insbesondere die Nutzerperspektive war für die Preisvergabe und die anschließende Auswahl des Konzepts von ACMS Architekten aus Wuppertal von entscheidender Bedeutung.

Das gesamte Areal liegt in unmittelbarer Nähe zur Hochschule und muss mangels stadträumlicher Bezüge seine Qualität als Wohn- und Lebensraum aus sich selbst heraus entwickeln. So entstand ein durchmischtes Wohngebiet unterschiedlichster gesellschaftlicher Gruppen, das die soziale Integration stärkt. Durch die vielfältigen vernetzten Bezüge der baulichen Ausprägung (Bilder 3, 4) wurden zahlreiche Kommunikationsmöglichkeiten geschaffen. Die Besonderheit der offenen Erschließung im CampusRO (Südteil) führen die gemeinschaftlichen begrünten Treffpunkte in die dritte Dimension fort. In der Zusammenarbeit unterschiedlichster Akteure entstand ein neuer Typus eines begrünten und gestapelten Dorfs. Vor allem die Integration weiterer Funktionsbausteine, von Lernräumen über Fitnessbereiche bis hin zu gemeinschaftlich nutzbaren Multifunktionsräumen, ermöglicht vielfältige Begegnungen. Ein im Bereich des Boardinghouse platziertes Café und ein Restaurant dienen als Treffpunkt. Das auf dem 6. Obergeschoss mit herausragendem Blick auf die Bergwelt angesiedelte Café mit Dachterrasse wird zum Anziehungspunkt für die Stadtgesellschaft. Eine ebenso integrierte, allgemein zugängliche Paketstation erhöht den Nutzungskomfort und trägt den unterschiedlichen Lebensmodellen und Erreichbarkeiten Rechnung.

Durch die gemeinsame Entwicklung von Nord- und Südteil konnte v. a. die notwendige Erschließungsstruktur des Gebiets auf eine kurze, gemeinsam genutzte Stichstraße reduziert werden. Der Entwurf für den CampusRO umfasst den Neubau von 211 Apartments für Studierende sowie eines Boardinghouse mit 40 weiteren Apartments im KfW-40-plus-Standard. Die Wärmeversorgung des gesamten Quartiers erfolgt über die Fernwärme der Stadt Rosenheim.

Zur Erreichung höchster Nachhaltigkeitsanforderungen müssen komplexe Fragestellungen und vielfältige Zielkonflikte zwischen den unterschiedlichen Säulen der Nachhaltigkeit von Ökologie, Ökonomie und sozialkulturellen Fragestellungen bearbeitet und verhandelt werden. Die in diesem Projekt angestrebte und mit einem aktuellen Zwischenstand der Erfüllung von über 80 % ­weiterhin avisierte Zielvorstellung einer DGNB-Zertifizierung im ­Platin-Standard (Bilder 5, 6) erfordert daher eine besonders enge ­Zusammenarbeit aller Planungsbeteiligten. Somit wäre der ­CampusRO Deutschlands erstes Quartier für Studierende im DGNB-Platin-Standard.

Vor allem bei sehr flächensparenden Grundrisskonzeptionen mit einer Vielzahl von sanitären Einrichtungen ist die frühzeitige ­Integration der technischen Gebäudeausrüstung eine besondere Herausforderung. Aber auch die angestrebten sehr hohen Energiestandards eines KfW-40-plus-Hauses auf Basis des Passivhausstandards mit einer damit erforderlichen kontrollierten Wohnraumlüftung führten zu weiteren Schnittstellenfragen. Dies alles musste vor dem Hintergrund einer aus ökologischen Gründen gewünschten elementierten Holzbauweise gelöst werden. Durch den partnerschaftlichen Ansatz des Bauherrn wurden auch die maßgeblichen ausführenden Unternehmen bereits in der Planungsphase fest in den Entwicklungsprozess eingebunden. So konnte neben vorgefertigten Sanitäreinheiten in einer Kooperation von Rohbau- und Holzbauunternehmen eine hybride Gebäudestruktur mit tragenden Holzwänden und Holz-Beton-Verbunddecken entwickelt werden.

Maßgebliche Teile der technischen Infrastruktur der dezentralen Lüftungslösung wurden in den vorgefertigten Holztafelbau inte­griert. Die wesentlichen Fragen von Wärmebrückenfreiheit und hoher Luftdichtheit konnten zwischen Architektur, Tragwerksplanung, TGA-Planung und ausführenden Unternehmen optimiert werden. Vor allem die Abstimmung der Bauabläufe der unterschiedlichen vorgefertigten Module (Bild 7) erforderte eine intensive Beschäftigung mit den jeweiligen Fügetechniken und der Baulogistik. Die erarbeiteten digitalen Modelle dienten dabei auch dem hochgradig digitalisierten Betrieb des Gebäudes. Frühzeitig wurde das digitale Betreibermodell in die Elektroplanung integriert. Die energetische Performance des Gebäudes mit einer über 70%igen Eigenstromversorgung durch PV-Elemente ist für alle einsehbar. Hierbei wurde die Flächenkonkurrenz der attraktiven Dachflächen – zwischen direkter Nutzung als Dachterrasse, Regenwasserspeicherfähigkeit durch Gründächer und benötigten PV-Aufstellflächen – bereits in der Konzeptphase gemeinschaftlich durch unterschiedliche Rechenmodelle geprüft und in Abstimmung mit dem ebenso frühzeitig eingeschalteten spezialisierten DGNB-Auditor rückgekoppelt. So konnte dieses Projekt nur mithilfe eines zuvor erstellten BIM-Modells (Bild 8) und der Erweiterung des kooperativen Planungsteams um die ausführenden Unternehmen und deren Kompetenz zur Bauausführung realisiert werden.

Der integrale Planungsansatz wird somit hier um eine weitere ­Dimension hinsichtlich neuer partnerschaftlicher Modelle mit der Ausführungsseite gekoppelt. Durch die ständige Begleitung des DGNB-Auditors konnten die jeweils unterschiedlichen Planungsvarianten monetär wie auch im Hinblick auf die Nachhaltigkeitszertifizierung optimiert werden.

Bei der Betrachtung über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes spielt der Einsatz von Holz aufgrund seiner CO2-Speicherfähigkeit eine große Rolle. Darüber hinaus trägt der Baustoff durch eine werkseitige Vorfertigung der Holztafelelemente zur Bauzeitverkürzung bei. Im Vergleich zu einer Massivbauweise konnten rd. 1250 t CO2 eingespart werden. Über einen Betrachtungszeitraum von 50 Jahren spart das Projekt im Vergleich zu einem Referenzgebäude in herkömmlicher Bauweise sogar 6350 t CO2 ein. Das verwendete Holz stammt aus bayerischen und österreichischen Wäldern. Die PEFC-Zertifizierung garantiert eine nachhaltige Waldbewirtschaftung. Mit Blick auf die knapper werdenden Ressourcen wird klar, dass Aspekte der Kreislaufwirtschaft am Bau stärker berücksichtigt werden müssen. Eine alte, ungenutzte Gewerbehalle, die zuvor auf dem Grundstück stand, wurde rückgebaut. 100 % der geprüften und geeigneten Altmasse aus der ehemaligen Lagerhalle wurden im CampusRO wiederverwendet. Der Abtransport des Abbruchmaterials und die Produktion von neuen Baustoffen und ihre Anfahrt fielen dadurch teilweise weg. Auch das sorgt für eine deutlich verbesserte CO2-Bilanz.

Auf dem Grundstück entstanden zahlreiche kühlende Grünflächen mit Rasen, Bäumen und Sträuchern. Außerdem wurden Bienennährstauden und Nistkästen für Vögel geplant, sodass sich Tiere dort ansiedeln und Schutz finden können. Regenwasser wird sowohl über die begrünten Dachflächen und die begrünten Hofbereiche als auch über unterirdische Rigolen mit Versickerungsmöglichkeit möglichst lange auf dem Grundstück gehalten. Die städtische Kanalisation wird somit bei Starkregenereignissen vor starken Zuläufen geschützt. Vorrangiges Ziel des Entwurfs war es, den Bewohnern nicht nur ein Dach über dem Kopf zu bieten, sondern einen innovativen, bereichernden, inspirierenden Lebensraum für diesen prägenden Zeitabschnitt. Das gesamte Quartier ist daher in einer Siedlungsstruktur konzipiert, die das Miteinander fördert.

Die Umsetzung höchster Qualitätsmaßstäbe erfordert von allen Beteiligten ein gemeinsames Verständnis der Projektziele und einen intensiven Dialog auf Augenhöhe. So werden die unterschiedlichen Perspektiven nicht zum Problem, sondern befördern die Lösung. Aus Sicht der jeweiligen Akteure stehen dabei unterschiedliche Teilaspekte im Fokus.

Bild 5 Eine DGNB-Zertifizierung im Platin-Standard wird angestrebt 
Quelle: Sigurd Steinprinz, Düsseldorf
Bild 5 Eine DGNB-Zertifizierung im Platin-Standard wird angestrebt
Quelle: Sigurd Steinprinz, Düsseldorf
Bild 6 Aktueller Status DGNB-Zertifizierung
Quelle: MNP Ingenieure GmbH, Lübeck
Bild 6 Aktueller Status DGNB-Zertifizierung
Quelle: MNP Ingenieure GmbH, Lübeck

2.1 Tragwerksplanung Holzbau

Das Planen und Bauen mit Holz verlangt von allen Planungsbeteiligten einen sehr intensiven Austausch v. a. in den sehr frühen Leistungsphasen 2 und 3. Zu diesem Zeitpunkt werden – anders als im Massivbau – die wesentlichen Parameter der Architektur, der Konstruktion sowie der Technik festgezurrt. Alle Planer und v. a. auch der Bauherr wirken vollumfänglich daran mit, damit die optimalen Lösungen gemeinsam gefunden werden können.

Im Hinblick auf das Tragwerk und die Konstruktion wurden mannigfaltige Untersuchungen angestellt. Vor allem im Bereich der Deckenkonstruktion wurde sorgfältig abgewogen, welcher Kon­struktionstyp sich am besten für das Bauwerk eignet. Hier wurden mittels einer Bewertungsmatrix aus Wirtschaftlichkeit, Ökologie, Bauteildicke, Leitungsführung, Holzsichtbarkeit u. v. m. sehr unterschiedliche Deckenbauteile gegenübergestellt, um die im Sinne des Projekts bestmögliche Konstruktion gemeinsam auszuwählen. Der Begriff gemeinsam ist an dieser Stelle deshalb wichtig, weil die Auswahl nicht allein durch die Tragwerksplaner getroffen werden konnte, sondern eben nur als Team, um die Anforderungen aus der Architektur, der Statik, des Schallschutzes, des Brandschutzes, den Aspekten der Leitungsführung und v. a. auch der Ökologie wie Ökonomie zu erfüllen. Schlussendlich einigte man sich gemeinsam auf eine Holz-Beton-Verbunddecke, da diese hinsichtlich der Spannweite, des Ressourcenverbrauchs von Holz und gleichermaßen Beton sowie der bautechnischen Anforderungen aus Brandschutz und Schallschutz den maximalen Erfüllungsgrad erreichte. Im Bereich der Außenwände wurde auf eine maximal vorgefertigte Holztafelbaukonstruktion als dämmende Hülle zurückgegriffen, die Zwischenwände der einzelnen Studentenwohnungen wurden mittels Brettsperrholzwänden in Vollholzbauweise erstellt. Die Auswahl der völlig unterschiedlichen Bauteile aus Holztafelbau, Brettsperrholz und Holz-Beton-Verbund zeigt die gemeinsame Optimierung des Tragwerks mit dem Ziel, die nachhaltigste, wirtschaftlichste und ressourceneffizienteste Konstruktion zu generieren.

2.2 Technische Gebäudeausrüstung

Das Gesamtareal wird gemeinsam über einen Hausanschluss mit Fernwärme und Trinkwasser versorgt.

Die Gebäude haben keinen Keller, eine Laubengangerschließung und keine Möglichkeit für Technikräume innerhalb der Etagen. Die von IBL vorgesehene haustechnische Erschließung erfolgt deshalb über Technikgänge unter den Gebäuden.

Die vorgenannten Anforderungen und Rahmenbedingungen erforderten ein dezentrales Versorgungskonzept für Warmwasserbereitung (über Frischwasserstationen) sowie die Ausstattung mit wohnungsweisen Lüftungseinheiten mit Wärmerückgewinnung.

Durch die Haustechnik wird der durch die Gebäudekonzeption und den vorgefertigten Holzbau vorgegebene Weg konsequent weiterverfolgt. Hier war von IBL eine Auftragsteilung vorgesehen: Alle für Bauzeit und Schnittstellen wesentlichen Technikanteile wurden zu Baugruppen zusammengefasst und vorgefertigt. Dies betraf insbesondere:

  • Fertigbad mit Heizungsverteilung
  • Sanitär- und Heizungsstrang
  • Lüftungsvormontage im Fassadenelement

Die Bäder und Stränge wurden durch ein Fertignasszellenwerk vorgefertigt. Die Lüftungsinstallation innerhalb der Fassade war im Leistungsumfang des Holzbauers enthalten.

Diese Schnittstellenwahl ermöglichte einerseits eine risikominimierte Vorfertigung sowie andererseits eine lokal kompetenzorientierte Firmenauswahl für Restinstallation, Inbetriebnahme und Facility Management.

Die haustechnische Montagezeit auf der Baustelle konnte auf ein Minimum reduziert werden.

2.3 Bauphysik

Die konsequente Ausrichtung des Projekts begann bereits bei der schalltechnischen Verträglichkeitsuntersuchung zum Immissionsschutz auf der grünen Wiese im Rahmen des Architekturwettbewerbs. Der Entwurf von ACMS Architekten hat sich wohl auch deshalb durchgesetzt, da auf die Lärmsituation am Standort – in unmittelbarer Nähe der Bahngleise – besonders Rücksicht genommen wurde. Die Baukörper schirmen den Schienenlärm wirksam ab und erschaffen einen lärmberuhigten Innenhof, der sogar natürliche Fensterlüftung zur Nachtzeit ermöglicht.

Auch aus energetischer Sicht wurden keine Kompromisse eingegangen. Das selbst gesteckte Ziel, die thermische Hülle der Gebäude in Passivhausqualität zu planen sowie den höchsten förderfähigen Effizienzhausstandard 40 Plus zu erreichen, wurde konsequent umgesetzt. Neben sehr guten U-Werten wurde insbesondere auf wärmebrückenarme Planung geachtet. Der detaillierte Wärmebrückennachweis ergab Zuschläge deutlich unter 0,02 W/m²K, bei gleichzeitig wirtschaftlichen Bauteilaufbauten. Seitens der Anlagentechnik wurde der Fernwärmeanschluss um effiziente dezentrale Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung und größtmöglicher PV-Anlage ergänzt. Dadurch konnten die strengen Anforderungen eines Effizienzhauses 40 an den Primärenergiebedarf sogar deutlich unterschritten werden.

2.4 BIM-Management

Das Projekt CampusRO hat einmal mehr gezeigt, dass einer der elementarsten Bausteine für ein erfolgreiches BIM-Projekt ein motiviertes und engagiertes Planerteam ist. Erfahrung aus bereits durchgeführten BIM-Projekten ist wünschenswert, aber absolut kein Muss. Grundsätzlich hat sich die partnerschaftliche Zusammenarbeit wie ein roter Faden durch das Projekt gezogen. Ein ständiger Austausch zwischen den Projektbeteiligten auf Augenhöhe wurde gelebt mit dem Ziel, dass Aufwand und Nutzen – insbesondere in Bezug auf die BIM-Thematik – immer im Verhältnis stehen. Hervorzuheben ist, dass die Planer nicht vertraglich zu einer BIM-Planung verpflichtet waren, diesen Weg jedoch gemeinsam gehen wollten.

2.5 DGNB-Audit

Für das BV wird die DGNB-Zertifizierung im System Neubau Wohnen 2018 als Platin-Zertifikat umgesetzt. Dies erfordert außerordentlich hohe Qualitäten in allen 35 DGNB-Kriterien, die das Gebäude ganzheitlich mit Anforderungen belegen. Neben ökologischen und ökonomischen Aspekten sind daher auch soziokulturelle und technische Anforderungen zu erfüllen.

Die Herausforderung der Platin-Zertifizierung liegt v. a. darin, dass im Grunde in allen Themenfeldern der Nachhaltigkeit gute Lösungen geplant und umgesetzt werden. Nur so lassen sich über 85 % der Anforderungen erfüllen. Dadurch müssen die beim Planen und Bauen immanenten Zielkonflikte – welche durch das DGNB-System transparent werden – an sehr vielen Stellen gelöst werden.

Die Platin-Zertifizierung stellt an die Beteiligten zusätzlich die ­Anforderung einer besonders sorgfältigen Dokumentation und Nachweisführung. Weiterhin sind zahlreiche Messungen zur Kontrolle der gebauten Qualität erforderlich.

Das Bauvorhaben weist eine sehr geringe Umweltwirkung auf, die für die DGNB-Zertifizierung mittels einer Ökobilanz für die Konstruktionen und die Nutzung ermittelt wurde. Es wird dabei ein sehr klimafreundlicher Gesamtfußabruck CO2/m² in Höhe von 10,5 kg/m²a erreicht. Dieser Wert entspricht einer Reduzierung der Umweltwirkung von 2/3 gegenüber einem Standard­gebäude. Selbst der für die strenge BEG 40-NH-Förderung erforderliche Wert von 24 kg/m²a wird noch um mehr als 50 % unterschritten.

Die sehr geringe Umweltwirkung wird dabei durch zwei Strategieteile erreicht. Sowohl Konstruktion als auch Energiebedarfe in der Nutzung wurden dazu hinsichtlich der Umweltwirkungen optimiert.

Vorwiegend wurde in der Konstruktion der Baustoff Holz eingesetzt, der eine bessere CO2-Bilanz als bei konventionell errichteten Gebäuden bewirkt. Beton wurde lediglich an Stellen eingesetzt, an denen Holz nicht das richtige Baumaterial ist, um bspw. hohe Anforderungen an Lastabtrag, Brandschutz, Standsicherheit usw. zu erfüllen. Die so entstandene Holzhybridbauweise reduziert den CO2-Fußabdruck um mehr als 50 % gegenüber einer konventionellen Bauweise.

Eine auf den Dächern installierte Photovoltaikanlage erzeugt weitgehend CO2-neutralen Strom, der für die Energieversorgung des Quartiers verwendet wird. Der vor Ort produzierte PV-Strom kann auch von den Mietern der Studentenwohnungen bezogen werden.

Zusätzliche Schwerpunktthemen beim CampusRO sind folgende Nachhaltigkeitsqualitäten:

Biodiversität

Umsetzung von Maßnahmen für Lebensräume von Pflanzen und Tieren am Gebäude: Grünflächen, Nistkästen und Bienennähr­stauden, Vermeidung von Lichtverschmutzung.

Ressourcenschonung

Altbaumaterial der alten Gewerbehalle wurde im Neubau recycelt.

Schadstoffvorgaben

Sicherstellung von gesundheitsbewusstem Bauen, schadstofffreie Innenräume, methodische Erweiterung der LVs, Erfassung und Dokumentation aller verbauten Produkte.

Baustoffkataster

Alle Bauprodukte wurden systematisch mit ihrem Einbauort in einem digitalen Bauteilkatalog erfasst. Für das spätere Recycling stehen somit wertvolle Informationen zur Verfügung.

Messungen Schallschutz

Sicherstellung einer hohen Ausführungsqualität von Anschlüssen und Bauteilen.

Für die DGNB-Platin-Zertifizierung braucht es eine methodische Suche nach besten Lösungen. Dies konnte nur gelingen, da alle Projektbeteiligten kooperativ und zielorientiert zusammenarbeiten konnten. Im Sinne eines Miteinanders statt eines Gegeneinanders konnte diese doch komplexe Aufgabe erfolgreich bewältigt werden.

2.6 Holzbauausführung

Bereits in einer frühen Projektphase erfolgte vom Investor der Auswahlprozess zu den wichtigsten Baupartnern, darunter auch der Holzbau. Huber & Sohn hat daher das Projekt als Holzbauunternehmen ab einer sehr frühen Planungsphase begleiten dürfen. Das Vertrauen auf das gegebene Wort beruhte dabei auf Gegenseitigkeit – erst mit Abschluss der Leistungsphase 4, nach vielen Beratungsstunden, kam über einen LOI auf Basis einer Kostenermittlung die erste vertragliche Bindung zustande.

Danach erfolgte in gemeinsamen Holzbauworkshops ein vorbildlicher Planungsprozess mit den Architekten und den Tragwerksplanern. Hier wurden Details und Bauteile (Bild 9) nach technischen, architektonischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten unter Beachtung eines möglichst hohen Vorfertigungsgrads gemeinsam von Architekten, Fachingenieuren und Holzbauunternehmen ausgearbeitet. Dabei wurden in dem gesamten Prozess immer auch die Anforderungen für die geplante Zertifizierung nach DGNB Platin mit berücksichtigt. Nach Abschluss dieses Planungsprozesses erfolgte die endgültige Preisermittlung und im Anschluss die Erteilung des Bauauftrags.

Aufgrund der frühzeitigen Auswahl der wichtigsten Baupartner – wie Rohbauunternehmen und Holzbau inkl. Fenster und Fassade – konnte das Projekt trotz Coronapandemie und der Verwerfungen am Rohstoffmarkt plangemäß umgesetzt werden. Da den Beteiligten viele Schnittpunkte zwischen den Gewerken aufgrund der frühzeitigen Einbindung der Unternehmen bekannt waren, reduzierten sich die sonst üblichen Überraschungen während der Ausführung auf ein sehr überschaubares Minimum.

Nach Abschluss der Planungen wurde im Juli/August 2020 das Angebot für den Bauvertrag für das studentische Wohnen erarbeitet. Hier war die Basis die zu diesem Zeitpunkt weit fortgeschrittene Planung unter Einbeziehung der Ergebnisse der Holzbauworkshops.

AG und AN haben sich dann in sehr offenen Gesprächen auf einen Vertragspreis geeinigt.

Betrachtet man nun den Zeitplan, ist die Einbindung des Holzbaus keinesfalls zu früh erfolgt. Bei einer späteren Einbindung mit einem Angebot erst im Sommer 2020 wäre die terminliche Vorgabe nur schwerlich zu schaffen gewesen. Aufgrund der Sicherheit des LOI konnte mit der Arbeitsvorbereitung begonnen und entsprechende Personalkapazitäten vorgehalten werden, ohne einen Bauvertrag zu haben. Darüber hinaus wurden die wichtigsten ­Materialien bei den Lieferanten vorreserviert.

Der beim Campus gegangene Weg der frühzeitigen partnerschaftlichen Zusammenarbeit hat nach Meinung der Autoren deutlich mehr Vor- als Nachteile – sowohl für den Auftraggeber wie auch für den Auftragnehmer. Dazu der Projektinitiator und Bauherr ­Peter Astner: „Für mich stand der gemeinsame Projekterfolg immer im Vordergrund, nicht einzelne Personen oder Firmen. Kooperativ sollte es laufen, nicht konfrontativ. In diesem Sinne hatte ich in alle Bauverträge, die wir im Zusammenhang mit unserem Vorhaben CampusRO geschlossen haben, folgende Klausel aufgenommen:

CampusRO Projektentwicklungs GmbH & Co. KG verfolgt einen partnerschaftlichen Ansatz, der im Interesse der Optimierung der Baumaßnahme die Kooperation der Vertragsparteien und Projektbeteiligten in den Vordergrund stellt. Ziel ist der gemeinsame Projekterfolg. Dieses Ziel soll durch frühzeitige Einbindung der Ausführungskompetenz der Unternehmer in die Planungsphase, gemeinsame Festlegung des Bau-Solls, Herbeiführung einer identischen Bau-Soll-Auslegung zwischen Bauherr und Unternehmern vor Vertragsabschluss, ausgewogene Vertragsgestaltung und Risikominimierung für Bauherr und Bauunternehmer, transparente Zusammensetzung der (pauschalierten) Vergütung und gemeinsame Festlegung der Projektablaufstrukturen, erreicht werden. In diesem Sinne wurde der vorliegende Vertrag geschlossen und soll dieser durchgeführt werden.

Ich freue mich, dass ich Partner gefunden habe, die diesen Ansatz mitgelebt haben, und dass der Erfolg uns allen Recht gegeben hat, dass dieser Weg der richtige war.“


Projektbeteiligte

Bauherr:
CampusRO Projektentwicklungs GmbH & Co. KG, Pullach i. Isartal 

Architektur:
ACMS Architekten GmbH, Wuppertal

Landschaftsarchitektur:
studio grüngrau, Düsseldorf

Statik Holzbau, Bauakustik und Brandschutz: 
Pirmin Jung Deutschland GmbH, Augsburg

Statik Massivbau und Architektur ab LP 6: 
Guggenbichler + Wagenstaller GbR, Rosenheim

Bauphysik und Wärmeschutz:
LEICHTphysics GmbH, Bad Aibling

Heizung-Lüftung-Sanitär:
Ingenieurbüro Lackenbauer GmbH, Traunstein

Elektroplanung:
pgt Planungsgruppe Technik GmbH & Co. KG, Traunstein

Landschaftsarchitektur ab LP 5:
Landschaftsarchitektur Stiegler, Rosenheim

DGNB-Zertifizierung:
MNP Ingenieure GmbH, Lübeck

BIM-Koordination:
ODE – office for digital engineering, Wien

Holzbau:
Huber & Sohn GmbH & Co. KG, Eiselfing

Fotografie:
Sigurd Steinprinz, Düsseldorf

Wettbewerbsvisualisierung:
PONNIE Images, Aachen


Autor:innen

Prof. Christian Schlüter, c.schlueter@acms-architekten.de

Laura Heidelauf, L.Heidelauf@acms-architekten.de
ACMS Architekten, Wuppertal
www.acms-architekten.de

Tobias Götz, tobias.goetz@pirminjung.de
PIRMIN JUNG Deutschland, Remagen

Andreas Lackenbauer, gf@lackenbauer.de
Ingenieurbüro Lackenbauer, Traunstein

Rafael Troll, office@leichtphysics.com
LEICHTphysics, Bad Aibling

Björn Silberbauer, office@ode.or.at
ODE – office for digital engineering, Wien

Dr. Hendrik Müller, mueller@mnp-ing.de
MNP Ingenieure, Lübeck

Josef Huber, info@huber-sohn.de
Huber & Sohn, Eiselfing

Peter Astner, info@campus-ro.de
CampusRO Projektentwicklung

Jobs

ähnliche Beiträge

Nachhaltigkeitsmanagement und Berichterstattung in den Städten

Der Deutsche Städtetag hat einen Beschluss zu Nachhaltigkeitsmanagement und Berichterstattung in den Städten gefasst.

25. April ist Tag des Baumes

Der GREEN FOREST FUND kümmert sich um die Urwälder von morgen.

Low Tech Bau – Suffizienz

Dritte Auflage des Fachsymposiums Low Tech Bau – Suffizienz am 7. Juni in Berlin.